»Die blocken bei dem Thema immer wieder ab«
Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen: Bundesregierung tut ahnungslos, die Länder sagen nichts. Ein Gespräch mit Nicole Gohlke
Interview: Ralf Wurzbacher
Nicole Gohlke ist hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag
Vor sechs Wochen hatten der NDR und die Süddeutsche Zeitung (SZ) über Forschung deutscher Hochschulen und außeruniversitärer Einrichtungen für das US-Pentagon berichtet. Seit 2000 sollen an 22 Einrichtungen rund zehn Millionen Dollar (7,35 Millionen Euro) geflossen sein. Sie haben mit einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt. Was weiß die von den Vorgängen?
Der sind all diese Dinge offenbar bekannt. Nur stört sie sich weder daran, noch hält sie es für erforderlich, daß auch die Öffentlichkeit davon erfährt. Tatsächlich hat die Regierung in ihrer Antwort lediglich Auskunft zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck- oder den Fraunhofer-Instituten gegeben. Um Aussagen zu Kooperationen mit öffentlichen Hochschulen drückt sie sich damit herum, dies sei allein Sache der Bundesländer. Die blocken bei dem Thema aber immer wieder mit Verweis auf die Hochschulautonomie ab. Man gewinnt den Eindruck, als wolle keiner der politisch Verantwortlichen wirklich Bescheid wissen, was an den Hochschulen in puncto Militärforschung läuft.
Und wie steht es um die außeruniversitären Einrichtungen?
Die Regierung hat Kenntnis von 42 Forschungsprojekten, von denen 33 durch Stellen des US-Verteidigungsministeriums mit einem Volumen von 4,6 Millionen Euro finanziert wurden und werden. Dazu kommen neun Aufträge im Umfang von 4,4 Millionen Euro, bezahlt aus den Verteidigungsetats von Singapur, Großbritannien, Südkorea, Australien und der Schweiz. Die im November enthüllte Zahl von zehn Millionen Dollar ist damit schon überholt. In der Berichterstattung war damals von mindestens sechs Millionen Dollar allein im Bereich der Hochschulen die Rede. Damit wären wir also schon bei mindestens 18 Millionen Dollar, die das Ausland in die deutsche Rüstungsforschung gesteckt hat.
Ist das mit der Militärforschung immer so eindeutig?
Die Regierung meint nein und argumentiert, daß praktisch all die fraglichen Aktivitäten der Grundlagenforschung dienten und stets auf eine auch zivile Nutzung hinausliefen. Das ist natürlich eine Schutzbehauptung. Es stimmt zwar, daß die Rüstungs- und Raumfahrtforschung viele Innovationen im Zivilbereich angestoßen hat. Das sind aber nur Nebenprodukte von zuallererst militärischen Anwendungen. Außerdem: Wenn das australische Militär am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an einem Hyperschalljet forschen läßt, und die Schweizer Luftwaffe dort ein Programm für Fallschirmjäger und Pilotenanwärter unterhält – wo bleibt da, bitteschön, die zivile Nutzung?
Immerhin sorgt sich die Regierung um die Wale …
In ihrer Antwort wird das Thema in der Tat sehr umfassend behandelt. Es mag ja sein, daß es US-Seestreitkräfte traurig macht, wenn Wale durch Unterwasserlärm zu Schaden kommen, und sie deshalb nach Lösungen forschen lassen. Das US-Pentagon finanziert aber auch Projekte, die durchaus die Entwicklung von Drohnen vorantreiben könnten. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die gewonnenen Erkenntnisse nicht irgendwann auch zu kriegerischen Zwecken mißbraucht werden?
Die Frage ist wohl eher, ob sie das überhaupt sicherstellen will?
Ich sehe auf jeden Fall eine Tendenz, solche Kooperationen politisch in die Wege zu leiten und sich auch ganz aktiv darum zu bemühen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, daß praktisch alle fraglichen Projekte in den zurückliegenden zehn Jahren und 70 Prozent davon in den letzten fünf Jahren begonnen wurden. Neben einem politischen Willen, solche Kooperationen zu befördern, spielt dabei aber gewiß auch der Umbau der Hochschulen eine Rolle – vor allem deren starke Abhängigkeit von Drittmitteln.
Glauben Sie, das Thema hat das Zeug zum Aufreger? Die Regierung sieht jedenfalls »keinen Handlungsbedarf«.
Der Mangel an Transparenz kommt ja nicht von ungefähr. Sowohl die Hochschulen als auch die Forschungsinstitute tun ja ihr möglichstes, alles totzuschweigen. Wenn die Regierung jetzt sagt: Alles kein Problem, dann zeugt das nicht nur von mangelnder Sensibilität. Das ist außerdem ein weiterer Versuch, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen und eine öffentliche Debatte zu verhindern.
jw
Rüstungsforschung an deutschen Hochschulen: Bundesregierung tut ahnungslos, die Länder sagen nichts. Ein Gespräch mit Nicole Gohlke
Interview: Ralf Wurzbacher
Nicole Gohlke ist hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag
Vor sechs Wochen hatten der NDR und die Süddeutsche Zeitung (SZ) über Forschung deutscher Hochschulen und außeruniversitärer Einrichtungen für das US-Pentagon berichtet. Seit 2000 sollen an 22 Einrichtungen rund zehn Millionen Dollar (7,35 Millionen Euro) geflossen sein. Sie haben mit einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt. Was weiß die von den Vorgängen?
Der sind all diese Dinge offenbar bekannt. Nur stört sie sich weder daran, noch hält sie es für erforderlich, daß auch die Öffentlichkeit davon erfährt. Tatsächlich hat die Regierung in ihrer Antwort lediglich Auskunft zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck- oder den Fraunhofer-Instituten gegeben. Um Aussagen zu Kooperationen mit öffentlichen Hochschulen drückt sie sich damit herum, dies sei allein Sache der Bundesländer. Die blocken bei dem Thema aber immer wieder mit Verweis auf die Hochschulautonomie ab. Man gewinnt den Eindruck, als wolle keiner der politisch Verantwortlichen wirklich Bescheid wissen, was an den Hochschulen in puncto Militärforschung läuft.
Und wie steht es um die außeruniversitären Einrichtungen?
Die Regierung hat Kenntnis von 42 Forschungsprojekten, von denen 33 durch Stellen des US-Verteidigungsministeriums mit einem Volumen von 4,6 Millionen Euro finanziert wurden und werden. Dazu kommen neun Aufträge im Umfang von 4,4 Millionen Euro, bezahlt aus den Verteidigungsetats von Singapur, Großbritannien, Südkorea, Australien und der Schweiz. Die im November enthüllte Zahl von zehn Millionen Dollar ist damit schon überholt. In der Berichterstattung war damals von mindestens sechs Millionen Dollar allein im Bereich der Hochschulen die Rede. Damit wären wir also schon bei mindestens 18 Millionen Dollar, die das Ausland in die deutsche Rüstungsforschung gesteckt hat.
Ist das mit der Militärforschung immer so eindeutig?
Die Regierung meint nein und argumentiert, daß praktisch all die fraglichen Aktivitäten der Grundlagenforschung dienten und stets auf eine auch zivile Nutzung hinausliefen. Das ist natürlich eine Schutzbehauptung. Es stimmt zwar, daß die Rüstungs- und Raumfahrtforschung viele Innovationen im Zivilbereich angestoßen hat. Das sind aber nur Nebenprodukte von zuallererst militärischen Anwendungen. Außerdem: Wenn das australische Militär am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an einem Hyperschalljet forschen läßt, und die Schweizer Luftwaffe dort ein Programm für Fallschirmjäger und Pilotenanwärter unterhält – wo bleibt da, bitteschön, die zivile Nutzung?
Immerhin sorgt sich die Regierung um die Wale …
In ihrer Antwort wird das Thema in der Tat sehr umfassend behandelt. Es mag ja sein, daß es US-Seestreitkräfte traurig macht, wenn Wale durch Unterwasserlärm zu Schaden kommen, und sie deshalb nach Lösungen forschen lassen. Das US-Pentagon finanziert aber auch Projekte, die durchaus die Entwicklung von Drohnen vorantreiben könnten. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß die gewonnenen Erkenntnisse nicht irgendwann auch zu kriegerischen Zwecken mißbraucht werden?
Die Frage ist wohl eher, ob sie das überhaupt sicherstellen will?
Ich sehe auf jeden Fall eine Tendenz, solche Kooperationen politisch in die Wege zu leiten und sich auch ganz aktiv darum zu bemühen. Auffallend ist in diesem Zusammenhang, daß praktisch alle fraglichen Projekte in den zurückliegenden zehn Jahren und 70 Prozent davon in den letzten fünf Jahren begonnen wurden. Neben einem politischen Willen, solche Kooperationen zu befördern, spielt dabei aber gewiß auch der Umbau der Hochschulen eine Rolle – vor allem deren starke Abhängigkeit von Drittmitteln.
Glauben Sie, das Thema hat das Zeug zum Aufreger? Die Regierung sieht jedenfalls »keinen Handlungsbedarf«.
Der Mangel an Transparenz kommt ja nicht von ungefähr. Sowohl die Hochschulen als auch die Forschungsinstitute tun ja ihr möglichstes, alles totzuschweigen. Wenn die Regierung jetzt sagt: Alles kein Problem, dann zeugt das nicht nur von mangelnder Sensibilität. Das ist außerdem ein weiterer Versuch, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen und eine öffentliche Debatte zu verhindern.
jw