Bürgerkrieg in Kiew
Ukraine: Bis zu 30 Tote bei Kämpfen zwischen Oppositionsanhängern und Polizei. Polen bereitet sich auf Flüchtlingswelle vor. EU plant Sanktionen
Von Reinhard Lauterbach
Die Auseinandersetzungen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften in Kiew haben seit Dienstag eine dramatische Wendung genommen. Einheiten der Sonderpolizei »Berkut« drängten die Demonstranten gewaltsam aus dem Regierungsviertel ab und versuchten, den besetzten Unabhängigkeitsplatz zu stürmen. Das gelang ihnen bis zum gestrigen Mittwoch nur teilweise. Die Behörden sprachen von 26 Todesopfern, darunter 10 Polizisten und Soldaten, und mehreren hundert teilweise schwer Verletzten. Die Opposition nannte höhere Opferzahlen.
Seit dem Einbruch der Dunkelheit am Dienstag abend hatten Polizeieinheiten von zwei Seiten aus den Sturm auf den Unabhängigkeitsplatz begonnen. Die Gruschewski-Straße und der angrenzende Europaplatz wurden zurückerobert, auch das von Demonstranten besetzte Gewerkschaftshaus wurde am frühen Morgen von der Polizei besetzt. Wenig später ging das Gebäude in Flammen auf und stürzte am Vormittag teilweise ein. Die Feuerwehr befreite mehrere Dutzend Menschen aus dem brennenden Gebäude. Opposition und Polizei beschuldigten sich gegenseitig, das Feuer gelegt zu haben. Regierungsgegner stürmten als Ersatz die gegenüber dem Gewerkschaftshaus am Unabhängigkeitsplatz gelegene Hauptpost. Gegen Morgen ließen die Kämpfe nach; Augenzeugen berichteten aber den ganzen Mittwoch über von einzelnen Schüssen. Den Demonstranten ging offenbar allmählich der Brennstoff für ihre Barrikaden aus.
Präsident Wiktor Janukowitsch wandte sich in einer Erklärung an die ukrainische Bevölkerung und warnte vor einem Bürgerkrieg und dem Zerfall des Landes. Er warf der Opposition den Versuch eines Staatsstreichs vor, forderte sie aber gleichzeitig zu neuen Gesprächen auf. Oppositionsführer Arseni Jazenjuk quittierte die Einladung des Präsidenten mit der Gegenforderung, dieser solle zuvor die Polizei aus dem Stadtzentrum zurückziehen.
Polen bereitet sich unterdessen auf eine Flüchtlingswelle aus der Ukraine vor. Ministerpräsident Donald Tusk sagte am Mittwoch morgen im Parlament, er habe die Behörden der grenznahen Wojewodschaften angewiesen, Plätze in den Krankenhäusern freizuhalten und Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Man müsse damit rechnen, daß der Konflikt mehrere Monate dauern könne. Tusk forderte, jetzt EU-weit Sanktionen gegen ukrainische Regierungsvertreter zu verhängen. Er werde dies auf einem für den heutigen Donnerstag geplanten EU-Außenministertreffen einbringen. Für Sanktionen sprachen sich auch Vertreter der Regierungen Deutschlands und Frankreichs aus. Beide wollten sich am Mittwoch in Paris treffen, um ihr Vorgehen abzusprechen. Gedacht ist daran, Konten ukrainischer Spitzenpolitiker bei Banken in EU-Europa zu blockieren und ihre Visa zu annullieren. Die USA haben diesen Schritt am Mittwoch bereits vollzogen, wie deren Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, erklärte. Bisher hatte die EU Visasanktionen zurückhaltend beurteilt, weil sie sich im Falle des benachbarten Belarus als wirkungslos erwiesen haben.
Polnische Oppositionspolitiker kritisierten die EU-Sanktionen. Die danach absehbare Verschlechterung der Beziehungen zwischen Brüssel und Kiew sei ein bequemer Vorwand, um die Ukraine anschließend sich selbst bzw. Rußland zu überlassen. Statt dessen solle die EU der Ukraine eine Mitgliedschaftsperspektive eröffnen. Gegen diese Option hatte in der Vergangenheit Frankreich sein Veto eingelegt.
jw
Ukraine: Bis zu 30 Tote bei Kämpfen zwischen Oppositionsanhängern und Polizei. Polen bereitet sich auf Flüchtlingswelle vor. EU plant Sanktionen
Von Reinhard Lauterbach
Die Auseinandersetzungen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften in Kiew haben seit Dienstag eine dramatische Wendung genommen. Einheiten der Sonderpolizei »Berkut« drängten die Demonstranten gewaltsam aus dem Regierungsviertel ab und versuchten, den besetzten Unabhängigkeitsplatz zu stürmen. Das gelang ihnen bis zum gestrigen Mittwoch nur teilweise. Die Behörden sprachen von 26 Todesopfern, darunter 10 Polizisten und Soldaten, und mehreren hundert teilweise schwer Verletzten. Die Opposition nannte höhere Opferzahlen.
Seit dem Einbruch der Dunkelheit am Dienstag abend hatten Polizeieinheiten von zwei Seiten aus den Sturm auf den Unabhängigkeitsplatz begonnen. Die Gruschewski-Straße und der angrenzende Europaplatz wurden zurückerobert, auch das von Demonstranten besetzte Gewerkschaftshaus wurde am frühen Morgen von der Polizei besetzt. Wenig später ging das Gebäude in Flammen auf und stürzte am Vormittag teilweise ein. Die Feuerwehr befreite mehrere Dutzend Menschen aus dem brennenden Gebäude. Opposition und Polizei beschuldigten sich gegenseitig, das Feuer gelegt zu haben. Regierungsgegner stürmten als Ersatz die gegenüber dem Gewerkschaftshaus am Unabhängigkeitsplatz gelegene Hauptpost. Gegen Morgen ließen die Kämpfe nach; Augenzeugen berichteten aber den ganzen Mittwoch über von einzelnen Schüssen. Den Demonstranten ging offenbar allmählich der Brennstoff für ihre Barrikaden aus.
Präsident Wiktor Janukowitsch wandte sich in einer Erklärung an die ukrainische Bevölkerung und warnte vor einem Bürgerkrieg und dem Zerfall des Landes. Er warf der Opposition den Versuch eines Staatsstreichs vor, forderte sie aber gleichzeitig zu neuen Gesprächen auf. Oppositionsführer Arseni Jazenjuk quittierte die Einladung des Präsidenten mit der Gegenforderung, dieser solle zuvor die Polizei aus dem Stadtzentrum zurückziehen.
Polen bereitet sich unterdessen auf eine Flüchtlingswelle aus der Ukraine vor. Ministerpräsident Donald Tusk sagte am Mittwoch morgen im Parlament, er habe die Behörden der grenznahen Wojewodschaften angewiesen, Plätze in den Krankenhäusern freizuhalten und Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Man müsse damit rechnen, daß der Konflikt mehrere Monate dauern könne. Tusk forderte, jetzt EU-weit Sanktionen gegen ukrainische Regierungsvertreter zu verhängen. Er werde dies auf einem für den heutigen Donnerstag geplanten EU-Außenministertreffen einbringen. Für Sanktionen sprachen sich auch Vertreter der Regierungen Deutschlands und Frankreichs aus. Beide wollten sich am Mittwoch in Paris treffen, um ihr Vorgehen abzusprechen. Gedacht ist daran, Konten ukrainischer Spitzenpolitiker bei Banken in EU-Europa zu blockieren und ihre Visa zu annullieren. Die USA haben diesen Schritt am Mittwoch bereits vollzogen, wie deren Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, erklärte. Bisher hatte die EU Visasanktionen zurückhaltend beurteilt, weil sie sich im Falle des benachbarten Belarus als wirkungslos erwiesen haben.
Polnische Oppositionspolitiker kritisierten die EU-Sanktionen. Die danach absehbare Verschlechterung der Beziehungen zwischen Brüssel und Kiew sei ein bequemer Vorwand, um die Ukraine anschließend sich selbst bzw. Rußland zu überlassen. Statt dessen solle die EU der Ukraine eine Mitgliedschaftsperspektive eröffnen. Gegen diese Option hatte in der Vergangenheit Frankreich sein Veto eingelegt.
jw