Janukowitsch gibt nach
Ukrainisches Parlament hebt Verschärfung der Versammlungsgesetze wieder auf. Faschist will »Revolutionsführer« werden. Polizist von Nationalisten erstochen
Von Reinhard Lauterbach
Das ukrainische Parlament hat am Dienstag die am 16. Januar beschlossenen verschärften Versammlungsgesetze wieder aufgehoben. Es kam damit einer zentralen Forderung der auf dem Maidan versammelten Opposition wie auch der westlichen Einflußnehmer nach. Damit sind die Polit-Korsos des »Automaidan« sowie Helme und Masken auf Demonstrationen wieder erlaubt, und vom Ausland finanzierte Gruppen können sich wieder als unabhängige NGOs darstellen. Der Sinneswandel der regierenden »Partei der Regionen« kam, nachdem mehrere ukrainische Großunternehmer Präsident Wiktor Janukowitsch intern klargemacht hatten, daß sie eine gewaltsame Räumung der Kiewer Innenstadt nicht wollten. Hintergrund sind offenbar die westlichen Drohungen mit Sanktionen und Kontosperrungen.
Eine Mehrheit von 355 der 450 Abgeordneten stimmte zunächst im Eifer des Gefechts auch dafür, zwei am 16. Januar beschlossene Bestimmungen mit antifaschistischer Zielsetzung zu kippen. Es bedurfte einer zweiten Abstimmung, um das Verbot der Verherrlichung des deutschen Faschismus und seiner Kollaborateure sowie das Verbot der Zerstörung von Denkmälern für seine Opfer mit deutlich knapperer Mehrheit wieder in Kraft zu setzen. Dies rief alsbald den Zorn des Chefs der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok hervor. Seine Anhänger betrachten den Terroristen und Nazikollaborateur Stepan Bandera und seine Leute als Nationalhelden.
Am Morgen hatte auch Ministerpräsident Nikolaj Asarow seinen Rücktritt angeboten; bis zum Nachmittag war nicht klar, wen Janukowitsch als Nachfolger vorschlagen wird. Der Präsident hatte das Amt schon vor Tagen dem Führer der oppositionellen Vaterlandspartei, Arsenij Jazenjuk, angeboten; dieser hatte die Offerte unter dem Druck der Stimmung auf dem Maidan aber nicht angenommen. Das Kabinett soll geschäftsführend im Amt bleiben, bis eine neue Regierung gebildet ist.
Den rechten Demonstranten, die weiterhin auf den Barrikaden der Polizei gegenüberstehen, reichten die Zugeständnisse des Morgens nicht. Sie verlangten die sofortige Ausschreibung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, zu denen freilich alle Parteien, die sie als »antistaatlich« einstufen, nicht zugelassen werden sollen. Dmytro Jarosch, der selbsternannte Führer des »Rechten Blocks« der Schlägertrupps, erklärte seine Bereitschaft, die »Führung der Revolution« zu übernehmen.
In der südukrainischen Hafenstadt Cherson starb am Dienstag ein Polizist an den Folgen eines Messeranschlags vom Vortag. Zwei weitere Beamte sind schwer verletzt. Wie die Polizei mitteilte, wurden die Täter ermittelt: es handle sich um drei Studenten einer örtlichen Hochschule, die zu den aktivsten Teilnehmern am »Euromaidan« gehört hätten. Ihre Untersuchungshaft wird womöglich nur kurz dauern: die Opposition verlangt von Janukowitsch auch die Freilassung aller »politischen Gefangenen«.
Auf der Krim beschloß unterdessen der Stadtrat von Sewastopol, sich im Falle eines »Staatsstreichs« in Kiew von der Ukraine loszusagen und gemeinsam mit der Halbinsel Krim einen eigenen Staat namens »Kleinrußland« zu gründen. Dies war der offizielle Name der Ukraine im zaristischen Rußland. Das Krim-Parlament hatte Janukowitsch vorher aufgefordert, den Unruhen in Kiew mit dem Mittel des Ausnahmezustands entgegenzutreten.
jw
Ukrainisches Parlament hebt Verschärfung der Versammlungsgesetze wieder auf. Faschist will »Revolutionsführer« werden. Polizist von Nationalisten erstochen
Von Reinhard Lauterbach
Das ukrainische Parlament hat am Dienstag die am 16. Januar beschlossenen verschärften Versammlungsgesetze wieder aufgehoben. Es kam damit einer zentralen Forderung der auf dem Maidan versammelten Opposition wie auch der westlichen Einflußnehmer nach. Damit sind die Polit-Korsos des »Automaidan« sowie Helme und Masken auf Demonstrationen wieder erlaubt, und vom Ausland finanzierte Gruppen können sich wieder als unabhängige NGOs darstellen. Der Sinneswandel der regierenden »Partei der Regionen« kam, nachdem mehrere ukrainische Großunternehmer Präsident Wiktor Janukowitsch intern klargemacht hatten, daß sie eine gewaltsame Räumung der Kiewer Innenstadt nicht wollten. Hintergrund sind offenbar die westlichen Drohungen mit Sanktionen und Kontosperrungen.
Eine Mehrheit von 355 der 450 Abgeordneten stimmte zunächst im Eifer des Gefechts auch dafür, zwei am 16. Januar beschlossene Bestimmungen mit antifaschistischer Zielsetzung zu kippen. Es bedurfte einer zweiten Abstimmung, um das Verbot der Verherrlichung des deutschen Faschismus und seiner Kollaborateure sowie das Verbot der Zerstörung von Denkmälern für seine Opfer mit deutlich knapperer Mehrheit wieder in Kraft zu setzen. Dies rief alsbald den Zorn des Chefs der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok hervor. Seine Anhänger betrachten den Terroristen und Nazikollaborateur Stepan Bandera und seine Leute als Nationalhelden.
Am Morgen hatte auch Ministerpräsident Nikolaj Asarow seinen Rücktritt angeboten; bis zum Nachmittag war nicht klar, wen Janukowitsch als Nachfolger vorschlagen wird. Der Präsident hatte das Amt schon vor Tagen dem Führer der oppositionellen Vaterlandspartei, Arsenij Jazenjuk, angeboten; dieser hatte die Offerte unter dem Druck der Stimmung auf dem Maidan aber nicht angenommen. Das Kabinett soll geschäftsführend im Amt bleiben, bis eine neue Regierung gebildet ist.
Den rechten Demonstranten, die weiterhin auf den Barrikaden der Polizei gegenüberstehen, reichten die Zugeständnisse des Morgens nicht. Sie verlangten die sofortige Ausschreibung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, zu denen freilich alle Parteien, die sie als »antistaatlich« einstufen, nicht zugelassen werden sollen. Dmytro Jarosch, der selbsternannte Führer des »Rechten Blocks« der Schlägertrupps, erklärte seine Bereitschaft, die »Führung der Revolution« zu übernehmen.
In der südukrainischen Hafenstadt Cherson starb am Dienstag ein Polizist an den Folgen eines Messeranschlags vom Vortag. Zwei weitere Beamte sind schwer verletzt. Wie die Polizei mitteilte, wurden die Täter ermittelt: es handle sich um drei Studenten einer örtlichen Hochschule, die zu den aktivsten Teilnehmern am »Euromaidan« gehört hätten. Ihre Untersuchungshaft wird womöglich nur kurz dauern: die Opposition verlangt von Janukowitsch auch die Freilassung aller »politischen Gefangenen«.
Auf der Krim beschloß unterdessen der Stadtrat von Sewastopol, sich im Falle eines »Staatsstreichs« in Kiew von der Ukraine loszusagen und gemeinsam mit der Halbinsel Krim einen eigenen Staat namens »Kleinrußland« zu gründen. Dies war der offizielle Name der Ukraine im zaristischen Rußland. Das Krim-Parlament hatte Janukowitsch vorher aufgefordert, den Unruhen in Kiew mit dem Mittel des Ausnahmezustands entgegenzutreten.
jw