»Keine Hebamme könnte dann freiberuflich tätig sein«
Bald bietet niemand mehr Haftpflichtversicherungen für Geburtshelferinnen an. Die sind jedoch vorgeschrieben. Ein Gespräch mit Susanna Rinne-Wolf
Interview: Lena Kreymann
Susanna Rinne-Wolf ist Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes
Die Nürnberger Versicherung steigt zum Juli 2015 aus den beiden letzten Versicherungskonsortien für Hebammen aus, gewährt also keine Haftpflichtversicherung mehr. Was bedeutet das für Hebammen?
Es gibt dann niemanden mehr, der die freiberuflichen Hebammen adäquat versichert. Die einzige Möglichkeit fällt weg, die es bisher noch zur Haftpflichtversicherung gab. Wir haben im Moment noch keine Lösung dafür. Ohne gültigeVersicherung dürfen die Hebammen aber nicht arbeiten – das bestimmen die Berufsordnungen der Länder. Sie ist auch eine Voraussetzung dafür, daß man seine Leistung mit den Krankenkassen abrechnen kann.
Was folgt daraus für die Versorgung schwangerer Frauen?
Es könnte daraus folgen, daß keine freiberufliche Hebamme mehr tätig sein darf und damit nicht mehr in der Vorsorge arbeiten kann. Frauen würden in der Schwangerschaft von dieser Seite keine Begleitung mehr erfahren. Es geht außerdem nicht nur um die außerklinische Geburtshilfe – die macht in Deutschland nur zwei Prozent der Geburten aus.
Zahlreiche freiberufliche Kolleginnen arbeiten aber als Beleghebammen in den Klinken. Ungefähr 75 Prozent der Krankenhäuser in Bayern, die Geburtshilfe anbieten, sind solche Belegkliniken. Das würde nicht mehr funktionieren. Außerdem würde die Schwangeren- und Wochenbettbetreuung wegfallen. Niemand könnte dann nach der Geburt täglich vorbeikommen, um zu sehen, wie das Kind sich entwickelt und wie es der Mutter geht. Medizinische, psychosoziale und Stillberatung -- wenn es all das nicht mehr gäbe, wäre es ein riesiger Verlust.
Bisher sind die Versicherungsprämien ständig gestiegen. Wie wirkt sich das aus?
2010 haben ungefähr 20 Prozent derjenigen Kolleginnen aufgehört, die freiberuflich Geburtshilfe angeboten hatten. Weitere 25 Prozent haben damals darüber nachgedacht, ob sie aufhören sollen. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht einmal klar, daß es 2012 eine weitere Erhöhung und noch eine in diesem Jahr geben würde.
Inwiefern hängt die Versicherungsproblematik mit anderen Schwierigkeiten zusammen, mit denen der Berufsstand Hebamme zu kämpfen hat?
Ein wichtiges Thema ist, daß er zu den Frauenberufen zählt. Die sind grundsätzlich schlechter bezahlt und politisch nicht besonders wertgeschätzt. Wenn wir uns alle eine goldene Nase verdienen würden, könnte man auch höhere Haftpflichtprämien einfacher kompensieren, aber eine freiberufliche Hebamme verdient im Schnitt um die 8,30 Euro pro Stunde. Das ist ein Hungerlohn und dafür übernehmen wir Verantwortung für mindestens zwei Menschenleben.
Was fordern Sie angesichts dieser Situation?
Wir wollen eine strukturelle und politische Lösung dieser Haftpflichtproblematik. Das ist nichts, was wir selbst kompensieren können. Wir haben es über Jahre versucht und uns immer von einer Zusage zur nächsten gehangelt. Doch selbst wenn sich das jetzt noch einmal lösen ließe, wäre es wieder nur eine Lösung auf Zeit. Dieses Jahr haben wir nur die Möglichkeit, die Haftpflichtversicherung noch bis zum nächsten Jahr zu nutzen. Es sieht momentan so aus, als gäbe es sie dann gar nicht mehr. Da muß sich ganz grundlegend etwas ändern.
Wie müßte Ihrer Meinung nach eine politische Lösung aussehen?
Wir haben mehrere Vorschläge gemacht. Man könnte etwa eine Haftungsgrenze bestimmen, die klarstellt, daß die Hebamme wirklich nur für die gesundheitlichen Folgekosten in der Kreide steht und nicht für die weitergehenden Regreßansprüche der Sozialversicherer. Oder man legt fest, daß jede Hebamme mit einer bestimmten Deckungssumme versichert sein muß, und alles darüber hinaus wird anders finanziert. In den Niederlanden wird beispielsweise alles, was an Schäden bei der Geburt passiert, aus einem steuerfinanzierten Fonds bezahlt.
Halten Sie es für wahrscheinlich, daß es wirklich dazu kommt, daß freiberufliche Hebammen nicht mehr praktizieren können?
Wir haben schon ganz andere Sachen überlebt, inklusive der Hexenverbrennung. Frauen werden immer Hebammen brauchen und deswegen wird es diesen Beruf immer geben.
jw
Bald bietet niemand mehr Haftpflichtversicherungen für Geburtshelferinnen an. Die sind jedoch vorgeschrieben. Ein Gespräch mit Susanna Rinne-Wolf
Interview: Lena Kreymann
Susanna Rinne-Wolf ist Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes
Die Nürnberger Versicherung steigt zum Juli 2015 aus den beiden letzten Versicherungskonsortien für Hebammen aus, gewährt also keine Haftpflichtversicherung mehr. Was bedeutet das für Hebammen?
Es gibt dann niemanden mehr, der die freiberuflichen Hebammen adäquat versichert. Die einzige Möglichkeit fällt weg, die es bisher noch zur Haftpflichtversicherung gab. Wir haben im Moment noch keine Lösung dafür. Ohne gültigeVersicherung dürfen die Hebammen aber nicht arbeiten – das bestimmen die Berufsordnungen der Länder. Sie ist auch eine Voraussetzung dafür, daß man seine Leistung mit den Krankenkassen abrechnen kann.
Was folgt daraus für die Versorgung schwangerer Frauen?
Es könnte daraus folgen, daß keine freiberufliche Hebamme mehr tätig sein darf und damit nicht mehr in der Vorsorge arbeiten kann. Frauen würden in der Schwangerschaft von dieser Seite keine Begleitung mehr erfahren. Es geht außerdem nicht nur um die außerklinische Geburtshilfe – die macht in Deutschland nur zwei Prozent der Geburten aus.
Zahlreiche freiberufliche Kolleginnen arbeiten aber als Beleghebammen in den Klinken. Ungefähr 75 Prozent der Krankenhäuser in Bayern, die Geburtshilfe anbieten, sind solche Belegkliniken. Das würde nicht mehr funktionieren. Außerdem würde die Schwangeren- und Wochenbettbetreuung wegfallen. Niemand könnte dann nach der Geburt täglich vorbeikommen, um zu sehen, wie das Kind sich entwickelt und wie es der Mutter geht. Medizinische, psychosoziale und Stillberatung -- wenn es all das nicht mehr gäbe, wäre es ein riesiger Verlust.
Bisher sind die Versicherungsprämien ständig gestiegen. Wie wirkt sich das aus?
2010 haben ungefähr 20 Prozent derjenigen Kolleginnen aufgehört, die freiberuflich Geburtshilfe angeboten hatten. Weitere 25 Prozent haben damals darüber nachgedacht, ob sie aufhören sollen. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht einmal klar, daß es 2012 eine weitere Erhöhung und noch eine in diesem Jahr geben würde.
Inwiefern hängt die Versicherungsproblematik mit anderen Schwierigkeiten zusammen, mit denen der Berufsstand Hebamme zu kämpfen hat?
Ein wichtiges Thema ist, daß er zu den Frauenberufen zählt. Die sind grundsätzlich schlechter bezahlt und politisch nicht besonders wertgeschätzt. Wenn wir uns alle eine goldene Nase verdienen würden, könnte man auch höhere Haftpflichtprämien einfacher kompensieren, aber eine freiberufliche Hebamme verdient im Schnitt um die 8,30 Euro pro Stunde. Das ist ein Hungerlohn und dafür übernehmen wir Verantwortung für mindestens zwei Menschenleben.
Was fordern Sie angesichts dieser Situation?
Wir wollen eine strukturelle und politische Lösung dieser Haftpflichtproblematik. Das ist nichts, was wir selbst kompensieren können. Wir haben es über Jahre versucht und uns immer von einer Zusage zur nächsten gehangelt. Doch selbst wenn sich das jetzt noch einmal lösen ließe, wäre es wieder nur eine Lösung auf Zeit. Dieses Jahr haben wir nur die Möglichkeit, die Haftpflichtversicherung noch bis zum nächsten Jahr zu nutzen. Es sieht momentan so aus, als gäbe es sie dann gar nicht mehr. Da muß sich ganz grundlegend etwas ändern.
Wie müßte Ihrer Meinung nach eine politische Lösung aussehen?
Wir haben mehrere Vorschläge gemacht. Man könnte etwa eine Haftungsgrenze bestimmen, die klarstellt, daß die Hebamme wirklich nur für die gesundheitlichen Folgekosten in der Kreide steht und nicht für die weitergehenden Regreßansprüche der Sozialversicherer. Oder man legt fest, daß jede Hebamme mit einer bestimmten Deckungssumme versichert sein muß, und alles darüber hinaus wird anders finanziert. In den Niederlanden wird beispielsweise alles, was an Schäden bei der Geburt passiert, aus einem steuerfinanzierten Fonds bezahlt.
Halten Sie es für wahrscheinlich, daß es wirklich dazu kommt, daß freiberufliche Hebammen nicht mehr praktizieren können?
Wir haben schon ganz andere Sachen überlebt, inklusive der Hexenverbrennung. Frauen werden immer Hebammen brauchen und deswegen wird es diesen Beruf immer geben.
jw