Ukraine im Infokrieg
Vom Westen unterstützte Regierung in Kiew blockiert Empfang russischer Sender. Telefonat mit EU-Außenbeauftragter Ashton belastet Janukowitsch-Gegner
Von Reinhard Lauterbach und Rüdiger Göbel
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird eine Beobachtermission auf die Krim schicken. Sie ist aus Militärs aus 15 Mitgliedsstaaten zusammengesetzt und soll unter anderem klären, welchen Aktivitäten das russische Militär auf der Halbinsel nachgeht. Nach russischer Darstellung befinden sich die Soldaten der Schwarzmeerflotte in ihren Stützpunkten. Die ukrainische Seite behauptet, vom Festland herangeführte russische Truppen belagerten weiterhin ukrainische Militärbasen und Dienststellen. So sei der Grenzposten in Kertsch am Ostende der Krim von 100 Soldaten umstellt. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu bezeichnete im Internet kursierende Aufnahmen, auf denen Soldaten zugeben, aus Rußland zu sein, als Provokationen.
Im Internet sorgt derweil ein geleaktes Telefonat für Furore: In dem mitgeschnittenen Gespräch unterhalten sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der estnische Außenminister Urmas Paet am 26. Februar auch über die Toten bei den Auseinandersetzungen auf dem Maidan in Kiew. Der Minister berichtet, ihm sei von einer Ärztin auf dem Platz gesagt worden, daß die Opfer auf seiten der Polizei und der Demonstranten von denselben Tätern erschossen worden seien und daß die neue Regierung die Vorfälle bislang nicht untersuche. Laut Paet verbreite sich die Einschätzung, daß nicht – der inzwischen entmachtete – Präsident Wiktor Janukowitsch dahinter stecke, sondern »jemand aus der neuen Koalition«. Paet zufolge ist das Vertrauen in die neue Führung in Kiew gleich null. Laut Stimme Rußlands hat der Minister das Telefongespräch bestätigt, sich zum Inhalt aber nicht weiter geäußert. Äußerst bedauernswert sei, »daß es so ein Abhören gegeben hat«.
Als Bestandteil des Informationskrieges will die von der EU und den USA unterstützte neue ukrainische Regierung den Empfang russischer Sender über die Kabelnetze des Landes blockieren lassen. Ausgerechnet ihr Beauftragter für die »Redefreiheit«, Mikola Tomenko, begründete dies damit, daß die Sender systematisch Falschinformationen verbreiteten. Auch der Chef der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok, forderte, den »ukrainischen Informationsraum« von russischen Programmen zu säubern. Das dürfte im Ostteil des Landes auf weiteren Unmut stoßen, auch wenn die prorussischen Demonstrationen der letzten Tage abgeflaut sind und die Polizei inzwischen die Besetzung der Regionalverwaltung in Donezk durch Demonstranten beendet hat. Abgeordnete der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko brachten derweil einen Gesetzesentwurf ins Parlament in Kiew ein, der die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum Ziel hat.
Die EU verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen 18 hohe Beamte der entmachteten Janukowitsch-Regierung und den aus dem Amt geputschten Präsidenten selbst. Sie sollen keine Visa mehr bekommen, und ihre Konten werden gesperrt. In der Frage von Sanktionen gegen Rußland wegen der Krim-Krise ist die Position der EU-Staaten nach wie vor uneinheitlich. Differenzierungen sind insbesondere auch in Osteuropa zu beobachten. So hält sich Lettland merklich zurück. Die dortige Regierung setzt auf den Finanzplatz Riga, der wesentlich von russischem und ukrainischem Fluchtgeld gespeist wird. Polen fährt eine Doppelstrategie: einerseits wortmächtige Verurteilungen Rußlands in Politik und Presse; andererseits hat Ministerpräsident Donald Tusk angekündigt, nur im EU-Geleitzug zu agieren.
jw
Vom Westen unterstützte Regierung in Kiew blockiert Empfang russischer Sender. Telefonat mit EU-Außenbeauftragter Ashton belastet Janukowitsch-Gegner
Von Reinhard Lauterbach und Rüdiger Göbel
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird eine Beobachtermission auf die Krim schicken. Sie ist aus Militärs aus 15 Mitgliedsstaaten zusammengesetzt und soll unter anderem klären, welchen Aktivitäten das russische Militär auf der Halbinsel nachgeht. Nach russischer Darstellung befinden sich die Soldaten der Schwarzmeerflotte in ihren Stützpunkten. Die ukrainische Seite behauptet, vom Festland herangeführte russische Truppen belagerten weiterhin ukrainische Militärbasen und Dienststellen. So sei der Grenzposten in Kertsch am Ostende der Krim von 100 Soldaten umstellt. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu bezeichnete im Internet kursierende Aufnahmen, auf denen Soldaten zugeben, aus Rußland zu sein, als Provokationen.
Im Internet sorgt derweil ein geleaktes Telefonat für Furore: In dem mitgeschnittenen Gespräch unterhalten sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der estnische Außenminister Urmas Paet am 26. Februar auch über die Toten bei den Auseinandersetzungen auf dem Maidan in Kiew. Der Minister berichtet, ihm sei von einer Ärztin auf dem Platz gesagt worden, daß die Opfer auf seiten der Polizei und der Demonstranten von denselben Tätern erschossen worden seien und daß die neue Regierung die Vorfälle bislang nicht untersuche. Laut Paet verbreite sich die Einschätzung, daß nicht – der inzwischen entmachtete – Präsident Wiktor Janukowitsch dahinter stecke, sondern »jemand aus der neuen Koalition«. Paet zufolge ist das Vertrauen in die neue Führung in Kiew gleich null. Laut Stimme Rußlands hat der Minister das Telefongespräch bestätigt, sich zum Inhalt aber nicht weiter geäußert. Äußerst bedauernswert sei, »daß es so ein Abhören gegeben hat«.
Als Bestandteil des Informationskrieges will die von der EU und den USA unterstützte neue ukrainische Regierung den Empfang russischer Sender über die Kabelnetze des Landes blockieren lassen. Ausgerechnet ihr Beauftragter für die »Redefreiheit«, Mikola Tomenko, begründete dies damit, daß die Sender systematisch Falschinformationen verbreiteten. Auch der Chef der faschistischen Freiheitspartei, Oleg Tjagnibok, forderte, den »ukrainischen Informationsraum« von russischen Programmen zu säubern. Das dürfte im Ostteil des Landes auf weiteren Unmut stoßen, auch wenn die prorussischen Demonstrationen der letzten Tage abgeflaut sind und die Polizei inzwischen die Besetzung der Regionalverwaltung in Donezk durch Demonstranten beendet hat. Abgeordnete der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko brachten derweil einen Gesetzesentwurf ins Parlament in Kiew ein, der die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum Ziel hat.
Die EU verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen 18 hohe Beamte der entmachteten Janukowitsch-Regierung und den aus dem Amt geputschten Präsidenten selbst. Sie sollen keine Visa mehr bekommen, und ihre Konten werden gesperrt. In der Frage von Sanktionen gegen Rußland wegen der Krim-Krise ist die Position der EU-Staaten nach wie vor uneinheitlich. Differenzierungen sind insbesondere auch in Osteuropa zu beobachten. So hält sich Lettland merklich zurück. Die dortige Regierung setzt auf den Finanzplatz Riga, der wesentlich von russischem und ukrainischem Fluchtgeld gespeist wird. Polen fährt eine Doppelstrategie: einerseits wortmächtige Verurteilungen Rußlands in Politik und Presse; andererseits hat Ministerpräsident Donald Tusk angekündigt, nur im EU-Geleitzug zu agieren.
jw