Kein »Bruderkampf«
Entspannungssignale im Krim-Konflikt: Laut Rußlands Präsident einstweilen kein Militäreinsatz geplant. US-Außenminister Kerry ehrt in Kiew Faschisten
Von Reinhard Lauterbach
Der russische Präsident Wladimir Putin hat bestritten, daß auf der Krim russisches Militär im Einsatz sei. Die Uniformierten, die dort seit einigen Tagen öffentliche Gebäude kontrollieren und ukrainische Kasernen belagern, seien einheimische Selbstverteidigungstruppen. Rußland habe einstweilen keine Absicht, in der Ukraine zu intervenieren, sagte Putin auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Das könne sich aber ändern, wenn russischsprachige Bürger der Ukraine getötet oder gefoltert würden. Der Staatsstreich in Kiew sei lange vorbereitet worden, auch »von westlichen Ausbildern«, führte der russische Staatschef weiter aus. Die jetzige Regierung in der Ukraine sei illegitim. Auch das Ergebnis von Wahlen im Nachbarland werde der Kreml angesichts des anhaltenden Terrors nicht anerkennen, kündigte Putin an. Wiktor Janukowitsch sei weiterhin Präsident der Ukraine, de facto habe er aber keine Macht mehr und »keine politische Zukunft«, so Putin. Rußland habe ihn aus humanitären Gründen aufgenommen. »Wäre er in der Ukraine geblieben, wäre er umgebracht worden.« Putin zeigte sich gleichzeitig offen für westliche Vermittlungsvorschläge. Über eine Kontaktgruppe unter internationaler Vermittlung könne man reden. Putin wendete die Rhetorik der neuen Machthaber gegen diese selbst: wenn es stimme, daß es in Kiew eine Revolution gegeben habe, dann sei dort ein neuer Staat entstanden, und dem gegenüber habe Rußland keinerlei vertragliche Verpflichtungen.
In Kiew traf unterdessen US-Außenminister John Kerry ein. Seine ersten Schritte führten ihn auf die Instytutska-Straße, wo am 18. Februar heftige Straßenschlachten zwischen Kämpfern des Maidan und ukrainischen Sicherheitskräften begonnen hatten. Kerry ehrte die »Helden« aus den Reihen der faschistischen Schlägertrupps und sagte der neu installierten Führung in der Ukraine im übrigen eine Milliarde Dollar an Hilfsgeldern für den Kauf von Energieträgern zu.
Die EU ist sich nach wie vor nicht einig, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen sie wegen der Krim-Krise gegen Rußland verhängen will. Wie die britische Zeitung Guardian berichtete, ist sogar das traditionell US-freundliche London nur für solche Sanktionen, die russischen Oligarchen und Politikern weiterhin erlauben würden, in London Finanzgeschäfte zu tätigen. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien seien generell gegen Sanktionen. Für solche Strafmaßnahmen sprächen sich lediglich Polen, die baltischen Staaten und Schweden aus.
In der Ukraine selbst sind beide Seiten erkennbar bereit, die Situation auf der Krim nicht weiter zuzuspitzen. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes, Walentin Naliwajtschenko, erklärte, die Zahl der russischen Soldaten auf der Krim liege mit 16000 innerhalb der vertraglich vereinbarten Grenzen. Am Luftwaffenstützpunkt Belbek gelang es einer Abteilung unbewaffneter ukrainischer Soldaten, sich mit den russischsprachigen Bewachern auf den Zugang zur Basis zu einigen. Eine Fernsehaufnahme der Situation zeigt, wie die Ukrainer mit ihrer blau-gelben Nationalfahne und einer alten sowjetischen Truppenfahne auf die Absperrung zugehen. Ihr Kommandeur fragte die russischen Soldaten, ob sie wirklich auf die sowjetische Fahne schießen wollten. Beide Parteien sprachen im selben südrussischen Dialekt. Auf ukrainischer wie russischer Seite mehren sich Appelle von Prominenten, einen »Bruderkampf« zu vermeiden.
jw
Entspannungssignale im Krim-Konflikt: Laut Rußlands Präsident einstweilen kein Militäreinsatz geplant. US-Außenminister Kerry ehrt in Kiew Faschisten
Von Reinhard Lauterbach
Der russische Präsident Wladimir Putin hat bestritten, daß auf der Krim russisches Militär im Einsatz sei. Die Uniformierten, die dort seit einigen Tagen öffentliche Gebäude kontrollieren und ukrainische Kasernen belagern, seien einheimische Selbstverteidigungstruppen. Rußland habe einstweilen keine Absicht, in der Ukraine zu intervenieren, sagte Putin auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Das könne sich aber ändern, wenn russischsprachige Bürger der Ukraine getötet oder gefoltert würden. Der Staatsstreich in Kiew sei lange vorbereitet worden, auch »von westlichen Ausbildern«, führte der russische Staatschef weiter aus. Die jetzige Regierung in der Ukraine sei illegitim. Auch das Ergebnis von Wahlen im Nachbarland werde der Kreml angesichts des anhaltenden Terrors nicht anerkennen, kündigte Putin an. Wiktor Janukowitsch sei weiterhin Präsident der Ukraine, de facto habe er aber keine Macht mehr und »keine politische Zukunft«, so Putin. Rußland habe ihn aus humanitären Gründen aufgenommen. »Wäre er in der Ukraine geblieben, wäre er umgebracht worden.« Putin zeigte sich gleichzeitig offen für westliche Vermittlungsvorschläge. Über eine Kontaktgruppe unter internationaler Vermittlung könne man reden. Putin wendete die Rhetorik der neuen Machthaber gegen diese selbst: wenn es stimme, daß es in Kiew eine Revolution gegeben habe, dann sei dort ein neuer Staat entstanden, und dem gegenüber habe Rußland keinerlei vertragliche Verpflichtungen.
In Kiew traf unterdessen US-Außenminister John Kerry ein. Seine ersten Schritte führten ihn auf die Instytutska-Straße, wo am 18. Februar heftige Straßenschlachten zwischen Kämpfern des Maidan und ukrainischen Sicherheitskräften begonnen hatten. Kerry ehrte die »Helden« aus den Reihen der faschistischen Schlägertrupps und sagte der neu installierten Führung in der Ukraine im übrigen eine Milliarde Dollar an Hilfsgeldern für den Kauf von Energieträgern zu.
Die EU ist sich nach wie vor nicht einig, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen sie wegen der Krim-Krise gegen Rußland verhängen will. Wie die britische Zeitung Guardian berichtete, ist sogar das traditionell US-freundliche London nur für solche Sanktionen, die russischen Oligarchen und Politikern weiterhin erlauben würden, in London Finanzgeschäfte zu tätigen. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien seien generell gegen Sanktionen. Für solche Strafmaßnahmen sprächen sich lediglich Polen, die baltischen Staaten und Schweden aus.
In der Ukraine selbst sind beide Seiten erkennbar bereit, die Situation auf der Krim nicht weiter zuzuspitzen. Der Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes, Walentin Naliwajtschenko, erklärte, die Zahl der russischen Soldaten auf der Krim liege mit 16000 innerhalb der vertraglich vereinbarten Grenzen. Am Luftwaffenstützpunkt Belbek gelang es einer Abteilung unbewaffneter ukrainischer Soldaten, sich mit den russischsprachigen Bewachern auf den Zugang zur Basis zu einigen. Eine Fernsehaufnahme der Situation zeigt, wie die Ukrainer mit ihrer blau-gelben Nationalfahne und einer alten sowjetischen Truppenfahne auf die Absperrung zugehen. Ihr Kommandeur fragte die russischen Soldaten, ob sie wirklich auf die sowjetische Fahne schießen wollten. Beide Parteien sprachen im selben südrussischen Dialekt. Auf ukrainischer wie russischer Seite mehren sich Appelle von Prominenten, einen »Bruderkampf« zu vermeiden.
jw