Unerwünschte Erinnerung
Japans Regierung beharrt auf Geschichtsfälschung
Von Michael Streitberg
Wie seit 1992 jede Woche gehen auch am heutigen Mittwoch vor der japanischen Botschaft in Seoul Frauen auf die Straße, die während des Zweiten Weltkriegs und der japanischen Besatzung Koreas zur Prostitution gezwungen worden waren. Sie verlangen bis heute ein umfassendes Schuldeingeständnis der japanischen Regierung sowie offizielle finanzielle Entschädigung aller noch lebenden Opfer.
Japans rechtskonservative Regierung will davon nichts wissen. Statt dessen plant sie sogar, eine 1993 veröffentlichte Entschuldigung an die offiziell als »Trostfrauen« bezeichneten Zwangsprostituierten aus Korea, China und anderen asiatischen Ländern zu revidieren. Diese nach dem damaligen Staatssekretär Yohei Kono benannte »Kono-Erklärung« gestand zumindest zaghaft eine Mitverantwortung des japanischen Staates und der Militärführung an der Entführung und Mißhandlung von nach Schätzungen mehr als 200000 Frauen ein, die in an der Front eingerichteten Bordellen täglich massenhaften Vergewaltigungen ausgesetzt waren. Zuvor war von regierungsoffizieller Seite jede Verantwortung des japanischen Staates bestritten und auf Verfehlungen von »Privatpersonen« verwiesen worden. Ein aus öffentlichen Spenden mitfinanzierter Fonds wurde 1995 von der Regierung eingerichtet. Dabei wurde jedoch stets betont, es handle sich dabei um kein Schuldeingeständnis. Das schließlich an 360 Frauen ausgezahlte Geld sei keine Entschädigung, sondern »medizinische Unterstützung und Sozialhilfe«.
Medien auf Kurs
Die jetzigen Revisionspläne der Regierung in Tokio reihen sich in einen verschärften geschichtsrevisionistischen Diskurs von Premierminister Shinzo Abe ein und passen in dessen aktuelle Pläne, durch eine Verfassungsänderung die dem Land auferlegte Friedenspflicht zu schleifen. In jüngster Vergangenheit meldeten sich immer wieder gewichtige Stimmen zu Wort, die die Anwendung von Zwang bei der Rekrutierung der betroffenen Frauen leugnen oder die Vorgänge mit dem Verweis auf angeblich besondere Zeitumstände rechtfertigen. So behauptete Osakas Bürgermeister Toru Hashimoto, Mitglied der rechten Japanischen Restaurationspartei (JRP), bereits am 13. Mai vergangenen Jahres, das System der Zwangsprostitution sei »notwendig gewesen, um die Disziplin der Truppe aufrechtzuerhalten«. Zudem zweifelte er sogar an, ob überhaupt Zwang ausgeübt worden sei. Sekundiert wurde er dabei von seinem Parteifreund Shintaro Ishihara, Tokios langjährigem ultrarechten Gouverneur und neben Hashimoto Mitbegründer der seit den letzten Wahlen auch im nationalen Parlament vertretenen JRP. Dieser merkte an, Militär und Prostitution »hingen im allgemeinen zusammen«.
Die staatliche Rundfunkanstalt NHK wird auch bei diesem Thema auf einen regierungskonformen Kurs getrimmt. Neben der Umbildung von Aufsichtsgremien des Senders setzte Abe mit Katsuto Momii einen neuen Vorsitzenden ein. »Wenn die Regierung sagt ›rechts‹, können wir nicht sagen ›links‹«, äußerte sich dieser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge am 11. Februar.
Hinsichtlich der »Trostfrauen« behauptete Momii im Januar bei einer Pressekonferenz, »jedes Land« habe zur damaligen Zeit ähnlich gehandelt. Falsch sei das »Trostfrauen«-System nur »vor dem Hintergrund heutiger Moral«.
Revanchistische Signale
Nur den Fall der Zwangsprostitution einiger niederländischer Frauen an der Front in Indonesien mußte die Abe-Regierung nach einer parlamentarischen Anfrage des Unterhausabgeordneten Seiken Akamine von der Japanischen Kommunistischen Partei im vergangenen Jahr erstmals einräumen. Zuvor waren im Juni unzweifelhafte Belege für auf die betroffenen Frauen ausgeübten Zwang und Gewalt entdeckt worden. Bis dahin hatte Abe dieses stets bestritten.
Mit der neuen Erklärung, die derzeit offenbar vorbereitet wird, dürfte das Abe-Kabinett nun selbst hinter die zaghaften Verlautbarungen von 1993 zurückzufallen. Die zur Zeit von der Regierung ausgesendeten Signale an seine asiatischen Nachbarn, wie etwa der Besuch Shinzo Abes Ende vergangenen Jahres im Tokioter Yasukuni-Schrein, in dem auch japanische Kriegsverbrecher geehrt werden, lassen diesen Eindruck entstehen. Yasukuni ist seit jeher eine Pilgerstätte der japanischen Rechten und ein Symbol des japanischen Revanchismus und Revisionismus. Im angeschlossenen Museum wird Japans Rolle als Aggressor im Pazifikkrieg geleugnet bzw. relativiert, auch wird etwa das Massaker im chinesischen Nanjing in Zweifel gezogen, zivile Opfer werden als verkleidete Soldaten beschrieben.
jw
Japans Regierung beharrt auf Geschichtsfälschung
Von Michael Streitberg
Wie seit 1992 jede Woche gehen auch am heutigen Mittwoch vor der japanischen Botschaft in Seoul Frauen auf die Straße, die während des Zweiten Weltkriegs und der japanischen Besatzung Koreas zur Prostitution gezwungen worden waren. Sie verlangen bis heute ein umfassendes Schuldeingeständnis der japanischen Regierung sowie offizielle finanzielle Entschädigung aller noch lebenden Opfer.
Japans rechtskonservative Regierung will davon nichts wissen. Statt dessen plant sie sogar, eine 1993 veröffentlichte Entschuldigung an die offiziell als »Trostfrauen« bezeichneten Zwangsprostituierten aus Korea, China und anderen asiatischen Ländern zu revidieren. Diese nach dem damaligen Staatssekretär Yohei Kono benannte »Kono-Erklärung« gestand zumindest zaghaft eine Mitverantwortung des japanischen Staates und der Militärführung an der Entführung und Mißhandlung von nach Schätzungen mehr als 200000 Frauen ein, die in an der Front eingerichteten Bordellen täglich massenhaften Vergewaltigungen ausgesetzt waren. Zuvor war von regierungsoffizieller Seite jede Verantwortung des japanischen Staates bestritten und auf Verfehlungen von »Privatpersonen« verwiesen worden. Ein aus öffentlichen Spenden mitfinanzierter Fonds wurde 1995 von der Regierung eingerichtet. Dabei wurde jedoch stets betont, es handle sich dabei um kein Schuldeingeständnis. Das schließlich an 360 Frauen ausgezahlte Geld sei keine Entschädigung, sondern »medizinische Unterstützung und Sozialhilfe«.
Medien auf Kurs
Die jetzigen Revisionspläne der Regierung in Tokio reihen sich in einen verschärften geschichtsrevisionistischen Diskurs von Premierminister Shinzo Abe ein und passen in dessen aktuelle Pläne, durch eine Verfassungsänderung die dem Land auferlegte Friedenspflicht zu schleifen. In jüngster Vergangenheit meldeten sich immer wieder gewichtige Stimmen zu Wort, die die Anwendung von Zwang bei der Rekrutierung der betroffenen Frauen leugnen oder die Vorgänge mit dem Verweis auf angeblich besondere Zeitumstände rechtfertigen. So behauptete Osakas Bürgermeister Toru Hashimoto, Mitglied der rechten Japanischen Restaurationspartei (JRP), bereits am 13. Mai vergangenen Jahres, das System der Zwangsprostitution sei »notwendig gewesen, um die Disziplin der Truppe aufrechtzuerhalten«. Zudem zweifelte er sogar an, ob überhaupt Zwang ausgeübt worden sei. Sekundiert wurde er dabei von seinem Parteifreund Shintaro Ishihara, Tokios langjährigem ultrarechten Gouverneur und neben Hashimoto Mitbegründer der seit den letzten Wahlen auch im nationalen Parlament vertretenen JRP. Dieser merkte an, Militär und Prostitution »hingen im allgemeinen zusammen«.
Die staatliche Rundfunkanstalt NHK wird auch bei diesem Thema auf einen regierungskonformen Kurs getrimmt. Neben der Umbildung von Aufsichtsgremien des Senders setzte Abe mit Katsuto Momii einen neuen Vorsitzenden ein. »Wenn die Regierung sagt ›rechts‹, können wir nicht sagen ›links‹«, äußerte sich dieser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge am 11. Februar.
Hinsichtlich der »Trostfrauen« behauptete Momii im Januar bei einer Pressekonferenz, »jedes Land« habe zur damaligen Zeit ähnlich gehandelt. Falsch sei das »Trostfrauen«-System nur »vor dem Hintergrund heutiger Moral«.
Revanchistische Signale
Nur den Fall der Zwangsprostitution einiger niederländischer Frauen an der Front in Indonesien mußte die Abe-Regierung nach einer parlamentarischen Anfrage des Unterhausabgeordneten Seiken Akamine von der Japanischen Kommunistischen Partei im vergangenen Jahr erstmals einräumen. Zuvor waren im Juni unzweifelhafte Belege für auf die betroffenen Frauen ausgeübten Zwang und Gewalt entdeckt worden. Bis dahin hatte Abe dieses stets bestritten.
Mit der neuen Erklärung, die derzeit offenbar vorbereitet wird, dürfte das Abe-Kabinett nun selbst hinter die zaghaften Verlautbarungen von 1993 zurückzufallen. Die zur Zeit von der Regierung ausgesendeten Signale an seine asiatischen Nachbarn, wie etwa der Besuch Shinzo Abes Ende vergangenen Jahres im Tokioter Yasukuni-Schrein, in dem auch japanische Kriegsverbrecher geehrt werden, lassen diesen Eindruck entstehen. Yasukuni ist seit jeher eine Pilgerstätte der japanischen Rechten und ein Symbol des japanischen Revanchismus und Revisionismus. Im angeschlossenen Museum wird Japans Rolle als Aggressor im Pazifikkrieg geleugnet bzw. relativiert, auch wird etwa das Massaker im chinesischen Nanjing in Zweifel gezogen, zivile Opfer werden als verkleidete Soldaten beschrieben.
jw