Gülen hört mit
Türkei: Telefongespräche von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan belauscht
Von Nick Brauns
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist im derzeitigen Korruptionsskandal durch am Montag im Internet veröffentlichte Mitschnitte von Gesprächen mit seinem Sohn Bilal weiter unter Druck geraten. Die abgehörten Telefonate, in denen der Regierungschef seinen Sohn aufgefordert haben soll, gemeinsam mit Verwandten Schwarzgeld in Sicherheit zu bringen, führte Erdogan am 17. Dezember 2013. Damals waren Dutzende Politiker der Regierungspartei AKP und Geschäftsleute einschließlich der Söhne von drei Ministern unter Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Der ebenfalls in Verdacht geratene Bilal Erdogan war daraufhin ins Ausland abgetaucht, hat sich aber zwischenzeitlich der Staatsanwaltschaft gestellt.
Das Büro des Ministerpräsidenten bezeichnete die Abhörbänder dagegen nach einem Krisentreffen Erdogans mit Geheimdienstchef Hakan Fidan als Fälschung und »Produkt einer Montage«. »Diejenigen, die einen dreckigen Putsch gegen den Ministerpräsidenten begonnen haben«, würden vor Gericht zur Rechenschaft gezogen. Gemeint sind damit offenbar die lange mit der AKP verbündeten, ihr aber nun im Kampf um Posten und Pfründe gegenüberstehenden Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Dieser soll nach Erdogans Überzeugung in Justiz und Polizei einen »Parallelstaat« errichtet haben.
Schon kurz vor der Veröffentlichung der Telefonmitschnitte hatten die regierungsnahen Tageszeitungen Star und Yeni Safak gemeldet, daß die Polizei Tausende Bürger einschließlich des Ministerpräsidenten und des Geheimdienstchefs, Politiker verschiedener Parteien, Journalisten, Geschäftsleute, Künstler und Wissenschaftler abgehört habe. Protokolle darüber seien in der Istanbuler Staatsanwaltschaft gefunden worden, nachdem die bislang dort tätigen Beamten versetzt worden waren. Vizeministerpräsident Bülent Arinc bestätigte, daß 107 Akten mit 2280 abgehörten Telefonnummern sichergestellt worden seien. Der Lauschangriff soll 2011 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen eine »Selam-Terrororganisation« eingeleitet worden sein. Der frühere Staatsanwalt mit Sondervollmachten Adnan Cimen bestätigte zwar gegenüber der Presse die Existenz eines solchen Ermittlungsverfahrens. Doch seien die genannten Personen weder in das Verfahren verwickelt gewesen noch abgehört worden.
Erdogan ist offenbar entschlossen, gegen den »Parallelstaat« der Gülenisten und gegen erneut drohende soziale Proteste auf den Aufbau eines starken Staates zu setzen. Seit Dezember wurden über 4000 Gülen-nahe Polizisten und Juristen im ganzen Land versetzt und die Kontrolle des zuständigen Ministeriums über die Justizbehörden gestärkt. Ein Gesetz zur weitreichenden Internetzensur wurde verabschiedet – und eine Gegendemonstration am Istanbuler Taksim-Platz mit Wasserwerfern und Gasgranaten auseinandergetrieben. Bis zu den Kommunalwahlen Ende März hat die Polizei in der Istanbuler Innenstadt nun Sondervollmachten zur Kontrolle und Ingewahrsamnahme von Protestierenden erhalten.
Mit einem nun vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung des Nachrichtendienstes MIT will sich Erdogan nach Meinung der Opposition seinen Privatgeheimdienst schaffen. Dadurch würden die Agenten nahezu unantastbar für die Strafverfolgungsbehörden. Zudem dürfte der MIT direkte Gespräche mit als terroristisch geltenden Organisationen führen. Das würde dem Geheimdienst einerseits den Rücken bei Friedensgesprächen mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) stärken. Doch auch die Hilfe für in Syrien kämpfende Al-Qaida-Gruppen könnte so rechtlich abgesichert werden, nachdem in den letzten Monaten mehrere dieser Waffentransporte des Geheimdienstes von der Polizei gestoppt worden waren
jw
Türkei: Telefongespräche von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan belauscht
Von Nick Brauns
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist im derzeitigen Korruptionsskandal durch am Montag im Internet veröffentlichte Mitschnitte von Gesprächen mit seinem Sohn Bilal weiter unter Druck geraten. Die abgehörten Telefonate, in denen der Regierungschef seinen Sohn aufgefordert haben soll, gemeinsam mit Verwandten Schwarzgeld in Sicherheit zu bringen, führte Erdogan am 17. Dezember 2013. Damals waren Dutzende Politiker der Regierungspartei AKP und Geschäftsleute einschließlich der Söhne von drei Ministern unter Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Der ebenfalls in Verdacht geratene Bilal Erdogan war daraufhin ins Ausland abgetaucht, hat sich aber zwischenzeitlich der Staatsanwaltschaft gestellt.
Das Büro des Ministerpräsidenten bezeichnete die Abhörbänder dagegen nach einem Krisentreffen Erdogans mit Geheimdienstchef Hakan Fidan als Fälschung und »Produkt einer Montage«. »Diejenigen, die einen dreckigen Putsch gegen den Ministerpräsidenten begonnen haben«, würden vor Gericht zur Rechenschaft gezogen. Gemeint sind damit offenbar die lange mit der AKP verbündeten, ihr aber nun im Kampf um Posten und Pfründe gegenüberstehenden Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Dieser soll nach Erdogans Überzeugung in Justiz und Polizei einen »Parallelstaat« errichtet haben.
Schon kurz vor der Veröffentlichung der Telefonmitschnitte hatten die regierungsnahen Tageszeitungen Star und Yeni Safak gemeldet, daß die Polizei Tausende Bürger einschließlich des Ministerpräsidenten und des Geheimdienstchefs, Politiker verschiedener Parteien, Journalisten, Geschäftsleute, Künstler und Wissenschaftler abgehört habe. Protokolle darüber seien in der Istanbuler Staatsanwaltschaft gefunden worden, nachdem die bislang dort tätigen Beamten versetzt worden waren. Vizeministerpräsident Bülent Arinc bestätigte, daß 107 Akten mit 2280 abgehörten Telefonnummern sichergestellt worden seien. Der Lauschangriff soll 2011 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen eine »Selam-Terrororganisation« eingeleitet worden sein. Der frühere Staatsanwalt mit Sondervollmachten Adnan Cimen bestätigte zwar gegenüber der Presse die Existenz eines solchen Ermittlungsverfahrens. Doch seien die genannten Personen weder in das Verfahren verwickelt gewesen noch abgehört worden.
Erdogan ist offenbar entschlossen, gegen den »Parallelstaat« der Gülenisten und gegen erneut drohende soziale Proteste auf den Aufbau eines starken Staates zu setzen. Seit Dezember wurden über 4000 Gülen-nahe Polizisten und Juristen im ganzen Land versetzt und die Kontrolle des zuständigen Ministeriums über die Justizbehörden gestärkt. Ein Gesetz zur weitreichenden Internetzensur wurde verabschiedet – und eine Gegendemonstration am Istanbuler Taksim-Platz mit Wasserwerfern und Gasgranaten auseinandergetrieben. Bis zu den Kommunalwahlen Ende März hat die Polizei in der Istanbuler Innenstadt nun Sondervollmachten zur Kontrolle und Ingewahrsamnahme von Protestierenden erhalten.
Mit einem nun vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung des Nachrichtendienstes MIT will sich Erdogan nach Meinung der Opposition seinen Privatgeheimdienst schaffen. Dadurch würden die Agenten nahezu unantastbar für die Strafverfolgungsbehörden. Zudem dürfte der MIT direkte Gespräche mit als terroristisch geltenden Organisationen führen. Das würde dem Geheimdienst einerseits den Rücken bei Friedensgesprächen mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) stärken. Doch auch die Hilfe für in Syrien kämpfende Al-Qaida-Gruppen könnte so rechtlich abgesichert werden, nachdem in den letzten Monaten mehrere dieser Waffentransporte des Geheimdienstes von der Polizei gestoppt worden waren
jw