»Dit is Kreuzberg, eeh«
Am Samstag demonstrierten in Berlin-Kreuzberg Mieter gegen Zwangsräumungen und Verdrängung
Von Elsa Koester
So lange ich lebe, werde ich hier bleiben. Ich werde mich hier nicht verdrängen lassen!«, schallt die Stimme der 63jährigen Mieterin durch die Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg. Menever Aydin spricht vor etwa 300 Demonstranten, die am Samstag dem Aufruf des gentrifizierungskritischen Bündnisses »Wir bleiben alle« zu einer Kundgebung gegen Zwangsräumung und Verdrängung gefolgt waren. Menever, die »Löwin der Reichenberger Straße«, hatte als erste im Haus gegen die Kündigung durch die schwedische Immobiliengesellschaft Akelius geklagt, und das erfolgreich. Die Firma besitzt deutschlandweit etwa 16000 Wohnungen, vor vier Jahren waren es erst halb so viele. »Investitions«schwerpunkt ist Berlin. In der Reichenberger Straße 72a will Akelius alle Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln. Menever Aydin aber darf bleiben. »Schaut nicht nur aus dem Fenster! Je früher man anfängt, sich zu wehren, desto besser«, gibt sie ihren Nachbarn noch auf den Weg und erntet Applaus.
Mit der Kundgebung soll auch auf die Zustände im Nachbarhaus aufmerksam gemacht werden: In der Reichenberger Straße 73 droht derzeit einer fünfköpfigen Familie die Zwangsräumung. Als Kündigungsgrund gibt das Besitzerehepaar Marion und Ernst Brenning Mietschulden in Höhe von 220 Euro an. Die sollen aufgrund einer nicht geklärten Mietminderungen in den Jahren 2009 und 2010 entstanden sein. Brennings Kündigungswut ist berüchtigt im Haus: Viele Nachbarn mußten sich in den letzten Monaten gegen Eigenbedarfsforderungen, falsche Betriebskostenabrechnungen oder Mieterhöhungen wehren. Einige sind bereits ausgezogen, für die übrigen haben die Besitzer schon Kontakt mit der Gerichtsvollzieherin Susok aufgenommen.
Susok war bereits an der Räumung der Familie Gülbol aus der Lausitzer Straße im 14. Februar vergangenen Jahres beteiligt. Auch damals hatte das Bündnis »Zwangsräumungen verhindern« zu Protesten aufgerufen. Obwohl Hunderte Nachbarn und Aktivisten das Haus blockierten, konnte die Zwangsräumung nicht verhindert werden. Die Gerichtsvollzieherin konnte damals nur verkleidet als Polizistin in das Haus gelangen.
»Daß die Blockade dennoch erfolgreich war, zeigte sich erst in den darauffolgenden Monaten«, sagt Aljoscha Müller vom Bündnis im Gespräch mit der jungen Welt. »Seither haben öffentliche Wohnungsbaugesellschaften soviel Angst vor uns, daß wir die Berliner GSW oder die niedersächsische WBN durch ›Go-ins‹ von Zwangsräumungen abbringen konnten«.
Bei privaten Immobilienbesitzern seien die Proteste bisher jedoch kaum erfolgreich gewesen. »Aber vielleicht ist Herr Brenning als Kuratoriumsvorsitzender der evangelischen Johannesstiftung da etwas zugänglicher«, gibt sich Müller optimistisch.
Etwa 30 Betroffene haben sich bisher beim Bündnis gegen Zwangsräumungen gemeldet. Die konkrete Unterstützung erfolgt auch durch juristische Beratung und Prozeßbegleitung. Auf diese Weise konnten im letzten Jahr laut Angaben des Bündnisses etwa 20 Zwangsräumungen in Berlin verhindert werden.
Auf der Kundgebung traten zur solidarischen Unterstützung der Mietproteste anschließend die Band »Antinational Embassy« aus der von Flüchtlingen besetzten Kreuzberger Schule, die italienische Sängerin Laura Guidi und der Berliner Hip-Hop-Künstler Tapete auf. Über soviel kulturelle Mischung freute sich Thommy Kroll vom Café Reiche. »Dit is Kreuzberg, und dit muß auch so bleiben, eeh!«.
jw
Am Samstag demonstrierten in Berlin-Kreuzberg Mieter gegen Zwangsräumungen und Verdrängung
Von Elsa Koester
So lange ich lebe, werde ich hier bleiben. Ich werde mich hier nicht verdrängen lassen!«, schallt die Stimme der 63jährigen Mieterin durch die Reichenberger Straße in Berlin-Kreuzberg. Menever Aydin spricht vor etwa 300 Demonstranten, die am Samstag dem Aufruf des gentrifizierungskritischen Bündnisses »Wir bleiben alle« zu einer Kundgebung gegen Zwangsräumung und Verdrängung gefolgt waren. Menever, die »Löwin der Reichenberger Straße«, hatte als erste im Haus gegen die Kündigung durch die schwedische Immobiliengesellschaft Akelius geklagt, und das erfolgreich. Die Firma besitzt deutschlandweit etwa 16000 Wohnungen, vor vier Jahren waren es erst halb so viele. »Investitions«schwerpunkt ist Berlin. In der Reichenberger Straße 72a will Akelius alle Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln. Menever Aydin aber darf bleiben. »Schaut nicht nur aus dem Fenster! Je früher man anfängt, sich zu wehren, desto besser«, gibt sie ihren Nachbarn noch auf den Weg und erntet Applaus.
Mit der Kundgebung soll auch auf die Zustände im Nachbarhaus aufmerksam gemacht werden: In der Reichenberger Straße 73 droht derzeit einer fünfköpfigen Familie die Zwangsräumung. Als Kündigungsgrund gibt das Besitzerehepaar Marion und Ernst Brenning Mietschulden in Höhe von 220 Euro an. Die sollen aufgrund einer nicht geklärten Mietminderungen in den Jahren 2009 und 2010 entstanden sein. Brennings Kündigungswut ist berüchtigt im Haus: Viele Nachbarn mußten sich in den letzten Monaten gegen Eigenbedarfsforderungen, falsche Betriebskostenabrechnungen oder Mieterhöhungen wehren. Einige sind bereits ausgezogen, für die übrigen haben die Besitzer schon Kontakt mit der Gerichtsvollzieherin Susok aufgenommen.
Susok war bereits an der Räumung der Familie Gülbol aus der Lausitzer Straße im 14. Februar vergangenen Jahres beteiligt. Auch damals hatte das Bündnis »Zwangsräumungen verhindern« zu Protesten aufgerufen. Obwohl Hunderte Nachbarn und Aktivisten das Haus blockierten, konnte die Zwangsräumung nicht verhindert werden. Die Gerichtsvollzieherin konnte damals nur verkleidet als Polizistin in das Haus gelangen.
»Daß die Blockade dennoch erfolgreich war, zeigte sich erst in den darauffolgenden Monaten«, sagt Aljoscha Müller vom Bündnis im Gespräch mit der jungen Welt. »Seither haben öffentliche Wohnungsbaugesellschaften soviel Angst vor uns, daß wir die Berliner GSW oder die niedersächsische WBN durch ›Go-ins‹ von Zwangsräumungen abbringen konnten«.
Bei privaten Immobilienbesitzern seien die Proteste bisher jedoch kaum erfolgreich gewesen. »Aber vielleicht ist Herr Brenning als Kuratoriumsvorsitzender der evangelischen Johannesstiftung da etwas zugänglicher«, gibt sich Müller optimistisch.
Etwa 30 Betroffene haben sich bisher beim Bündnis gegen Zwangsräumungen gemeldet. Die konkrete Unterstützung erfolgt auch durch juristische Beratung und Prozeßbegleitung. Auf diese Weise konnten im letzten Jahr laut Angaben des Bündnisses etwa 20 Zwangsräumungen in Berlin verhindert werden.
Auf der Kundgebung traten zur solidarischen Unterstützung der Mietproteste anschließend die Band »Antinational Embassy« aus der von Flüchtlingen besetzten Kreuzberger Schule, die italienische Sängerin Laura Guidi und der Berliner Hip-Hop-Künstler Tapete auf. Über soviel kulturelle Mischung freute sich Thommy Kroll vom Café Reiche. »Dit is Kreuzberg, und dit muß auch so bleiben, eeh!«.
jw