Maulwurf als Anheizer
Aktivisten der Tierrechtsszene in Norddeutschland enttarnen V-Mann der Polizei
Von Florian Osuch
Aktivisten der niedersächsischen Tierrechtsszene haben einen Polizeispitzel in den eigenen Reihen enttarnt. Nach mehrwöchiger Recherche wurde am Sonntag ein entsprechender Bericht einer Kampagnengruppe veröffentlicht, die sich gegen einen Großschlachthof in Wietze bei Celle engagiert. Detailliert wird dargelegt, wie sich der Mitvierziger – im Bericht als Ralf Gross bezeichnet – seit Frühjahr 2012 das Vertrauen der Braunschweiger Aktivisten erschlichen hatte. Doch nicht nur für die Tierschützer soll sich Gross interessiert haben. Auch lokale Antifa-Strukturen, Antirepressionsgruppen und die Bewegung zur Waldbesetzung im Hambacher Forst bei Köln soll er ausgespäht haben.
Der NDR befaßte sich am Sonntagabend ebenfalls ausführlich mit dem Thema. Gross sei vom Landeskriminalamt Niedersachsen angeworben worden, heißt es dort. Seine Informationen sollten dazu beitragen, Anschläge auf Betriebe der Fleischindustrie aufzuklären. Am 30. Juli 2010 brannte in Sprötze (Nordheide) ein leerstehender Maststall nieder. Sachschaden: rund 500 000 Euro.
Die Kampagnengruppe, auf die der Spitzel angesetzt war, ist nach eigenen Angaben friedlich. Sie verteilen Flugblätter, informieren über die Machenschaften der Fleischkonzerne und kritisieren sie als »integralen Teil kapitalistischer Produktionsweisen«. In der Fleischfabrik in Wietze sollen bis zu 400 000 Geflügelschlachtungen pro Tag stattfinden. Bis zu 400 neue Hühnermastanlagen müßten dafür in der Region errichtet werden. Das Ziel der Tierschützer ist auch, den Ablauf der industriellen Fleischherstellung zu behindern. Dazu bedienen sie sich Aktionen des zivilen Ungehorsams, blockieren Zufahrten zu den Tierfabriken oder besetzen Felder, auf denen neue Mastanlagen entstehen sollen.
Im vorigen Jahr flogen dann Blockadeaktionen auf, obwohl sie konspirativ vorbereitet worden waren. So etwa am 8. Juli 2013, als Aktivisten vor der Fleischfabrik in Wietze von einem Großaufgebot der Polizei gestoppt und kontrolliert wurden. An den Vorbereitungen hatte auch der nun enttarnte Ralf Gross teilgenommen. Damals ging man noch von Observationen der Polizei aus. In einer Presseerklärung hieß es, die Aktion sei wegen »massiven Überwachungsmaßnahmen der Behörden« aufgeflogen.
Weitere Verdachtsmomente auf einen Maulwurf in den eigenen Reihen könnte die Polizei selbst geliefert haben. Nachdem einige Tierschützer gegen Platzverweise geklagt und über Anwälte Akteneinsicht verlangt hatten, erhielten sie Unterlagen mit geschwärzten Passagen. Ungewöhnlich in solchen Fällen, da bei den Aktionen der Tierschützer meistens nur sie selbst sowie Polizeikräfte vor Ort sind.
Zu dieser Zeit war der V-Mann bereits fest in der Szene verankert. Er besuchte regelmäßig Treffen und Veranstaltungen. Er nahm auch an einem Vortrag zu Antifa-Blockaden gegen einen Neonaziaufmarsch in Wolfsburg teil sowie an Aktionstagen gegen Kohleabbau im Hambacher Forst. Dokumentiert ist seine Teilnahme an Veranstaltungen auch in Hamburg und Berlin.
Nach Angaben der Tierschützer stellte Gross regelmäßig sein Auto zur Verfügung. Er soll Teilnehmer eines Camps zu militanten Aktionen angestachelt und sich über das »lasche« Vorgehen der Kampagne beschwert haben. Einem anderen soll er nach Angaben des NDR Hinweise auf Sabotage an LKWs gegeben haben.
Nachdem sich der Verdacht gegen Gross erhärtete – er habe auch immer wieder nach Namen und Kontakten gefragt – wurde er auf die Probe gestellt: Die Aktivisten fingierten eine Aktion, überwachten Gross und stellten fest, daß er seine Informationen per Telefon weitergab. Zudem verschafften sie sich Zugang zu seinem Mailpostfach und konnten lesen, wie er sich abschätzig über seine Gefährten äußerte. Als er schließlich mit den Vorwürfen konfrontierten wurde, habe er »auffällig ruhig und keineswegs überrascht« gewirkt. Am Folgetag stand das Wohnhaus von Gross unter Polizeischutz.
Ausführliche Dokumentation unter: kurzlink.de/Spitzel_enttarnt
jw
Aktivisten der Tierrechtsszene in Norddeutschland enttarnen V-Mann der Polizei
Von Florian Osuch
Aktivisten der niedersächsischen Tierrechtsszene haben einen Polizeispitzel in den eigenen Reihen enttarnt. Nach mehrwöchiger Recherche wurde am Sonntag ein entsprechender Bericht einer Kampagnengruppe veröffentlicht, die sich gegen einen Großschlachthof in Wietze bei Celle engagiert. Detailliert wird dargelegt, wie sich der Mitvierziger – im Bericht als Ralf Gross bezeichnet – seit Frühjahr 2012 das Vertrauen der Braunschweiger Aktivisten erschlichen hatte. Doch nicht nur für die Tierschützer soll sich Gross interessiert haben. Auch lokale Antifa-Strukturen, Antirepressionsgruppen und die Bewegung zur Waldbesetzung im Hambacher Forst bei Köln soll er ausgespäht haben.
Der NDR befaßte sich am Sonntagabend ebenfalls ausführlich mit dem Thema. Gross sei vom Landeskriminalamt Niedersachsen angeworben worden, heißt es dort. Seine Informationen sollten dazu beitragen, Anschläge auf Betriebe der Fleischindustrie aufzuklären. Am 30. Juli 2010 brannte in Sprötze (Nordheide) ein leerstehender Maststall nieder. Sachschaden: rund 500 000 Euro.
Die Kampagnengruppe, auf die der Spitzel angesetzt war, ist nach eigenen Angaben friedlich. Sie verteilen Flugblätter, informieren über die Machenschaften der Fleischkonzerne und kritisieren sie als »integralen Teil kapitalistischer Produktionsweisen«. In der Fleischfabrik in Wietze sollen bis zu 400 000 Geflügelschlachtungen pro Tag stattfinden. Bis zu 400 neue Hühnermastanlagen müßten dafür in der Region errichtet werden. Das Ziel der Tierschützer ist auch, den Ablauf der industriellen Fleischherstellung zu behindern. Dazu bedienen sie sich Aktionen des zivilen Ungehorsams, blockieren Zufahrten zu den Tierfabriken oder besetzen Felder, auf denen neue Mastanlagen entstehen sollen.
Im vorigen Jahr flogen dann Blockadeaktionen auf, obwohl sie konspirativ vorbereitet worden waren. So etwa am 8. Juli 2013, als Aktivisten vor der Fleischfabrik in Wietze von einem Großaufgebot der Polizei gestoppt und kontrolliert wurden. An den Vorbereitungen hatte auch der nun enttarnte Ralf Gross teilgenommen. Damals ging man noch von Observationen der Polizei aus. In einer Presseerklärung hieß es, die Aktion sei wegen »massiven Überwachungsmaßnahmen der Behörden« aufgeflogen.
Weitere Verdachtsmomente auf einen Maulwurf in den eigenen Reihen könnte die Polizei selbst geliefert haben. Nachdem einige Tierschützer gegen Platzverweise geklagt und über Anwälte Akteneinsicht verlangt hatten, erhielten sie Unterlagen mit geschwärzten Passagen. Ungewöhnlich in solchen Fällen, da bei den Aktionen der Tierschützer meistens nur sie selbst sowie Polizeikräfte vor Ort sind.
Zu dieser Zeit war der V-Mann bereits fest in der Szene verankert. Er besuchte regelmäßig Treffen und Veranstaltungen. Er nahm auch an einem Vortrag zu Antifa-Blockaden gegen einen Neonaziaufmarsch in Wolfsburg teil sowie an Aktionstagen gegen Kohleabbau im Hambacher Forst. Dokumentiert ist seine Teilnahme an Veranstaltungen auch in Hamburg und Berlin.
Nach Angaben der Tierschützer stellte Gross regelmäßig sein Auto zur Verfügung. Er soll Teilnehmer eines Camps zu militanten Aktionen angestachelt und sich über das »lasche« Vorgehen der Kampagne beschwert haben. Einem anderen soll er nach Angaben des NDR Hinweise auf Sabotage an LKWs gegeben haben.
Nachdem sich der Verdacht gegen Gross erhärtete – er habe auch immer wieder nach Namen und Kontakten gefragt – wurde er auf die Probe gestellt: Die Aktivisten fingierten eine Aktion, überwachten Gross und stellten fest, daß er seine Informationen per Telefon weitergab. Zudem verschafften sie sich Zugang zu seinem Mailpostfach und konnten lesen, wie er sich abschätzig über seine Gefährten äußerte. Als er schließlich mit den Vorwürfen konfrontierten wurde, habe er »auffällig ruhig und keineswegs überrascht« gewirkt. Am Folgetag stand das Wohnhaus von Gross unter Polizeischutz.
Ausführliche Dokumentation unter: kurzlink.de/Spitzel_enttarnt
jw