Sorge um den Posten
Müllskandal in Sachsen-Anhalt: Gericht verurteilt Landrat wegen uneidlicher Falschaussage auf Bewährung. Staatsanwaltschaft ermittelt auch wegen Verdachts auf Bestechlichkeit
Von Susan Bonath
Über eine Million Tonnen Hausmüll in zwei Tongruben im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt verursachen bis heute massive Umweltschäden. Juristisch aufgearbeitet ist der 2008 durch einen Fernsehbericht aufgeflogene Müll- und mittlerweile auch Politskandal noch immer nicht. Dem parteilosen Landrat des Kreises, Lothar Finzelberg, ging es in dieser Woche wohl vor allem um seinen Posten. Er hatte Glück: Mit dem am Mittwoch vom Landgericht Stendal verkündeten Urteil von neun Monaten Haft auf Bewährung und 12000 Euro Geldstrafe wegen uneidlicher Falschaussage – ein Nebenschauplatz – darf er im Amt bleiben. Finzelberg kündigte ferner an, im Mai erneut als Landrat zu kandidieren. Außerdem will er Revision einlegen.
Finzelberg war in erster Instanz zu 14 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 12000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Burg hatte ihm im Dezember 2012 vorgeworfen, 2009 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß uneidlich falsch ausgesagt zu haben. Die Strafe von über einem Jahr hätte den seit 2001 amtierenden Landrat den Posten gekostet; er hatte Berufung eingelegt.
Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2010 gegen den Landrat wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit. Er soll mehr als 200000 Euro kassiert und dafür Genehmigungen für die Müllverkippung besorgt haben. Dafür lägen den Ermittlern mehrere Zeugenaussagen vor, wie die Magdeburger Volksstimme am Donnerstag berichtete. Auch würden verdächtige Bareinzahlungen auf Finzelbergs Konto geprüft. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Der Landrat soll seinen Dienstwagen privat genutzt und dies nicht angegeben haben. Anklage wurde bislang nicht erhoben.
Die Sache mit den in der Tat vorhandenen Genehmigungen hat allerdings einen Haken. Sie stammten vom Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) Sachsen-Anhalt. Finzelberg konnte entsprechende Papiere als Kreischef nicht selbst ausstellen. Das LAGB wiederum unterstand dem Wirtschaftsministerium unter damaliger Führung des heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). Dieser hatte sich als Minister vehement gegen das sogenannte Tongrubenurteil von 2005 gewehrt. Demnach dürfen Gruben nicht mehr mit Hausmüll verfüllt werden, sondern nur noch mit mineralischen Abfällen wie Bauschutt. Im Sommer 2013 hatte die Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Regierungschef eingeleitet, ebenfalls wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem Ausschuß. Der Linkspartei-Abgeordnete Harry Czeke hatte Anzeige erstattet, weil Haseloff behauptet hatte, erst im März 2008 vom Müll erfahren zu haben. Dabei waren nachweislich Monate vorher zahlreiche Hinweise beim Wirtschaftsministerium eingegangen. Die Ermittlungen wurden im Oktober eingestellt.
Finzelberg hat von Beginn an bestritten, für den Skandal politisch verantwortlich zu sein. Er sieht die Schuld bei den Landesbehörden. In der Vergangenheit mußten bereits mehrere hohe Beamte ihre Posten räumen, darunter der frühere LAGB-Präsident Armin Forker und der Umweltstaatssekretär Jürgen Stadelmann (CDU). Auch der einstige Leiter des Polizeireviers im Jerichower Land, Armin Friedrich, wurde 2011 zum zweiten Mal aus der Schußlinie gezogen, weil gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt wurde. Anfang Januar 2014 erhob die Staatsanwaltschaft zudem Anklage gegen sieben Beschuldigte, die für vermutlich illegale Müllentsorgung mitverantwortlich sein sollen, darunter zwei Geschäftsführer der Tontagebaue.
jw
Müllskandal in Sachsen-Anhalt: Gericht verurteilt Landrat wegen uneidlicher Falschaussage auf Bewährung. Staatsanwaltschaft ermittelt auch wegen Verdachts auf Bestechlichkeit
Von Susan Bonath
Über eine Million Tonnen Hausmüll in zwei Tongruben im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt verursachen bis heute massive Umweltschäden. Juristisch aufgearbeitet ist der 2008 durch einen Fernsehbericht aufgeflogene Müll- und mittlerweile auch Politskandal noch immer nicht. Dem parteilosen Landrat des Kreises, Lothar Finzelberg, ging es in dieser Woche wohl vor allem um seinen Posten. Er hatte Glück: Mit dem am Mittwoch vom Landgericht Stendal verkündeten Urteil von neun Monaten Haft auf Bewährung und 12000 Euro Geldstrafe wegen uneidlicher Falschaussage – ein Nebenschauplatz – darf er im Amt bleiben. Finzelberg kündigte ferner an, im Mai erneut als Landrat zu kandidieren. Außerdem will er Revision einlegen.
Finzelberg war in erster Instanz zu 14 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und 12000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das Amtsgericht Burg hatte ihm im Dezember 2012 vorgeworfen, 2009 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß uneidlich falsch ausgesagt zu haben. Die Strafe von über einem Jahr hätte den seit 2001 amtierenden Landrat den Posten gekostet; er hatte Berufung eingelegt.
Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2010 gegen den Landrat wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit. Er soll mehr als 200000 Euro kassiert und dafür Genehmigungen für die Müllverkippung besorgt haben. Dafür lägen den Ermittlern mehrere Zeugenaussagen vor, wie die Magdeburger Volksstimme am Donnerstag berichtete. Auch würden verdächtige Bareinzahlungen auf Finzelbergs Konto geprüft. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Der Landrat soll seinen Dienstwagen privat genutzt und dies nicht angegeben haben. Anklage wurde bislang nicht erhoben.
Die Sache mit den in der Tat vorhandenen Genehmigungen hat allerdings einen Haken. Sie stammten vom Landesamt für Geologie und Bergwesen (LAGB) Sachsen-Anhalt. Finzelberg konnte entsprechende Papiere als Kreischef nicht selbst ausstellen. Das LAGB wiederum unterstand dem Wirtschaftsministerium unter damaliger Führung des heutigen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). Dieser hatte sich als Minister vehement gegen das sogenannte Tongrubenurteil von 2005 gewehrt. Demnach dürfen Gruben nicht mehr mit Hausmüll verfüllt werden, sondern nur noch mit mineralischen Abfällen wie Bauschutt. Im Sommer 2013 hatte die Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Regierungschef eingeleitet, ebenfalls wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem Ausschuß. Der Linkspartei-Abgeordnete Harry Czeke hatte Anzeige erstattet, weil Haseloff behauptet hatte, erst im März 2008 vom Müll erfahren zu haben. Dabei waren nachweislich Monate vorher zahlreiche Hinweise beim Wirtschaftsministerium eingegangen. Die Ermittlungen wurden im Oktober eingestellt.
Finzelberg hat von Beginn an bestritten, für den Skandal politisch verantwortlich zu sein. Er sieht die Schuld bei den Landesbehörden. In der Vergangenheit mußten bereits mehrere hohe Beamte ihre Posten räumen, darunter der frühere LAGB-Präsident Armin Forker und der Umweltstaatssekretär Jürgen Stadelmann (CDU). Auch der einstige Leiter des Polizeireviers im Jerichower Land, Armin Friedrich, wurde 2011 zum zweiten Mal aus der Schußlinie gezogen, weil gegen ihn wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt wurde. Anfang Januar 2014 erhob die Staatsanwaltschaft zudem Anklage gegen sieben Beschuldigte, die für vermutlich illegale Müllentsorgung mitverantwortlich sein sollen, darunter zwei Geschäftsführer der Tontagebaue.
jw