Putsch in Westukraine
Faschisten stürmen Behörden und zwingen Gouverneure zum Rücktritt. Fernsehsender ruft Demonstranten zur Bewaffnung auf
Von Reinhard Lauterbach
In der Ukraine haben faschistische Aktivisten mehrere Gebietsverwaltungen unter ihre Kontrolle gebracht. In den westlichen Regionen Lwow, Ternopol, Rovno, Luzk und Iwano-Frankowsk stürmten Gruppen von mehreren hundert Leuten die Behördengebäude und nötigten die von Präsident Wiktor Janukowitsch eingesetzten Gouverneure, Rücktrittsschreiben zu verfassen. Auch in Tschernowcy im Südwesten des Landes wurde die Verwaltung besetzt; in Tscherkassy südlich von Kiew schlug die Polizei einen ähnlichen Angriff zurück und nahm 58 Personen fest. Auch in Zhitomir scheiterte der Sturm auf das Verwaltungsgebäude.
Daß hinter diesen Aktionen ukrainische Faschisten stehen, scheint nach ihren Selbstzeugnissen wenig zweifelhaft. Über den Sturm der Gebietsverwaltung in Tscherkassy kursiert ein Internet-Video. Darauf ist eine Menge von mehreren hundert vermummten Leuten zu sehen, die vor dem Gebäude mit ausgestreckten Armen Parolen rufen. Ein Film von der Besetzungsaktion in Rovno zeigt, wie die Polizei nach erfolgloser Verteidigung des Gebäudes durch ein Spalier der Angreifer abzieht. Diese schreien dazu immer wieder im Wechsel »Ruhm der Ukraine« und »Ruhm den Helden« – die typische Grußformel der Faschisten. Aufnahmen aus Tschernowcy zeigen in der Menge die rot-schwarzen Fahnen der faschistischen Gruppe UNA-UNSO. In Kiew besetzten Anhänger der Bewegung »Rechter Sektor« das Gebäude des Landwirtschaftsministeriums, und in der Nationalisten-Hochburg Lwow rief im dortigen Online-Fernsehsender ZIK TV ein sogenannter Militärexperte die Kiewer Demonstranten auf, sich zu bewaffnen und so die Polizei vom Einsatz abzuschrecken. »Ich war Offizier und weiß, daß nichts einen Soldaten so beeindruckt, wie wenn zurückgeschossen wird«, sagte der Mann unter anderem. Das Interview wurde offensichtlich nach der Besetzung der Gebietsverwaltung am Donnerstag geführt und in den 24 Stunden nach seiner Aufnahme bereits mehrere 10000 Mal angeklickt. Interessant daran ist, daß der Moderator ukrainisch sprach, der Befragte aber russisch antwortete, einer in Lwow ansonsten sehr ungern verwendeten Sprache. Damit ist es vermutlich als Teil einer Einschüchterungskampagne gegenüber der Polizei aus den östlichen Landesteilen zu sehen, die bisher loyal zum Präsidenten steht. Das ukrainische Innenministerium ordnete unterdessen an, alle Geschäfte mit Sportwaffen in Kiew zu schließen.
Am Donnerstag abend hatten die Führer der parlamentarischen Oppositionsparteien auf dem Maidan von ihrer zweiten Verhandlungsrunde mit Präsident Janukowitsch berichtet. Nach ihrer Aussage hat Janukowitsch einen Rücktritt unter dem Druck der Krawalle abgelehnt, aber eine Amnestie für verhaftete Demonstranten und eine Vertrauensabstimmung über die Regierung von Ministerpräsident Asarow angeboten. Auch werde die Polizei nicht mehr angreifen, solange sie selbst nicht attackiert werde. Als Arsenij Jazenjuk, Witali Klitschko und Oleg Tjahnibok die Verhandlungsergebnisse zur Abstimmung stellten, war unklar, ob eine Mehrheit der Versammelten auf dem Maidan der Fortsetzung der Gespräche zustimmte. Die Ankündigung der drei, weiter zu verhandeln, wurde durch lautstarke »Schande«-Sprechchöre unterbrochen.
jw
Faschisten stürmen Behörden und zwingen Gouverneure zum Rücktritt. Fernsehsender ruft Demonstranten zur Bewaffnung auf
Von Reinhard Lauterbach
In der Ukraine haben faschistische Aktivisten mehrere Gebietsverwaltungen unter ihre Kontrolle gebracht. In den westlichen Regionen Lwow, Ternopol, Rovno, Luzk und Iwano-Frankowsk stürmten Gruppen von mehreren hundert Leuten die Behördengebäude und nötigten die von Präsident Wiktor Janukowitsch eingesetzten Gouverneure, Rücktrittsschreiben zu verfassen. Auch in Tschernowcy im Südwesten des Landes wurde die Verwaltung besetzt; in Tscherkassy südlich von Kiew schlug die Polizei einen ähnlichen Angriff zurück und nahm 58 Personen fest. Auch in Zhitomir scheiterte der Sturm auf das Verwaltungsgebäude.
Daß hinter diesen Aktionen ukrainische Faschisten stehen, scheint nach ihren Selbstzeugnissen wenig zweifelhaft. Über den Sturm der Gebietsverwaltung in Tscherkassy kursiert ein Internet-Video. Darauf ist eine Menge von mehreren hundert vermummten Leuten zu sehen, die vor dem Gebäude mit ausgestreckten Armen Parolen rufen. Ein Film von der Besetzungsaktion in Rovno zeigt, wie die Polizei nach erfolgloser Verteidigung des Gebäudes durch ein Spalier der Angreifer abzieht. Diese schreien dazu immer wieder im Wechsel »Ruhm der Ukraine« und »Ruhm den Helden« – die typische Grußformel der Faschisten. Aufnahmen aus Tschernowcy zeigen in der Menge die rot-schwarzen Fahnen der faschistischen Gruppe UNA-UNSO. In Kiew besetzten Anhänger der Bewegung »Rechter Sektor« das Gebäude des Landwirtschaftsministeriums, und in der Nationalisten-Hochburg Lwow rief im dortigen Online-Fernsehsender ZIK TV ein sogenannter Militärexperte die Kiewer Demonstranten auf, sich zu bewaffnen und so die Polizei vom Einsatz abzuschrecken. »Ich war Offizier und weiß, daß nichts einen Soldaten so beeindruckt, wie wenn zurückgeschossen wird«, sagte der Mann unter anderem. Das Interview wurde offensichtlich nach der Besetzung der Gebietsverwaltung am Donnerstag geführt und in den 24 Stunden nach seiner Aufnahme bereits mehrere 10000 Mal angeklickt. Interessant daran ist, daß der Moderator ukrainisch sprach, der Befragte aber russisch antwortete, einer in Lwow ansonsten sehr ungern verwendeten Sprache. Damit ist es vermutlich als Teil einer Einschüchterungskampagne gegenüber der Polizei aus den östlichen Landesteilen zu sehen, die bisher loyal zum Präsidenten steht. Das ukrainische Innenministerium ordnete unterdessen an, alle Geschäfte mit Sportwaffen in Kiew zu schließen.
Am Donnerstag abend hatten die Führer der parlamentarischen Oppositionsparteien auf dem Maidan von ihrer zweiten Verhandlungsrunde mit Präsident Janukowitsch berichtet. Nach ihrer Aussage hat Janukowitsch einen Rücktritt unter dem Druck der Krawalle abgelehnt, aber eine Amnestie für verhaftete Demonstranten und eine Vertrauensabstimmung über die Regierung von Ministerpräsident Asarow angeboten. Auch werde die Polizei nicht mehr angreifen, solange sie selbst nicht attackiert werde. Als Arsenij Jazenjuk, Witali Klitschko und Oleg Tjahnibok die Verhandlungsergebnisse zur Abstimmung stellten, war unklar, ob eine Mehrheit der Versammelten auf dem Maidan der Fortsetzung der Gespräche zustimmte. Die Ankündigung der drei, weiter zu verhandeln, wurde durch lautstarke »Schande«-Sprechchöre unterbrochen.
jw