ASYLRECHT
Herrmann vergisst die Menschen hinter den Zahlen
Bayerns Innenminister Herrmann will die Zahl der Asylbewerber aus den westlichen Balkanstaaten senken. Doch seine Vorschläge sind ungeeignet. EIN KOMMENTAR VON KATHARINA SCHULER
"Massiven Asylmissbrauch" durch Menschen aus den Westbalkanstaaten hat Bayerns Innenminister Herrmann beklagt. Bekämpfen will er den durch eine weitere Beschleunigung von Asylverfahren und durch "Taschengeldentzug". Der Beifall an zahlreichen Stammtischen dürfte ihm sicher sein.
Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Zahl der Asylanträge von Menschen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens tatsächlich stark gestiegen ist. 2009 kamen zum Beispiel weniger als 900 Asylbewerber aus Serbien, 2013 waren es 18.001.
Dies hat vor allem mit der Visafreiheit zu tun, die 2009 eingeführt wurde und es Flüchtlingen aus den Westbalkanstaaten erlaubt, legal nach Deutschland einzureisen. Hier angekommen stellen sie einen Asylantrag, obwohl die Chancen, anerkannt zu werden, gegen null gehen. Bei dem weit überwiegenden Teil der Antragsteller aus den Westbalkanstaaten handelt es sich um Roma.
Doch was will Herrmann dagegen tun?
Er fordert, die Länder des westlichen Balkans zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Dabei kann er sich sogar auf den Koalitionsvertrag stützen. Dies hätte zur Folge, dass Asylverfahren verkürzt werden könnten.
Experten bezweifeln allerdings, dass sich die Verfahren, die schon jetzt nur wenige Wochen dauern, wesentlich verkürzen lassen. Denn seit mehr als einem Jahr werden Verfahren von Antragsstellern aus den Staaten des westlichen Balkans besonders zügig bearbeitet.
Angesichts einer Ablehnungsquote von fast 100 Prozent bezweifelt etwa die Flüchtlingshilfsorganisationen Pro Asyl, dass eine individualisierte Prüfung des Anspruchs auf Asyl stattfindet. Dieser Verdacht wird dadurch genährt, dass in anderen europäischen Ländern die Anerkennungsquoten höher liegen.
Fraglich ist auch, ob Staaten wie Serbien und Mazedonien wirklich die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten strengen Kriterien für sichere Herkunftsstaaten erfüllen.
Dass Herrmann Flüchtlingen aus solchen Ländern in den ersten drei Monaten das Taschengeld von derzeit 140 Euro im Monat komplett streichen will, dürfte auf jeden Fall verfassungswidrig sein. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 die bis dahin geltende Höhe der Bezüge als Verstoß gegen die Menschenwürde bewertet. Eine Kürzung auf null dürfte da wohl kaum Bestand haben.
Fazit: Herrmanns Vorschläge sind nicht geeignet, das Problem einer stark gestiegenen Zahl von Asylbewerbern aus den westlichen Balkanstaaten zu lösen.
Wesentlich sinnvoller, wenn auch schwieriger wäre es, sich auf allen Ebenen und mit allen Mitteln für eine Verbesserung der Situation der Roma in ihren Heimatländern einzusetzen.
Wovon der Minister nicht redet, sind die Menschen hinter den Zahlen. Menschen, die in extremer Armut leben, die traditionell von Ausgrenzung betroffen sind und deren Situation sich unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise verschärft hat. Und die oft keinerlei Zugang zum jeweiligen staatlichen Gesundheitssystem haben, da sie das Geld dafür nicht aufbringen können.
Doch mit einer differenzierten Antwort auf die Not dieser Menschen lassen sich im bayerischen Kommunalwahlkampf eben keine Stimmen fangen.
zeit.de
Herrmann vergisst die Menschen hinter den Zahlen
Bayerns Innenminister Herrmann will die Zahl der Asylbewerber aus den westlichen Balkanstaaten senken. Doch seine Vorschläge sind ungeeignet. EIN KOMMENTAR VON KATHARINA SCHULER
"Massiven Asylmissbrauch" durch Menschen aus den Westbalkanstaaten hat Bayerns Innenminister Herrmann beklagt. Bekämpfen will er den durch eine weitere Beschleunigung von Asylverfahren und durch "Taschengeldentzug". Der Beifall an zahlreichen Stammtischen dürfte ihm sicher sein.
Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Zahl der Asylanträge von Menschen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens tatsächlich stark gestiegen ist. 2009 kamen zum Beispiel weniger als 900 Asylbewerber aus Serbien, 2013 waren es 18.001.
Dies hat vor allem mit der Visafreiheit zu tun, die 2009 eingeführt wurde und es Flüchtlingen aus den Westbalkanstaaten erlaubt, legal nach Deutschland einzureisen. Hier angekommen stellen sie einen Asylantrag, obwohl die Chancen, anerkannt zu werden, gegen null gehen. Bei dem weit überwiegenden Teil der Antragsteller aus den Westbalkanstaaten handelt es sich um Roma.
Doch was will Herrmann dagegen tun?
Er fordert, die Länder des westlichen Balkans zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Dabei kann er sich sogar auf den Koalitionsvertrag stützen. Dies hätte zur Folge, dass Asylverfahren verkürzt werden könnten.
Experten bezweifeln allerdings, dass sich die Verfahren, die schon jetzt nur wenige Wochen dauern, wesentlich verkürzen lassen. Denn seit mehr als einem Jahr werden Verfahren von Antragsstellern aus den Staaten des westlichen Balkans besonders zügig bearbeitet.
Angesichts einer Ablehnungsquote von fast 100 Prozent bezweifelt etwa die Flüchtlingshilfsorganisationen Pro Asyl, dass eine individualisierte Prüfung des Anspruchs auf Asyl stattfindet. Dieser Verdacht wird dadurch genährt, dass in anderen europäischen Ländern die Anerkennungsquoten höher liegen.
Fraglich ist auch, ob Staaten wie Serbien und Mazedonien wirklich die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten strengen Kriterien für sichere Herkunftsstaaten erfüllen.
Dass Herrmann Flüchtlingen aus solchen Ländern in den ersten drei Monaten das Taschengeld von derzeit 140 Euro im Monat komplett streichen will, dürfte auf jeden Fall verfassungswidrig sein. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 die bis dahin geltende Höhe der Bezüge als Verstoß gegen die Menschenwürde bewertet. Eine Kürzung auf null dürfte da wohl kaum Bestand haben.
Fazit: Herrmanns Vorschläge sind nicht geeignet, das Problem einer stark gestiegenen Zahl von Asylbewerbern aus den westlichen Balkanstaaten zu lösen.
Wesentlich sinnvoller, wenn auch schwieriger wäre es, sich auf allen Ebenen und mit allen Mitteln für eine Verbesserung der Situation der Roma in ihren Heimatländern einzusetzen.
Wovon der Minister nicht redet, sind die Menschen hinter den Zahlen. Menschen, die in extremer Armut leben, die traditionell von Ausgrenzung betroffen sind und deren Situation sich unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise verschärft hat. Und die oft keinerlei Zugang zum jeweiligen staatlichen Gesundheitssystem haben, da sie das Geld dafür nicht aufbringen können.
Doch mit einer differenzierten Antwort auf die Not dieser Menschen lassen sich im bayerischen Kommunalwahlkampf eben keine Stimmen fangen.
zeit.de