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»Der adlige Blutreinheitswahn war eine Quelle der Nazis« Inter-13
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    »Der adlige Blutreinheitswahn war eine Quelle der Nazis« Empty »Der adlige Blutreinheitswahn war eine Quelle der Nazis«

    Beitrag  Admin Fr März 14, 2014 11:32 pm

    »Der adlige Blutreinheitswahn war eine Quelle der Nazis«
    Gespräch mit Jutta Ditfurth. Über den Antisemitismus der Aristokratie, den dichtenden Baron Börries Freiherr von Münchhausen und ihren Bruch mit dem eigenen Adelsclan
    Interview: Stefan Huth


    Jutta Ditfurth ist Soziologin, Publizistin und politische Aktivistin. In den 1980er Jahren war sie Bundesvorsitzende der Grünen, trat 1991 aus und gründete im selben Jahr die Ökologische Linke mit. Im Oktober erschien von ihr das Buch »Der Baron, die Juden und die Nazis. Reise in eine Familiengeschichte«, Hoffmann & Campe, Hamburg 2013, Hardcover, 400 S., 21,99 Euro (auch im jW-Shop erhältlich)

    Bevor im vergangenen Jahr Ihr aktuelles Buch »Der Baron, die Juden und die Nazis« erschienen ist, waren Sie bereits mit zwei im weitesten Sinne autobiographischen Publikationen hervorgetreten. In »Durch unsichtbare Mauern« ging es vor dem Hintergrund Ihrer adligen Herkunft darum, »wie so eine links wird«. Ihr Roman »Die Himmelsstürmerin« behandelt die Geschichte Ihrer unkonventionell denkenden Urgroßmutter, die in der Zeit der Pariser Commune Kontakt zu einem Sozialisten bekommt, der in ihr kritisches Denken weckt. Was hat Sie bewogen, sich nun erneut auf die »Reise in eine Familiengeschichte« zu begeben, wie es im Untertitel Ihres jüngsten Buches heißt?

    »Durch unsichtbare Mauern. Wie wird so eine links« ist ein autobiographisches Buch, das die Nachkriegszeit beschreibt und bis etwa 1974 reicht. Ich erzähle darin auch von meiner Auseinandersetzung mit meinem adligen Herkunftsmilieu und von meiner Befreiung, so empfinde ich es heute noch, durch die außerparlamentarische Revolte. Aber mit dem Roman »Die Himmelsstürmerin« ging es mir um die Pariser Commune von 1871, um ihre Voraussetzungen, ihre Protagonisten, ihre Fehler, ihre enorme historische Bedeutung. Dafür habe ich damals sehr genau recherchiert, mich tief in Archive vergraben und Primärquellen gelesen. Ich lasse in diesem Roman meine deutschnationale, antisemitische Urgroßmutter, deren reaktionäres Milieu ich nachzeichne, auf das revolutionäre Paris prallen. Das ist ein literarischer Kniff. Ein größerer Kontrast als der zwischen dem republikanischen Paris und dem deutschen Adel fiel mir nicht ein. »Die Himmelsstürmerin« ist ein Roman, meine Urgroßmutter Gertrud von Beust war nie in Paris. Sie kommt in »Der Baron, die Juden und die Nazis« vor. Unter meinen 16 Büchern ist also nur eine Autobiographie.
    Sie schildern ausführlich die Kriterien, die in Adelskreisen für Eheschließungen gelten. Und führen sogar entsprechende Statuten an, die sich einzelne Familien gegeben haben. Betrachtet man Aristokratie in diesem Sinne als Zuchtfrage, so scheint die Angst vor »fremdem Blut« und damit auch der Antisemitismus in diesem Milieu System zu haben ...

    Würden die sogenannten adligen Familien ihre Statuten veröffentlichen, würde man den meisten ansehen, wie notdürftig diese »entnazifiziert« wurden und wie stark der selbst erteilte Auftrag ist, die eigenen Kinder von der falschen Fortpflanzung abzuhalten. Damit ist gemeint, möglichst zu verhindern, daß sie jüdische oder muslimische Menschen heiraten oder gar dunkelhäutige. Diese Familiensatzungen enthielten viele Jahre vor dem NS-Faschismus oft schon Arierparagraphen und Hinweise zur »Reinhaltung des adligen Blutes«.
    Läßt sich ungefähr sagen, wann antisemitische Haltungen für den deutschen Adel prägend wurden?

    Der christliche Antijudaismus war die Ideologie der herrschenden Klasse und damit die des christlichen Adels. Es gab immer mal wieder individuelle Ausnahmen und fast freundschaftliche Beziehungen zwischen einigen wenigen fürstlichen Herrschern und einzelnen Juden, meist sehr gebildeten, welterfahrenen »Hofjuden« oder Bankiers. Aber gerade die klügsten unter ihnen wußten nur zu genau, daß sie dieser Freundschaft auf Dauer nicht trauen konnten. Allzu oft wurden Pogrome von Mächtigen angestiftet und dienten als Ventil für das unzufriedene Volk bei gleichzeitiger schlagartiger Entschuldung des jeweiligen Herrschers. Päpste riefen zu Kreuzzügen auf, auf dem Weg ins gelobte Land wurden die Juden in deutschen Landen massakriert und selten von ihren adligen Landesherrn beschützt. Mit Luther und seinem Protestantismus wurde die Sache noch schlimmer. Sein Aufruf zur Unterwerfung der Bauern unter den Adel war verknüpft mit wutschäumenden Mordaufrufen gegen die Juden. In der laufenden Lutherdekade ist das kaum ein Thema. In einer Diskussion mit Margot Käßmann in der Leipziger Thomaskirche war ich schockiert, wie stark sie den unbändigen Judenhaß Luthers, der den Protestantismus so stark prägte, herunterspielt. Mit dem Aufkommen der Konstruktion menschlicher Rassen, etwa bei Kant am Ende des 18. Jahrhunderts, verband sich der christliche Antijudaismus dann mit dem Rassismus. Der »Rasse«-Antisemitismus wurde bald die Ideologie der adligen Oberschicht.
    In Preußen war der Antisemitismus generell die Ideologie der herrschenden Kreise ...

    Ja. Die Deutsche Tischgesellschaft, gegründet 1811 vom romantischen Dichter Achim von Arnim ist ein explizites Beispiel. Das war eine elitäre, sehr einflußreiche Runde von Politikern, Militärs, Philosophen, Künstlern, die Hälfte etwa war adlig. Von Arnims größte Angst war, daß sich Juden unentdeckt in die Runde einschleichen könnten. In Tischreden sprach er darüber, daß man Juden chemisch zerlegen müßte, um festzustellen, daß sie keine normalen Menschen seien, sondern lediglich aus »Dreck« bestünden. Diese judenhassende Tischgesellschaft war die reaktionäre Gegenwelt zu Aufklärung und Emanzipation und den jüdischen Salons. 36 Jahre später war die Lage der Juden in Preußen nur unwesentlich besser geworden. Im Vereinigten Preußischen Landtag im Berliner Stadtschloß befaßten sich beide Kammern drei Tage lang nur mit der Lage und den Rechten der Juden in den preußischen Provinzen. Der forschrittlichste Flügel, die Liberalen, wünschte sich, daß sich die Judenheit in das Christentum auflöse und verschwinde. Für den reaktionären Flügel sprach der junge Gutsbesitzer Otto von Bismarck: »ich bin kein Feind der Juden, und wenn sie meine Feinde sein sollten, so vergebe ich ihnen.« Er »gönne ihnen auch alle Rechte, nur nicht das, in einem christlichen Staate auch ein obrigkeitsstaatliches Amt zu bekleiden«, denn wenn er sich vorstelle, daß ihm als Repräsentant seiner heiligen Majestät des Königs ein Jude entgegenträte, »dem ich gehorchen soll, so muß ich bekennen, daß ich mich tief niedergedrückt und gebeugt fühlen würde«. Würde man die besonders schreckliche Lage der Juden in der Provinz Posen verbessern, würde man nur Millionen von russischen Juden anlocken. Manche Hetztiraden ändern sich nie.
    Wie muß man sich den antisemitischen Diskurs in aristokratischen Kreisen vorstellen? Wie verständigte man sich über diese Fragen?

    Ich habe gelegentlich die Ausrede gehört, daß in Briefen der Jahre nach 1933 gar nicht viel Judenhaß vorkommt. Tatsächlich war es so, daß der offene, auf Vertreibung oder Vernichtung der Juden zielende Antisemitismus schon in den Korrespondenzen und Gesprächen der 1920er Jahre final geklärt worden ist. Mit dem Sieg der Nazis war der ostelbische, großgrundbesitzende Adel beruhigt, man würde die Juden loswerden, so oder so, die ersehnte Führung war an der Macht. Man konnte sich nun dem kommenden Krieg zuwenden. In Briefen meiner Verwandten aus den 1920er Jahren finde ich eine mörderische Verrohung der Alltagssprache. Meine Großtante Hertha von Schierstädt kurte auf Norderney und ärgerte sich, daß sie sich nicht im »judenfreien« Borkum einquartiert hatte. Sie schrieb an ihre Mutter: »Am liebsten schlüge ich noch heute einen Juden tot und käme um Dich zu holen!« Ein paar Tage später waren es schon mehrere: »Ich schlage einige Juden tot, damit ich jede Woche drei Tage zu Dir fliegen kann.« Kurbäder sind weit unterschätzt für die ideologische Aufrüstung der Oberschicht.
    Waren Ihre Vorfahren allesamt Antisemiten oder gab es da auch Ausnahmen? Falls ja: wie ist die Familie mit ihnen umgegangen?

    Wenn ich von Familie rede, meine ich nicht die Kleinfamilie sondern den ganzen Clan, ein paar Dutzend Linien und Namen und vielleicht 200 Personen. Ich fand nur eine einzige Ausnahme, einen, der Juden und Sozialdemokraten nicht verabscheute und kein Todfeind der Weimarer Republik war. Meine Verwandten nannten ihn verächtlich »das rote Biest von Brandenstein«. Karl Freiherr von Brandenstein [1875–1946] war 1917 Staatsrat im Fürstentum Reuß jüngerer Linie gewesen und wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom Arbeiter- und Soldatenrat in diesem Amt bestätigt. Zuerst stand er der USPD nahe, dann wurde er Mitglied der SPD, war Innenminister und Justizminister von Thüringen. Im Landtag war er fortwährenden Angriffen der Völkischen ausgesetzt, die NDSAP bespitzelte ihn später. Ich würde gern mehr über ihn wissen, er starb 1946 in Woltersdorf.
    Titelgebend für Ihr Buch ist Ihr Urgroßonkel Börries Freiherr von Münchhausen [1874-1945]. Der dichtende Baron galt im bürgerlichen Milieu lange Zeit als literarische Größe, seine Balladen wurden nach 1945 in zahlreiche westdeutsche Schullesebücher aufgenommen. Vom vermeintlichen Freund der Juden entwickelte er sich zum glühenden Antisemiten und Nazi. Was war das für ein Mann?

    Na ja, »dichtende Größe« ... Den Naturalisten und Modernen seiner Zeit war schon klar, daß sie hier einen Restaurator der germanischen Ritterballade vor sich hatten und keinen »Erneuerer« von irgendwas. Wenn Urgroßonkel Börries über Bauern dichtete, meinte er nie die Bauern, die sich auf seinen Feldern krumm schufteten, sondern die des Mittelalters. Er war um 1900 kurzzeitig mit dem jüdischen Jugendstilkünstler Ephraim Moses Lilien befreundet. Das galt in der Familie später als Beweis seiner »Judenfreundlichkeit«. Er meinte aber in den vermeintlich »rassebewußten« jüdischen Zionisten eine Art Adel zu entdecken. Das Mißverständnis klärte sich rasch. Als Münchhausen mit seiner Antimodernität und seiner sozialen Ignoranz in der Berliner Bohème auch mal kritisiert wurde und begreifen mußte, daß ihn die meisten modernen, vor allem jüdischen Dichter an Qualität überboten, wurde er zum offenen Antisemiten. Schon 1911 möchte er einen »Geheimbund« zur Vertreibung aller Juden gründen.
    Zu den Faschisten, sagt man ihm gelegentlich nach, habe er am Ende ein distanziertes Verhältnis gehabt. Warum?

    Nein, das hatte er nie! In den 1920er wird er ein einflußreicher adliger »Rasse«-Ideologe und Schriftleiter. Er führt einen regelrechten Krieg gegen die jüdischen und demokratischen Dichter an der Preußischen Akademie. Er kollaboriert vom ersten Moment an mit dem Naziregime. Auf seine Anregung hin beginnt 1936 im Innenministerium eine ausführliche Debatte, ob man den deutschen Juden nicht ihre deutschen Nachnamen wegnehmen könne. Er hat bis zum Ende engste Beziehungen zu Reichsinnenminister Wilhelm Frick, Reichsernährungsminister Richard Walther Darre, Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess. Und den Reichspropagandaminister Joseph Goebbels fand er einfach nur »bezaubernd«. Noch zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 1944 wurde Münchhausen mit Ehrungen des Naziregimes überhäuft.

    Die wenigen Besuche von Ephraim ­Lilien um 1900 werden heute von einigen Verwandten in die üble Legende verwandelt, Münchhausen habe 40 Jahre später, da war Lilien längst tot, Juden auf Schloß Windischleuba »versteckt«. Natürlich gibt es nicht einen einzigen Namen.
    Münchhausen wird von Neonazis heute noch verehrt. Karl-Heinz Hoffmann, Kopf der nach ihm benannten Wehrsportgruppe, erwarb 2004 das Rittergut Sahlis in Sachsen, das dem Dichter einst gehörte. Es scheint sich zu einer Art Wallfahrtsort für Neonazis entwickelt zu haben. Was findet dort statt?

    Ich erfuhr 2003 vom damaligen PDS-Stadtrat Günter Bauer aus Kohren-Sahlis, daß die kleine sächsische Stadt bald ihr 550jähriges Bestehen feiern wolle und vorhabe, meinen Urgroßonkel Münchhausen zu ehren. Auf dem Gemeindegrund liegen die früheren Münchhausenschen Güter Rüdigsdorf sowie Rittergut und Schloß Sahlis. Die CDU hat dort die absolute Mehrheit, unter ihnen mein Vetter Georg von Breitenbuch. Ich schrieb hin, daß Münchhausen ein Antisemit gewesen sei und man ihn nicht ehren solle. Man attackierte mich: Ich sei nicht legitimiert, »der Stadt Kohren-Sahlis und den Menschen dieser Region Lehren zu erteilen«. Die von mir »aus der geschichtlichen Versenkung hervorgekramten ›Steine des Anstoßes‹« kämen »einem Rufmord für Land und Leute« gleich. Ich solle sie »nach 60 Jahren nicht damit behelligen« und ihnen nicht die »Festvorbereitungen vermiesen« usw. Die Botschaft war: In Kohren-Sahlis sind Antifaschisten unerwünscht. Die Botschaft wurde gehört: Ein Jahr danach kaufte Karl-Heinz Hoffmann, Chef der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe, einer der bekanntesten und früher gewalttätigsten Nazis der alten Bundesrepublik, das alte Münchhausensche Rittergut Sahlis samt Ställen und Nebengebäuden sowie sechs Hektar Land. Zwischen 2005 und 2007, so hat es kürzlich die Landtagsfraktion der sächsischen Linken herausgefunden, bekam Hoffmanns Schloß-Stiftung rund 114000 Euro vom sächsischen Innenministerium. Vetter Georg von Breitenbuch (CDU) sitzt inzwischen im Landtag.
    Sie mobilisieren Antifaschisten zu Protesten dorthin. Gibt es bereits greifbare Erfolge?

    Nun, Kohren-Sahlis hat mich noch nicht eingeladen ... Münchhausens Stammschloß Windischleuba bei Altenburg, nicht weit von Kohren-Sahlis, ist heute eine Jugendherberge. 2008 trafen sich dort – unter falschem Namen – mehr als zwei Dutzend Nazis für eine angebliche »Familientanzfeier«. Sie vergaßen zwölf Audiokassetten. Es war kein einziger Volkstanz darunter – dafür Reden von Hitler, Goebbels, Adolf von Thadden (NPD), verschiedenen Auschwitzleugnern, Pierre Krebs vom Thule-Seminar, usw. Es kamen am 7. Februar rund 230 Menschen in den Rittersaal des Schlosses zu meiner Lesung. Unter ihnen eine Gruppe von Adligen mit Anwältin und ein paar volkstümelnde Münchhausen-Fans. Aber die meisten Zuhörer waren sehr offen und interessiert, und es war eine tolle Diskussion. Örtliche Antifaschisten, Historiker und ein Heimatverein nehmen sich der Sache an. Am 19. März lese ich in Kahla, das wird nicht einfach. Wär’ schön, wenn dann viele kämen.
    Sie kommen soeben aus Israel zurück, wo Sie Ihr Buch auf Einladung dreier Universitäten vorgestellt haben. Wie waren die Reaktionen? Welche Themen bestimmten die Diskussionen?

    Ich war unter fortschrittlichen israelischen Historikern und Studenten, und es war eine Erholung, bestimmte Voraussetzungen deutscher Geschichte nicht erklären zu müssen. Mit soviel Interesse an meinem Buch hatte ich nicht gerechnet. Es ist schon merkwürdig, die meisten bundesdeutschen Medien schweigen über mein Buch, und nun interessieren sich Historiker an US-Universitäten dafür.
    Zum Schluß noch eine persönliche Frage: Pflegen Sie noch aristokratischen Umgang oder haben Sie mit der Streichung des »von« aus Ihrem Namen auch sonst alle Brücken in diese Sphäre abgebrochen?

    Ich kenne noch einige wenige freundliche Menschen, die aus einem ähnlichen Milieu wie ich kommen und das ähnlich kritisch sehen. Ich habe mit etwa 18 Jahren meinen Nichteintritt in den Familienverband erklärt und dieses alberne »von« mit 26 Jahren abgelegt.
    Wie hat Ihre Verwandtschaft auf Ihre adelskritischen Veröffentlichungen reagiert?

    Es gibt nur zwei bis drei verwandte Menschen, die freundlich und interessiert reagiert haben. Ich habe unterschätzt wie wütend, ja haßerfüllt man darauf reagieren würde, daß ich nicht wie seit Jahren nur kritisch über den elitären Dünkel des Adels gesprochen habe, sondern auch Namen von Nazitätern aus dem eigenen Adelsclan nenne.

    Ich belege, und das ist eines der zentralen Forschungsergebnisse meines Buchs, daß der adlige Blutreinheitswahn eine frühe Quelle des NS-Faschismus war. Der Adel in seiner Mehrheit, auch das ist ein deutsches Tabu, war nicht etwa antifaschistisch oder »nur« Mitläufer, sondern konstitutiv für den deutschen Faschismus. Das gilt auch für die Mehrheit der adligen »Helden« vom 20. Juli 1944. Das Attentat auf Hitler wurde erst versucht, als klar war, der Krieg würde verloren gehen, also erneuter Macht- und Eigentumsverlust wie 1918 drohte. Um die Verhandlungssituation mit den Alliierten zu verbessern und zu retten, was immer möglich war, galt es, sich vom System, das man selbst mit geschaffen hatte, abzusetzen.

    Das sind offensichtlich die härtesten Tabus von allen.






    Veranstaltungen mit Jutta Ditfurth:

    Sa, 15.3., Leipziger Buchmesse, 19 Uhr, im Gespräch mit Christhard Läpple (ZDF): »Der Baron, die Juden und die Nazis«, Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus e.V.;

    So., 16.3, Leipziger Buchmesse, 12 Uhr, Jutta Ditfurth im Gespräch mit Michael Mäde am junge Welt-Stand auf der Leipziger Buchmesse (Halle 5, Stand F 304)

    So, 16.3., Leipziger Buchmesse, 13 Uhr, im Gespräch mit Olaf Koppe, Neues Deutschland, Stand: Halle 5, D 404; Mo, 17.3., 20 Uhr, Leipzig, beim »Leipziger Gespräch …«, Mediencampus Villa Ida.

    Lesung mit Bildern und Diskussion: »Der Baron, die Juden und die Nazis«:

    Di, 18.3., 19 Uhr, Chemnitz, Villa Esche; Mi, 19.3., 19 Uhr, Kahla, Rathaus; Do, 20.3., 19 Uhr, Schmalkalden, Historisches Rathaus; Fr, 21.3., 19 Uhr, Suhl,Volkshochschule.



    Mehr Infos: www.jutta-ditfurth.de

    jw

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