Hamburger Filz
Linkspartei sieht riesigen Skandal bei Privatisierungswelle städtischer Gebäude im Jahr 2006. Verdacht: »Plünderung öffentlichen Eigentums«
Von Florian Osuch
In Hamburg erhebt die Fraktion Die Linke in der Bürgerschaft schwere Vorwürfe gegen die ehemalige Landesregierung unter Ole von Beust (CDU). Im Rahmen einer Privatisierungswelle in den Jahren 2006 bis 2008 sollen dubiose Immobiliengeschäfte abgewickelt worden sein. Norbert Hackbusch, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, sprach gegenüber junge Welt davon, daß »planmäßig öffentliches Eigentum geplündert« worden sei. Es geht um die Veräußerung von insgesamt 187 landeseigenen Liegenschaften, darunter auch Gebäude aus dem obersten Preissegment. Viele Immobilien wurden nach dem Verkauf umgehend von der Stadt wieder angemietet. So behielten etwa die Behörden für Finanzen, Justiz, Wirtschaft und Arbeit sowie für Stadtentwicklung und Umwelt ihre Büros. Veräußert wurden auch Gerichtsgebäude und Rathäuser der Hamburger Bezirke. Die Verträge enthalten teilweise Bedingungen zum großen Nachteil für den Mieter, die Hansestadt.
Mit dem »Projekt Immobilienmobilisierung« (PRIMO) wollte der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) die »städtischen Immobilienunternehmen sowie den Hamburger Haushalt von immobilienwirtschaftlichen Risiken entlasten«. Mit den Einnahmen erhoffte er sich Geld »zur Finanzierung neuer Investitionen«, ein anderer Teil sollte zur Tilgung von Schulden verwendet werden.
Das PRIMO-Projekt hatte der Hamburger Senat am 5. Juli 2005 beschlossen. Die Gebäude wurden je nach Wert vier Gruppen zugeordnet. In der obersten Klasse dieser Portfolios befanden sich Liegenschaften in exquisiter Lage wie etwa das Finanzamt Hansa in der Steinstraße nahe dem Hauptbahnhof oder die Alte Post nahe der Luxusmeile Jungfernstieg.
Nach Darstellung der Linksfraktion sollen die Geschäfte damals in etwa so abgewickelt worden sein: Zur Bewertung der Portfolios engagierte die Stadt Hamburg externe Berater, die dafür mehrere Millionen Euro Honorar kassiert haben sollen. Die Wirtschaftskanzlei Freshfields und das Bankhaus Warburg sollen nach Auffassung der Linksfraktion einige Immobilien bewußt niedrig geschätzt haben. Nach Angaben der SPD-Fraktion wurden knapp 40 Objekte aus dem obersten Segment der Portfolios I und II im Jahr 2006 für 815,5 Millionen Euro über ein kompliziertes Geflecht an den Konzern Captiva verkauft. Die Mieterbetreuung in Hamburg sollte durch die eigens dafür gegründete Alstria-GmbH erfolgen. Inhaber der Alstria waren wiederum zu gleichen Teilen eine Firma des Captiva-Konsortiums und eine Tochterfirma des Bankhauses Warburg, die zuvor als Berater für die Stadt tätig war. Nachdem die Immobilien aus öffentlicher in private Hand gegangen waren, sollen die »Premiumobjekte« aufgewertet worden sein, was für satte Gewinne bei der Captiva/Alstria gesorgt haben dürfte.
Besonders schwer wiegt dabei, daß die Alstria – im Jahr 2006 gegründet – ein Jahr später als erste Firma in Deutschland in einen »Real-Estate-Investment-Trust« umgewandelt wurde, dem Alstria Office REIT. Diese Gesellschaftsform ist in der Bundesrepublik erst seit dem Jahr 2007 zugelassen und von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer befreit.
Die Linksfraktion bezeichnet die Bewertung der zum Verkauf stehenden Gebäude – und damit auch die Verkaufspreise – sowie die Verträge zur Rückmietung der Immobilien als »äußerst dubios«. So soll vertraglich festgelegt worden sein, daß die Stadt auch für Instandhaltungs- und Reparaturkosten sowie für Modernisierungsmaßnahmen aufkommen müsse. Norbert Hackbusch von der Linksfraktion sagte gegenüber jW weiter: »Durch dieses Geschäft und dann in der Folge durch überhöhte Mieten und andere Punkte der Mietverträge ist der Stadt Hamburg seit 2007 ein riesiger finanzieller Schaden entstanden.«
In der Kritik stehen insbesondere Unternehmer, die die Hansestadt beim Verkauf der Immobilien beraten hatten. Alexander Stuhlmann, Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank in den Jahren 2003 bis 2006, soll der zunächst fast mittellosen »Alstria« einen Kredit in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verschafft haben. Erst so konnte der Immobilienkauf überhaupt abgewickelt werden. Seit dem Jahr 2008 ist Stuhlmann Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Alstria. Ähnlich sein Stellvertreter im Alstria-Aufsichtsrat, Johannes Conradi. Er ist zugleich Partner der bereits erwähnten Bewertungsgesellschaft Freshfields.
jw
Linkspartei sieht riesigen Skandal bei Privatisierungswelle städtischer Gebäude im Jahr 2006. Verdacht: »Plünderung öffentlichen Eigentums«
Von Florian Osuch
In Hamburg erhebt die Fraktion Die Linke in der Bürgerschaft schwere Vorwürfe gegen die ehemalige Landesregierung unter Ole von Beust (CDU). Im Rahmen einer Privatisierungswelle in den Jahren 2006 bis 2008 sollen dubiose Immobiliengeschäfte abgewickelt worden sein. Norbert Hackbusch, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion, sprach gegenüber junge Welt davon, daß »planmäßig öffentliches Eigentum geplündert« worden sei. Es geht um die Veräußerung von insgesamt 187 landeseigenen Liegenschaften, darunter auch Gebäude aus dem obersten Preissegment. Viele Immobilien wurden nach dem Verkauf umgehend von der Stadt wieder angemietet. So behielten etwa die Behörden für Finanzen, Justiz, Wirtschaft und Arbeit sowie für Stadtentwicklung und Umwelt ihre Büros. Veräußert wurden auch Gerichtsgebäude und Rathäuser der Hamburger Bezirke. Die Verträge enthalten teilweise Bedingungen zum großen Nachteil für den Mieter, die Hansestadt.
Mit dem »Projekt Immobilienmobilisierung« (PRIMO) wollte der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) die »städtischen Immobilienunternehmen sowie den Hamburger Haushalt von immobilienwirtschaftlichen Risiken entlasten«. Mit den Einnahmen erhoffte er sich Geld »zur Finanzierung neuer Investitionen«, ein anderer Teil sollte zur Tilgung von Schulden verwendet werden.
Das PRIMO-Projekt hatte der Hamburger Senat am 5. Juli 2005 beschlossen. Die Gebäude wurden je nach Wert vier Gruppen zugeordnet. In der obersten Klasse dieser Portfolios befanden sich Liegenschaften in exquisiter Lage wie etwa das Finanzamt Hansa in der Steinstraße nahe dem Hauptbahnhof oder die Alte Post nahe der Luxusmeile Jungfernstieg.
Nach Darstellung der Linksfraktion sollen die Geschäfte damals in etwa so abgewickelt worden sein: Zur Bewertung der Portfolios engagierte die Stadt Hamburg externe Berater, die dafür mehrere Millionen Euro Honorar kassiert haben sollen. Die Wirtschaftskanzlei Freshfields und das Bankhaus Warburg sollen nach Auffassung der Linksfraktion einige Immobilien bewußt niedrig geschätzt haben. Nach Angaben der SPD-Fraktion wurden knapp 40 Objekte aus dem obersten Segment der Portfolios I und II im Jahr 2006 für 815,5 Millionen Euro über ein kompliziertes Geflecht an den Konzern Captiva verkauft. Die Mieterbetreuung in Hamburg sollte durch die eigens dafür gegründete Alstria-GmbH erfolgen. Inhaber der Alstria waren wiederum zu gleichen Teilen eine Firma des Captiva-Konsortiums und eine Tochterfirma des Bankhauses Warburg, die zuvor als Berater für die Stadt tätig war. Nachdem die Immobilien aus öffentlicher in private Hand gegangen waren, sollen die »Premiumobjekte« aufgewertet worden sein, was für satte Gewinne bei der Captiva/Alstria gesorgt haben dürfte.
Besonders schwer wiegt dabei, daß die Alstria – im Jahr 2006 gegründet – ein Jahr später als erste Firma in Deutschland in einen »Real-Estate-Investment-Trust« umgewandelt wurde, dem Alstria Office REIT. Diese Gesellschaftsform ist in der Bundesrepublik erst seit dem Jahr 2007 zugelassen und von der Körperschafts- und der Gewerbesteuer befreit.
Die Linksfraktion bezeichnet die Bewertung der zum Verkauf stehenden Gebäude – und damit auch die Verkaufspreise – sowie die Verträge zur Rückmietung der Immobilien als »äußerst dubios«. So soll vertraglich festgelegt worden sein, daß die Stadt auch für Instandhaltungs- und Reparaturkosten sowie für Modernisierungsmaßnahmen aufkommen müsse. Norbert Hackbusch von der Linksfraktion sagte gegenüber jW weiter: »Durch dieses Geschäft und dann in der Folge durch überhöhte Mieten und andere Punkte der Mietverträge ist der Stadt Hamburg seit 2007 ein riesiger finanzieller Schaden entstanden.«
In der Kritik stehen insbesondere Unternehmer, die die Hansestadt beim Verkauf der Immobilien beraten hatten. Alexander Stuhlmann, Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank in den Jahren 2003 bis 2006, soll der zunächst fast mittellosen »Alstria« einen Kredit in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verschafft haben. Erst so konnte der Immobilienkauf überhaupt abgewickelt werden. Seit dem Jahr 2008 ist Stuhlmann Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Alstria. Ähnlich sein Stellvertreter im Alstria-Aufsichtsrat, Johannes Conradi. Er ist zugleich Partner der bereits erwähnten Bewertungsgesellschaft Freshfields.
jw