Stromsparen entscheidend
Wissenschaftler und Umweltverband präsentieren Fahrplan für »Energiewende«: Mit Steigerung der Effizienz und Senkung des Verbrauchs könnte Bedarf bis 2050 halbiert werden
Von Jana Frielinghaus
Kohlelobbyisten wiederholen es gebetsmühlenartig: Der Atomausstieg sei nicht ohne jahrzehntelang fortgesetzte Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern machbar. Studien belegen seit Jahren das Gegenteil. Am Dienstag meldeten sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) in Sachen Energiewende zu Wort. BUND-Chef Hubert Weiger, der Ökonom Peter Hennicke und der VDW-Vorsitzende Ulrich Bartosch stellten in Berlin einen »Energiewendefahrplan« vor. Wichtigste Maßnahmen wären danach eine drastische und flächendeckende, staatlich koordinierte Steigerung der Effizienz von Produktionsanlagen aller Art einerseits und »entschlossenes Energiesparen« andererseits. Zugleich müsse der Ausbau der Kapazitäten zur Nutzung erneuerbarer Energieträger ungebremst weitergehen, forderte Weiger.
Im Fahrplan, der am 3. April auch als Buch veröffentlicht wird, legen 13 Autoren dar, daß allein durch Effizienzverbesserungen und Sparmaßnahmen bis »Mitte dieses Jahrhunderts« der Energiebedarf »etwa um die Hälfte« reduziert werden könnte. Daß dies keineswegs utopisch ist, zeigt die Tatsache, daß die Reduktion des Primärenergiebedarfs um 50 Prozent bis zum Jahr 2050 bereits 2010 im Energiekonzept der Koalition von Union und FDP als Ziel formuliert war.
Das Energiesparen ist nach Ansicht von Prof. Peter Hennicke, bis Anfang 2008 Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht wünschenswert, sondern auch zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele unabdingbar. Bis 2020 will die Bundesrepublik ihren Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 40 Prozent reduzieren.
Hennicke nannte Beispiele für die Potentiale von Effizienzsteigerung und Verbrauchssenkung: Die energetische Sanierung von nur zehn Prozent aller Schulen in der BRD inklusive Umstellung auf Eigenversorgung mit in Photovoltaikanlagen gewonnenem Strom mache zwei Atomkraftwerke überflüssig, betonte der Ökonom.
Ulrich Bartosch forderte die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für die Energiespar- und effizienzpolitik. Erforderlich sei u.a. die dauerhafte Bereitstellung von Mitteln für Maßnahmen wie energetische Gebäudesanierung, Einsatz effizienter Beleuchtungsanlagen in Industrie und Gewerbe und eine flächendeckende Stromsparberatung insbesondere für einkommensschwache Haushalte.
Nach Auffassung von Weiger gefährden die bisherigen Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Wende: Die geplante »Deckelung« bei entsprechenden Investitionen verhindere »mehr Klimaschutz und verschreckt private Investoren«.
Hennicke sieht in der Energiewende das »wichtigste Gemeinschaftswerk der deutschen Nachkriegsgeschichte«, mit dem die Gesellschaft von den »enormen Risiken entlastet« würde, die von der Nutzung der Atomenergie, dem Klimawandel und der wachsenden globalen Konkurrenz um Rohstoffe ausgehen. Auf nationaler Ebene in Angriff genommen, könne sie eine »weltweite Signalwirkung für mehr Klima- und Ressourcenschutz haben«.
Ulrich Bartosch forderte die Einbeziehung der »Bereiche Wärme und Verkehr« in ein umfassendes Konzept. Nötig seien Weichenstellungen für eine »möglichst dezentrale Stromerzeugung« in Bürgerhand. Darüber hinaus müsse auf EU-Ebene ein Emissionshandel geschaffen werden, »der seinen Namen auch verdient«. Nur dadurch könne der erneute Boom bei der Nutzung fossiler Energieträger gestoppt werden, so Hubert Weiger.
Ulrich Bartosch, Peter Hennicke, Hubert Weiger (Hrsg.): Gemeinschaftsprojekt Energiewende. oekom Verlag, München 2014, 110 Seiten, 14,95 Euro
Am 22. März finden in sieben Städten Demonstrationen unter dem Motto »Energiewende retten!« statt. Infos: www.energiewende-demo.de
jw
Wissenschaftler und Umweltverband präsentieren Fahrplan für »Energiewende«: Mit Steigerung der Effizienz und Senkung des Verbrauchs könnte Bedarf bis 2050 halbiert werden
Von Jana Frielinghaus
Kohlelobbyisten wiederholen es gebetsmühlenartig: Der Atomausstieg sei nicht ohne jahrzehntelang fortgesetzte Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern machbar. Studien belegen seit Jahren das Gegenteil. Am Dienstag meldeten sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) in Sachen Energiewende zu Wort. BUND-Chef Hubert Weiger, der Ökonom Peter Hennicke und der VDW-Vorsitzende Ulrich Bartosch stellten in Berlin einen »Energiewendefahrplan« vor. Wichtigste Maßnahmen wären danach eine drastische und flächendeckende, staatlich koordinierte Steigerung der Effizienz von Produktionsanlagen aller Art einerseits und »entschlossenes Energiesparen« andererseits. Zugleich müsse der Ausbau der Kapazitäten zur Nutzung erneuerbarer Energieträger ungebremst weitergehen, forderte Weiger.
Im Fahrplan, der am 3. April auch als Buch veröffentlicht wird, legen 13 Autoren dar, daß allein durch Effizienzverbesserungen und Sparmaßnahmen bis »Mitte dieses Jahrhunderts« der Energiebedarf »etwa um die Hälfte« reduziert werden könnte. Daß dies keineswegs utopisch ist, zeigt die Tatsache, daß die Reduktion des Primärenergiebedarfs um 50 Prozent bis zum Jahr 2050 bereits 2010 im Energiekonzept der Koalition von Union und FDP als Ziel formuliert war.
Das Energiesparen ist nach Ansicht von Prof. Peter Hennicke, bis Anfang 2008 Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht wünschenswert, sondern auch zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele unabdingbar. Bis 2020 will die Bundesrepublik ihren Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 40 Prozent reduzieren.
Hennicke nannte Beispiele für die Potentiale von Effizienzsteigerung und Verbrauchssenkung: Die energetische Sanierung von nur zehn Prozent aller Schulen in der BRD inklusive Umstellung auf Eigenversorgung mit in Photovoltaikanlagen gewonnenem Strom mache zwei Atomkraftwerke überflüssig, betonte der Ökonom.
Ulrich Bartosch forderte die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für die Energiespar- und effizienzpolitik. Erforderlich sei u.a. die dauerhafte Bereitstellung von Mitteln für Maßnahmen wie energetische Gebäudesanierung, Einsatz effizienter Beleuchtungsanlagen in Industrie und Gewerbe und eine flächendeckende Stromsparberatung insbesondere für einkommensschwache Haushalte.
Nach Auffassung von Weiger gefährden die bisherigen Pläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Wende: Die geplante »Deckelung« bei entsprechenden Investitionen verhindere »mehr Klimaschutz und verschreckt private Investoren«.
Hennicke sieht in der Energiewende das »wichtigste Gemeinschaftswerk der deutschen Nachkriegsgeschichte«, mit dem die Gesellschaft von den »enormen Risiken entlastet« würde, die von der Nutzung der Atomenergie, dem Klimawandel und der wachsenden globalen Konkurrenz um Rohstoffe ausgehen. Auf nationaler Ebene in Angriff genommen, könne sie eine »weltweite Signalwirkung für mehr Klima- und Ressourcenschutz haben«.
Ulrich Bartosch forderte die Einbeziehung der »Bereiche Wärme und Verkehr« in ein umfassendes Konzept. Nötig seien Weichenstellungen für eine »möglichst dezentrale Stromerzeugung« in Bürgerhand. Darüber hinaus müsse auf EU-Ebene ein Emissionshandel geschaffen werden, »der seinen Namen auch verdient«. Nur dadurch könne der erneute Boom bei der Nutzung fossiler Energieträger gestoppt werden, so Hubert Weiger.
Ulrich Bartosch, Peter Hennicke, Hubert Weiger (Hrsg.): Gemeinschaftsprojekt Energiewende. oekom Verlag, München 2014, 110 Seiten, 14,95 Euro
Am 22. März finden in sieben Städten Demonstrationen unter dem Motto »Energiewende retten!« statt. Infos: www.energiewende-demo.de
jw