Waffendealer schweigt
NSU-Prozeß: Polizist referiert Aussagen des Händlers, der dem Mordtrio Pistole verkauft haben soll. Verteidiger wirft Beamten Fehler bei Vernehmung vor
Von Claudia Wangerin, München
Auf eine Vernehmung durch die Polizei schien sich der Verkäufer der mutmaßlichen Tatwaffe in neun dem »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) angelasteten Mordfällen schlecht vorbereitet zu haben. Der frühere Jenaer Szeneladenbetreiber Andreas Schultz wollte die eigentliche Beschaffung der Ceska-Pistole zunächst auf »Jugos« oder »Kanaken« schieben. An deren Adresse habe er den Neonazi Ralf Wohlleben lediglich verwiesen, als dieser ihn im Frühjahr 1999 oder 2000 nach einer »scharfen Waffe« gefragt habe. Dies gab am Dienstag im Prozeß um die neofaschistische Terrorgruppe einer der Vernehmungsbeamten wieder.
Schultz selbst hatte es vorgezogen, als Zeuge vor dem Oberlandesgericht München die Aussage zu verweigern. Vor den Polizeibeamten und Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten hatte er laut Protokoll schließlich doch zugegeben, er habe »denen die Scheißknarre besorgt«. Der Staatsanwalt hatte ihn zuvor mit der Möglichkeit konfrontiert, daß auch Wohlleben irgendwann aussagen und seiner Version widersprechen könnte. Aber auch im weiteren Verlauf der Vernehmung wirkte Schultz auf den Thüringer Kriminalbeamten nur bedingt glaubwürdig. So hatte er einerseits beteuert, nur einmal in seinem Leben eine scharfe Waffe verkauft zu haben – was nach Einschätzung des Polizisten dafür spräche, daß er sich gut an Details erinnern können müsse. Schultz habe sich aber auf Erinnerungslücken berufen.
Laut Protokoll und nach Aussage des Polizeizeugen konnte sich Schultz aber zumindest genau erinnern, daß die Angeklagten Wohlleben und Carsten S. zusammen in den Laden gekommen seien, um erstmals nach der Waffe zu fragen. Seiner Erinnerung nach 1999 oder 2000 – auf jeden Fall aber im Frühjahr. Wohlleben habe das Geschäft »eingefädelt«, zum zweiten Gespräch sei dann nur noch der Abholer erschienen: Carsten S., damals noch heranwachsend und inzwischen der einzige von fünf Angeklagten, der vor Gericht Fragen zu den Tatvorwürfen beantwortet hat. Dabei hatte S. Wohlleben und sich selbst schwer belastet. S. will aber den Verwendungszweck der Waffe nicht gekannt haben – und Wohlleben schweigt.
Schultz wiederum hat sich nach Aussage des Polizeibeamten als »erlebnisorientierter Skin« dargestellt, der mit dem »Politscheiß« nichts zu tun haben wolle. Wohlleben und dessen Kameraden hätten ihm vorgeworfen, den Szeneladen nur aus kommerziellen Gründen zu betreiben.
Die polizeiliche Vernehmung von Schultz versuchte Wohllebens Verteidigung am Dienstag nach allen Regeln der Kunst zu zerpflücken. Angefangen mit der Frage, ob Schultz darüber aufgeklärt worden sei, daß ihn niemand hätte zwingen können, nach der Hausdurchsuchung mit auf die Dienststelle zu kommen. Dies konnte der Kriminalbeamte nicht eindeutig beantworten. Er wußte nur noch zu berichten, daß Schultz ohne Protest mitgekommen sei.
Darüber hinaus wollte Wohllebens Anwalt Olaf Klemke wissen, warum nicht genauer nachgefragt worden sei, als Schultz die von ihm verkaufte Waffe beschrieb und von einem Aufdruck mit »tschechischen oder kyrillischen Buchstaben« sprach. Dem Beamten waren die Unterschiede bewußt – er betonte auch, daß Schultz in der Schule Russisch gelernt habe. Allein die Aussage »tschechisch« habe aber schon einen Aha-Effekt ausgelöst
jw
NSU-Prozeß: Polizist referiert Aussagen des Händlers, der dem Mordtrio Pistole verkauft haben soll. Verteidiger wirft Beamten Fehler bei Vernehmung vor
Von Claudia Wangerin, München
Auf eine Vernehmung durch die Polizei schien sich der Verkäufer der mutmaßlichen Tatwaffe in neun dem »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) angelasteten Mordfällen schlecht vorbereitet zu haben. Der frühere Jenaer Szeneladenbetreiber Andreas Schultz wollte die eigentliche Beschaffung der Ceska-Pistole zunächst auf »Jugos« oder »Kanaken« schieben. An deren Adresse habe er den Neonazi Ralf Wohlleben lediglich verwiesen, als dieser ihn im Frühjahr 1999 oder 2000 nach einer »scharfen Waffe« gefragt habe. Dies gab am Dienstag im Prozeß um die neofaschistische Terrorgruppe einer der Vernehmungsbeamten wieder.
Schultz selbst hatte es vorgezogen, als Zeuge vor dem Oberlandesgericht München die Aussage zu verweigern. Vor den Polizeibeamten und Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten hatte er laut Protokoll schließlich doch zugegeben, er habe »denen die Scheißknarre besorgt«. Der Staatsanwalt hatte ihn zuvor mit der Möglichkeit konfrontiert, daß auch Wohlleben irgendwann aussagen und seiner Version widersprechen könnte. Aber auch im weiteren Verlauf der Vernehmung wirkte Schultz auf den Thüringer Kriminalbeamten nur bedingt glaubwürdig. So hatte er einerseits beteuert, nur einmal in seinem Leben eine scharfe Waffe verkauft zu haben – was nach Einschätzung des Polizisten dafür spräche, daß er sich gut an Details erinnern können müsse. Schultz habe sich aber auf Erinnerungslücken berufen.
Laut Protokoll und nach Aussage des Polizeizeugen konnte sich Schultz aber zumindest genau erinnern, daß die Angeklagten Wohlleben und Carsten S. zusammen in den Laden gekommen seien, um erstmals nach der Waffe zu fragen. Seiner Erinnerung nach 1999 oder 2000 – auf jeden Fall aber im Frühjahr. Wohlleben habe das Geschäft »eingefädelt«, zum zweiten Gespräch sei dann nur noch der Abholer erschienen: Carsten S., damals noch heranwachsend und inzwischen der einzige von fünf Angeklagten, der vor Gericht Fragen zu den Tatvorwürfen beantwortet hat. Dabei hatte S. Wohlleben und sich selbst schwer belastet. S. will aber den Verwendungszweck der Waffe nicht gekannt haben – und Wohlleben schweigt.
Schultz wiederum hat sich nach Aussage des Polizeibeamten als »erlebnisorientierter Skin« dargestellt, der mit dem »Politscheiß« nichts zu tun haben wolle. Wohlleben und dessen Kameraden hätten ihm vorgeworfen, den Szeneladen nur aus kommerziellen Gründen zu betreiben.
Die polizeiliche Vernehmung von Schultz versuchte Wohllebens Verteidigung am Dienstag nach allen Regeln der Kunst zu zerpflücken. Angefangen mit der Frage, ob Schultz darüber aufgeklärt worden sei, daß ihn niemand hätte zwingen können, nach der Hausdurchsuchung mit auf die Dienststelle zu kommen. Dies konnte der Kriminalbeamte nicht eindeutig beantworten. Er wußte nur noch zu berichten, daß Schultz ohne Protest mitgekommen sei.
Darüber hinaus wollte Wohllebens Anwalt Olaf Klemke wissen, warum nicht genauer nachgefragt worden sei, als Schultz die von ihm verkaufte Waffe beschrieb und von einem Aufdruck mit »tschechischen oder kyrillischen Buchstaben« sprach. Dem Beamten waren die Unterschiede bewußt – er betonte auch, daß Schultz in der Schule Russisch gelernt habe. Allein die Aussage »tschechisch« habe aber schon einen Aha-Effekt ausgelöst
jw