Rückkehr ins Elend
Abgeschobene Familien im Kosovo leiden unter Diskriminierung und Armut. Aktivisten berichten über die prekären Lebensverhältnisse der Menschen
Von Gitta Düperthal
Die Situation von aus Deutschland abgeschobenen Roma im Kosovo ist nach wie vor von Armut, Arbeitslosigkeit und Diskriminierung geprägt. Das haben aktuelle Recherchen ergeben, die Aktivisten auf Initiative des Roma Centers Göttingen im Rahmen der Kampagne »Alle Bleiben« vor Ort im Kosovo unternommen haben. »Seitdem die Bundesregierung das Rücknahmeabkommen für die einstigen Kriegsflüchtlinge mit der Regierung des seit 2008 unabhängigen Kosovo im April 2010 unterzeichnet hat, leiden Familien unter den prekären Verhältnissen«, sagte der Vorsitzende des Roma Centers, Kenan Emini, am Sonntag gegenüber junge Welt. Die Gruppe von sechs Leuten – darunter politische Aktivisten, zwei Journalisten und der Anwalt Jan Zürich – habe auf ihrer Mitte des Monats begonnenen Reise verschiedene Familien besucht und »erschütternde Beobachtungen« machen müssen.
Unter anderem bei Familie Shala in Péja, die bis zu ihrer Abschiebung am 7. März 2010 seit 21 Jahren in Deutschland in geordneten Verhältnissen gelebt habe. Im Landkreis Rotenburg/Wümme in Niedersachsen habe der Familienvater Lulzim Shala eine unbefristete Arbeitsstelle gehabt. Nach der Abschiebung habe er im Kosovo keine Arbeit finden können und sehe sich daher außerstande, seine sieben Kinder mit Lebensmitteln und nötigen Medikamenten zu versorgen. Meist müsse sich die Familie von altem Brot und Wasser ernähren. Krankenversicherung oder Unterstützung für Arbeitslose erhalte Shala nicht. Die Familie lebe in beengten Verhältnissen und völlig isoliert, keines der Kinder könne die Schule besuchen. Sobald die Roma-Familie sich auf die Straße wage, müsse sie Beschimpfungen von Nachbarn erdulden. Der 20jährige Sohn Lutfi habe zwar für ein paar Tage in einem Callcenter Arbeit gefunden, sei dort aber von Kollegen bespuckt worden. Sein Chef habe ihm nicht helfen wollen, und Lohn habe er nicht bekommen. Lutfi und einer seiner Brüder brauchen aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung regelmäßig Insulinspritzen – können diese aber nicht bezahlen. Verwandte schicken hin und wieder Medikamente aus Deutschland, schildern die Aktivisten.
Dies ist kein Einzelschicksal, meint Emini. Obendrein seien die aus Deutschland abgeschobenen Roma-Familien vor ihrer Abschiebung in den Kosovo stets von den Behörden belogen worden. Behauptet worden sei, es gäbe in dem Land Organisationen, die sie unterstützten, ein Haus würde ihnen zur Verfügung gestellt. Die Unterstützung im Rahmen des von Deutschland finanzierten »Rückkehrprojektes« URA 2, das eine Reintegration im Kosovo erleichtern soll, habe jedoch keiner der Familien tatsächlich helfen können. Eine langfristige Lebensperspektive zu schaffen, sei offenbar gar nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil, in den meisten Fällen würden Familien gerade einmal mit einer einwöchigen Unterbringung im Hotel versorgt, direkt nach der Ankunft, oder sie erhielten eine Einmalzahlung von 30 Euro.
Überall habe die Gruppe der Rechercheure Leute mit schweren Krankheiten angetroffen, die nicht versorgt würden. Medikamente fehlen, nötige Operationen unterbleiben. Ein sogenannter »interkultureller Einsatzberater« bei der Bundeswehr in Prizren habe auf Nachfrage erklärt, keine medizinische Hilfe bieten zu können, heißt es in einem der im Internet veröffentlichten Berichte: »Sonst würde jeden Tag eine Schlange von einem Kilometer Länge vor dem Tor stehen, das wäre gar nicht leistbar.«
»Wir wollen diese Fälle nun an die Öffentlichkeit bringen und werden weiterhin dafür kämpfen, daß diese Abschiebungen endlich gestoppt werden«, so der Vorsitzende des Roma Centers in Göttingen. »Wir haben allein 600 Mitglieder, die uns aktiv unterstützen.« Bei der bundesweiten »Alle bleiben«-Kampagne wirken viele weitere Organisationen mit, insgesamt bis zu tausend Aktivisten. Am gestrigen Sonntag abend kamen die Aktivisten von ihrer Reise zurück.
www.alle-bleiben.info
jw
Abgeschobene Familien im Kosovo leiden unter Diskriminierung und Armut. Aktivisten berichten über die prekären Lebensverhältnisse der Menschen
Von Gitta Düperthal
Die Situation von aus Deutschland abgeschobenen Roma im Kosovo ist nach wie vor von Armut, Arbeitslosigkeit und Diskriminierung geprägt. Das haben aktuelle Recherchen ergeben, die Aktivisten auf Initiative des Roma Centers Göttingen im Rahmen der Kampagne »Alle Bleiben« vor Ort im Kosovo unternommen haben. »Seitdem die Bundesregierung das Rücknahmeabkommen für die einstigen Kriegsflüchtlinge mit der Regierung des seit 2008 unabhängigen Kosovo im April 2010 unterzeichnet hat, leiden Familien unter den prekären Verhältnissen«, sagte der Vorsitzende des Roma Centers, Kenan Emini, am Sonntag gegenüber junge Welt. Die Gruppe von sechs Leuten – darunter politische Aktivisten, zwei Journalisten und der Anwalt Jan Zürich – habe auf ihrer Mitte des Monats begonnenen Reise verschiedene Familien besucht und »erschütternde Beobachtungen« machen müssen.
Unter anderem bei Familie Shala in Péja, die bis zu ihrer Abschiebung am 7. März 2010 seit 21 Jahren in Deutschland in geordneten Verhältnissen gelebt habe. Im Landkreis Rotenburg/Wümme in Niedersachsen habe der Familienvater Lulzim Shala eine unbefristete Arbeitsstelle gehabt. Nach der Abschiebung habe er im Kosovo keine Arbeit finden können und sehe sich daher außerstande, seine sieben Kinder mit Lebensmitteln und nötigen Medikamenten zu versorgen. Meist müsse sich die Familie von altem Brot und Wasser ernähren. Krankenversicherung oder Unterstützung für Arbeitslose erhalte Shala nicht. Die Familie lebe in beengten Verhältnissen und völlig isoliert, keines der Kinder könne die Schule besuchen. Sobald die Roma-Familie sich auf die Straße wage, müsse sie Beschimpfungen von Nachbarn erdulden. Der 20jährige Sohn Lutfi habe zwar für ein paar Tage in einem Callcenter Arbeit gefunden, sei dort aber von Kollegen bespuckt worden. Sein Chef habe ihm nicht helfen wollen, und Lohn habe er nicht bekommen. Lutfi und einer seiner Brüder brauchen aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung regelmäßig Insulinspritzen – können diese aber nicht bezahlen. Verwandte schicken hin und wieder Medikamente aus Deutschland, schildern die Aktivisten.
Dies ist kein Einzelschicksal, meint Emini. Obendrein seien die aus Deutschland abgeschobenen Roma-Familien vor ihrer Abschiebung in den Kosovo stets von den Behörden belogen worden. Behauptet worden sei, es gäbe in dem Land Organisationen, die sie unterstützten, ein Haus würde ihnen zur Verfügung gestellt. Die Unterstützung im Rahmen des von Deutschland finanzierten »Rückkehrprojektes« URA 2, das eine Reintegration im Kosovo erleichtern soll, habe jedoch keiner der Familien tatsächlich helfen können. Eine langfristige Lebensperspektive zu schaffen, sei offenbar gar nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil, in den meisten Fällen würden Familien gerade einmal mit einer einwöchigen Unterbringung im Hotel versorgt, direkt nach der Ankunft, oder sie erhielten eine Einmalzahlung von 30 Euro.
Überall habe die Gruppe der Rechercheure Leute mit schweren Krankheiten angetroffen, die nicht versorgt würden. Medikamente fehlen, nötige Operationen unterbleiben. Ein sogenannter »interkultureller Einsatzberater« bei der Bundeswehr in Prizren habe auf Nachfrage erklärt, keine medizinische Hilfe bieten zu können, heißt es in einem der im Internet veröffentlichten Berichte: »Sonst würde jeden Tag eine Schlange von einem Kilometer Länge vor dem Tor stehen, das wäre gar nicht leistbar.«
»Wir wollen diese Fälle nun an die Öffentlichkeit bringen und werden weiterhin dafür kämpfen, daß diese Abschiebungen endlich gestoppt werden«, so der Vorsitzende des Roma Centers in Göttingen. »Wir haben allein 600 Mitglieder, die uns aktiv unterstützen.« Bei der bundesweiten »Alle bleiben«-Kampagne wirken viele weitere Organisationen mit, insgesamt bis zu tausend Aktivisten. Am gestrigen Sonntag abend kamen die Aktivisten von ihrer Reise zurück.
www.alle-bleiben.info
jw