»Die Stadt Düsseldorf setzt auf Verdrängung«
Proteste verhinderten die für gestern angesetzte Räumung von Flüchtlingshäusern. Ein Gespräch mit Mischa Aschmoneit
Interview: Markus Bernhardt
Mischa Aschmoneit ist Sprecher der antikapitalistischen Gruppe »see red! Interventionistische Linke Düsseldorf«
Am gestrigen Donnerstag sollten in Düsseldorf Flüchtlinge mit Zwang aus ihren Häusern geräumt und in eine Sammelunterkunft gebracht werden. Wie ist der aktuelle Stand?
Vier Familien mit insgesamt 22 Kindern hatten als zynisches Weihnachtsgeschenk der Stadt Düsseldorf die Ordnungsverfügung erhalten, daß sie bis gestern 8.00 Uhr ihre Häuser verlassen und in eine Sammelunterkunft umziehen sollten. Andere Familien hatten die Häuser schon vor diesem Termin »freiwillig« verlassen. Auf einer Protestkundgebung gestern Morgen verkündete Sozialamtsleiter Roland Buschhausen jedoch überraschend die Aufhebung der Verfügung. Die Flüchtlinge können also doch bleiben.
Wie kam es zu diesem Meinungswechsel?
Das haben verschiedene Akteure gemeinsam erreicht. Da sind zunächst diejenigen Flüchtlinge zu nennen, die sich nicht einschüchtern ließen, die im Kontakt mit fortschrittlichen Sozialarbeitern, der Flüchtlingsinitiative »STAY« und dem »Bündnis für bezahlbaren Wohnraum« den Schritt an die Öffentlichkeit wagten. Bedeutsam war auch die weitgehend sachliche überregionale Berichterstattung. Das Düsseldorfer Straßenmagazin fiftyfifty schaltete sich ebenfalls ein, und wir denken, daß unser eigener Ansatz, Aktionen auch gegen den persönlich verantwortlichen Sozialamtsleiter vorzubereiten, nicht ganz unwichtig war.
Warum sollten die Flüchtlinge überhaupt aus ihren Wohnungen vertrieben werden?
Düsseldorf ist eine reiche Stadt, in der aber viele Menschen mit wenig Geld leben. Die Stadtverwaltung setzt auf Verdrängung – wer arm ist, soll raus. Es gibt immer weniger Wohnungen im Besitz der öffentlichen Hand, aber ständig steigende Mieten. In dieser Situation kündigte ein privater Vermieter rund 40 Obdachlosen, die von der Stadt bei ihm untergebracht waren. Sie sollten im Winter auf die Straße gesetzt werden, wogegen das »Bündnis für bezahlbaren Wohnraum« erfolgreich protestiert hat.
Die Stadt begann dann aber ein infames Spiel, indem sie erklärte, daß angesichts des Mangels an Wohnraum 13 Flüchtlingsfamilien mit 37 Kindern ihre Häuser für die Obdachlosen räumen sollten. Buschhausen begründete das damit, daß die Flüchtlinge ja eh nicht lange bleiben dürften, somit wäre es auch egal, wo sie untergebracht seien. Alles in allem also ein Musterbeispiel von Sozialchauvinismus mit rassistischer Komponente!
Wie geht es mit den Obdachlosen jetzt weiter?
Bereits am Mittwoch hatte fiftyfifty ein leerstehendes Gebäude der katholischen Kirche als neue Unterbringung für Wohnungslose ins Spiel gebracht, seitens des Stadtdechanten Monsignore Rolf Steinhäuser gab es positive Signale. Buschhausen hat seinerseits zugesichert, daß die Stadt finanzielle und personelle Hilfe leistet.
Wenn alles klappt, gibt es eine Lösung: die Obdachlosen können in dieses Haus einziehen und die Flüchtlinge in ihren Häusern bleiben. Uns ist wichtig, daß die Familien, die dem Druck nicht standgehalten haben und »freiwillig« in eine Sammelunterkunft gezogen sind, wieder zurück in ihre vertraute Umgebung können. Jetzt leben sie in einer ehemaligen Schule ohne Privatsphäre, dort sind die Sanitäranlagen in Containern auf dem Hof untergebracht.
Also haben Sie einen Erfolg errungen?
Zumindest einen Teilerfolg. Das gemeinsame Handeln hat für die unmittelbar Betroffenen eine konkrete Verbesserung gebracht beziehungsweise Schlechteres verhindert. Wir hoffen, daß dieses Beispiel andere ermutigt, ebenfalls solidarisch zu kämpfen. Zugleich wissen wir um die Begrenztheit dieses gemeinsamen Erfolges, der beispielsweise von der angekündigten Abschiebung einiger Flüchtlinge bedroht wird.
Die Probleme des Rassismus einerseits und der steigenden Mieten und der damit einhergehenden Verdrängung andererseits sind im Kapitalismus nicht zu lösen. Als antikapitalistische Organisation zielen wir daher darauf, die Eigentums- und Machtfrage zu stellen und mit dem Kapitalismus zu brechen.
anti-kapitalismus.org
jw
Proteste verhinderten die für gestern angesetzte Räumung von Flüchtlingshäusern. Ein Gespräch mit Mischa Aschmoneit
Interview: Markus Bernhardt
Mischa Aschmoneit ist Sprecher der antikapitalistischen Gruppe »see red! Interventionistische Linke Düsseldorf«
Am gestrigen Donnerstag sollten in Düsseldorf Flüchtlinge mit Zwang aus ihren Häusern geräumt und in eine Sammelunterkunft gebracht werden. Wie ist der aktuelle Stand?
Vier Familien mit insgesamt 22 Kindern hatten als zynisches Weihnachtsgeschenk der Stadt Düsseldorf die Ordnungsverfügung erhalten, daß sie bis gestern 8.00 Uhr ihre Häuser verlassen und in eine Sammelunterkunft umziehen sollten. Andere Familien hatten die Häuser schon vor diesem Termin »freiwillig« verlassen. Auf einer Protestkundgebung gestern Morgen verkündete Sozialamtsleiter Roland Buschhausen jedoch überraschend die Aufhebung der Verfügung. Die Flüchtlinge können also doch bleiben.
Wie kam es zu diesem Meinungswechsel?
Das haben verschiedene Akteure gemeinsam erreicht. Da sind zunächst diejenigen Flüchtlinge zu nennen, die sich nicht einschüchtern ließen, die im Kontakt mit fortschrittlichen Sozialarbeitern, der Flüchtlingsinitiative »STAY« und dem »Bündnis für bezahlbaren Wohnraum« den Schritt an die Öffentlichkeit wagten. Bedeutsam war auch die weitgehend sachliche überregionale Berichterstattung. Das Düsseldorfer Straßenmagazin fiftyfifty schaltete sich ebenfalls ein, und wir denken, daß unser eigener Ansatz, Aktionen auch gegen den persönlich verantwortlichen Sozialamtsleiter vorzubereiten, nicht ganz unwichtig war.
Warum sollten die Flüchtlinge überhaupt aus ihren Wohnungen vertrieben werden?
Düsseldorf ist eine reiche Stadt, in der aber viele Menschen mit wenig Geld leben. Die Stadtverwaltung setzt auf Verdrängung – wer arm ist, soll raus. Es gibt immer weniger Wohnungen im Besitz der öffentlichen Hand, aber ständig steigende Mieten. In dieser Situation kündigte ein privater Vermieter rund 40 Obdachlosen, die von der Stadt bei ihm untergebracht waren. Sie sollten im Winter auf die Straße gesetzt werden, wogegen das »Bündnis für bezahlbaren Wohnraum« erfolgreich protestiert hat.
Die Stadt begann dann aber ein infames Spiel, indem sie erklärte, daß angesichts des Mangels an Wohnraum 13 Flüchtlingsfamilien mit 37 Kindern ihre Häuser für die Obdachlosen räumen sollten. Buschhausen begründete das damit, daß die Flüchtlinge ja eh nicht lange bleiben dürften, somit wäre es auch egal, wo sie untergebracht seien. Alles in allem also ein Musterbeispiel von Sozialchauvinismus mit rassistischer Komponente!
Wie geht es mit den Obdachlosen jetzt weiter?
Bereits am Mittwoch hatte fiftyfifty ein leerstehendes Gebäude der katholischen Kirche als neue Unterbringung für Wohnungslose ins Spiel gebracht, seitens des Stadtdechanten Monsignore Rolf Steinhäuser gab es positive Signale. Buschhausen hat seinerseits zugesichert, daß die Stadt finanzielle und personelle Hilfe leistet.
Wenn alles klappt, gibt es eine Lösung: die Obdachlosen können in dieses Haus einziehen und die Flüchtlinge in ihren Häusern bleiben. Uns ist wichtig, daß die Familien, die dem Druck nicht standgehalten haben und »freiwillig« in eine Sammelunterkunft gezogen sind, wieder zurück in ihre vertraute Umgebung können. Jetzt leben sie in einer ehemaligen Schule ohne Privatsphäre, dort sind die Sanitäranlagen in Containern auf dem Hof untergebracht.
Also haben Sie einen Erfolg errungen?
Zumindest einen Teilerfolg. Das gemeinsame Handeln hat für die unmittelbar Betroffenen eine konkrete Verbesserung gebracht beziehungsweise Schlechteres verhindert. Wir hoffen, daß dieses Beispiel andere ermutigt, ebenfalls solidarisch zu kämpfen. Zugleich wissen wir um die Begrenztheit dieses gemeinsamen Erfolges, der beispielsweise von der angekündigten Abschiebung einiger Flüchtlinge bedroht wird.
Die Probleme des Rassismus einerseits und der steigenden Mieten und der damit einhergehenden Verdrängung andererseits sind im Kapitalismus nicht zu lösen. Als antikapitalistische Organisation zielen wir daher darauf, die Eigentums- und Machtfrage zu stellen und mit dem Kapitalismus zu brechen.
anti-kapitalismus.org
jw