Auf die harte Tour
Polizeigewalt: In Sachsen-Anhalt steht ein Beamter wegen Körperverletzung vor Gericht. Im Saarland trainierten Einheiten rabiates Vorgehen gegen Blockupy-Aktivisten
Von Susan Bonath
Sachsen-Anhalts CDU-SPD-Regierung debattierte in den vergangenen Tagen über »zunehmende Gewalt gegen Polizisten«. Vom umgekehrten Fall wollte sie indes nichts wissen. Obwohl am Amtsgericht Halle gerade ein Fall von Polizeigewalt verhandelt wird. Ein Beamter muß sich wegen Körperverletzung im Dienst verantworten. Im August 2012 soll er am Rande einer NPD-Kundgebung in der Saalestadt einen friedlichen Gegendemonstranten mit einem Tritt in den Genitalbereich schwer verletzt haben (junge Welt berichtete). Wie sein Rechtsanwalt Sven Adam am Mittwoch gegenüber jW bestätigte, hat der heute 25jährige Student nach einer Notoperation bleibende Schäden davongetragen.
Die Aussagen von Angeklagtem und Opfer könnten unterschiedlicher kaum sein: Der 28jährige Beamte Daniel K. wies beim Prozeßauftakt am Dienstag alle Vorwürfe von sich. Weder habe er den Mann getreten noch geschlagen, behauptete er. Einzig »am Arm gepackt« habe der Polizist den Studenten, als dieser »eine Polizeisperre durchbrechen wollte«. Wie das Opfer zu den lebensbedrohlichen Verletzungen kam, wisse der Beamte nicht. »Aus allen Wolken gefallen« sei K., als er von der Anklage erfahren habe. Ganz anders sieht das der Geschädigte: Er habe während des Protestes friedlich an der Wegstrecke des NPD-Zuges gestanden, als der Polizist plötzlich auf ihn zugestürzt sei. An den Tritt selbst erinnere er sich nicht. Er wisse nur, »daß ich dann unglaubliche Schmerzen hatte«. Der Polizist sei von Zeugen bei »einer Beinbewegung in Richtung des Opfers« beobachtet und identifiziert worden, wie Adam jW sagte. Es gebe Fotos, und auch die medizinischen Befunde sprechen für sich.
Lange hat es gedauert, den Fall vor Gericht zu bringen. Die Staatsanwaltschaft hatte erste Ermittlungen im April 2013 eingestellt. Erst nach einem Einspruch des Opferanwalts erhob sie im Oktober dann doch Anklage. Plötzlich wurde auch das Verwaltungsgericht in Halle tätig: Es holte eine weitere Klage des Geschädigten aus der Schublade. Mit dieser will er laut Adam feststellen lassen, »daß der Polizeieinsatz völlig unverhältnismäßig war«. Dieses Verfahren liegt derzeit allerdings erneut auf Eis. Die Verwaltungsrichter wollen den Strafprozeß abwarten. »Sie haben aber bereits deutlich gemacht, daß die vorliegenden Fakten einen anderen Täter als den Polizisten ausschließen lassen«, sagte Ronja Schlemme vom Bündnis »Halle gegen rechts« auf jW-Nachfrage.
Ein Urteil wollen die Amtsrichter voraussichtlich am 31. März fällen. Am Dienstag hörten sie elf Zeugen an, weitere sollen am 11. März befragt werden. »Die Liste ist noch lang«, blickte Schlemme voraus. Sie hofft darauf, daß die Umstände der Gewaltattacke »schonungslos aufgeklärt werden«. Die Urteilsverkündung will das Bündnis mit Protest begleiten. Die Aktion vor dem Amtsgericht steht unter dem Motto »Zivilcourage gegen Polizeigewalt«.
Daß Fäuste und Schlagstöcke bei Polizisten zuweilen recht locker sitzen und auch friedliche Demonstranten schon mal stundenlang in Polizeikesseln landen, zeigen etwa die »Blockupy«-Proteste in Frankfurt am Main. Für 2014 hat die Polizei die harte Gangart schon mal trainiert, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) jetzt belegt. Aus dieser geht hervor, daß eine deutsch-französische Polizeiübung im Oktober im Saarland explizit darauf abzielte, gegen Blockupy-Aktivisten vorzugehen. Daran beteiligt waren jeweils eine Hundertschaft der Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) sowie der Gendarmerie mobile. Diese Einheiten seien für besonders rabiate Einsätze bekannt, kritisierte Jelpke am Mittwoch. Die Gendarmerie verfüge zudem über feste Verbindungen zum Militär. »Das ist ungeheuerlich«, findet die Bundestagsabgeordnete. So werde das Demonstrationsrecht durch »gezielte Brutalisierung der Polizei« eingeschränkt.
jw
Polizeigewalt: In Sachsen-Anhalt steht ein Beamter wegen Körperverletzung vor Gericht. Im Saarland trainierten Einheiten rabiates Vorgehen gegen Blockupy-Aktivisten
Von Susan Bonath
Sachsen-Anhalts CDU-SPD-Regierung debattierte in den vergangenen Tagen über »zunehmende Gewalt gegen Polizisten«. Vom umgekehrten Fall wollte sie indes nichts wissen. Obwohl am Amtsgericht Halle gerade ein Fall von Polizeigewalt verhandelt wird. Ein Beamter muß sich wegen Körperverletzung im Dienst verantworten. Im August 2012 soll er am Rande einer NPD-Kundgebung in der Saalestadt einen friedlichen Gegendemonstranten mit einem Tritt in den Genitalbereich schwer verletzt haben (junge Welt berichtete). Wie sein Rechtsanwalt Sven Adam am Mittwoch gegenüber jW bestätigte, hat der heute 25jährige Student nach einer Notoperation bleibende Schäden davongetragen.
Die Aussagen von Angeklagtem und Opfer könnten unterschiedlicher kaum sein: Der 28jährige Beamte Daniel K. wies beim Prozeßauftakt am Dienstag alle Vorwürfe von sich. Weder habe er den Mann getreten noch geschlagen, behauptete er. Einzig »am Arm gepackt« habe der Polizist den Studenten, als dieser »eine Polizeisperre durchbrechen wollte«. Wie das Opfer zu den lebensbedrohlichen Verletzungen kam, wisse der Beamte nicht. »Aus allen Wolken gefallen« sei K., als er von der Anklage erfahren habe. Ganz anders sieht das der Geschädigte: Er habe während des Protestes friedlich an der Wegstrecke des NPD-Zuges gestanden, als der Polizist plötzlich auf ihn zugestürzt sei. An den Tritt selbst erinnere er sich nicht. Er wisse nur, »daß ich dann unglaubliche Schmerzen hatte«. Der Polizist sei von Zeugen bei »einer Beinbewegung in Richtung des Opfers« beobachtet und identifiziert worden, wie Adam jW sagte. Es gebe Fotos, und auch die medizinischen Befunde sprechen für sich.
Lange hat es gedauert, den Fall vor Gericht zu bringen. Die Staatsanwaltschaft hatte erste Ermittlungen im April 2013 eingestellt. Erst nach einem Einspruch des Opferanwalts erhob sie im Oktober dann doch Anklage. Plötzlich wurde auch das Verwaltungsgericht in Halle tätig: Es holte eine weitere Klage des Geschädigten aus der Schublade. Mit dieser will er laut Adam feststellen lassen, »daß der Polizeieinsatz völlig unverhältnismäßig war«. Dieses Verfahren liegt derzeit allerdings erneut auf Eis. Die Verwaltungsrichter wollen den Strafprozeß abwarten. »Sie haben aber bereits deutlich gemacht, daß die vorliegenden Fakten einen anderen Täter als den Polizisten ausschließen lassen«, sagte Ronja Schlemme vom Bündnis »Halle gegen rechts« auf jW-Nachfrage.
Ein Urteil wollen die Amtsrichter voraussichtlich am 31. März fällen. Am Dienstag hörten sie elf Zeugen an, weitere sollen am 11. März befragt werden. »Die Liste ist noch lang«, blickte Schlemme voraus. Sie hofft darauf, daß die Umstände der Gewaltattacke »schonungslos aufgeklärt werden«. Die Urteilsverkündung will das Bündnis mit Protest begleiten. Die Aktion vor dem Amtsgericht steht unter dem Motto »Zivilcourage gegen Polizeigewalt«.
Daß Fäuste und Schlagstöcke bei Polizisten zuweilen recht locker sitzen und auch friedliche Demonstranten schon mal stundenlang in Polizeikesseln landen, zeigen etwa die »Blockupy«-Proteste in Frankfurt am Main. Für 2014 hat die Polizei die harte Gangart schon mal trainiert, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) jetzt belegt. Aus dieser geht hervor, daß eine deutsch-französische Polizeiübung im Oktober im Saarland explizit darauf abzielte, gegen Blockupy-Aktivisten vorzugehen. Daran beteiligt waren jeweils eine Hundertschaft der Compagnies Républicaines de Sécurité (CRS) sowie der Gendarmerie mobile. Diese Einheiten seien für besonders rabiate Einsätze bekannt, kritisierte Jelpke am Mittwoch. Die Gendarmerie verfüge zudem über feste Verbindungen zum Militär. »Das ist ungeheuerlich«, findet die Bundestagsabgeordnete. So werde das Demonstrationsrecht durch »gezielte Brutalisierung der Polizei« eingeschränkt.
jw