Mörderischer Partner
Verfassungsschutz hält Auftragsmord der türkischen Regierung an PKK-Aktivistinnen für möglich und schränkt Kooperation mit Geheimdienst MIT ein
Von Nick Brauns
Deutsche Geheimdienstler schließen nicht mehr aus, daß der Mord an drei kurdischen Politikerinnen vor einem Jahr in Paris vom türkischen Geheimdienst verübt wurde. Der Verfassungsschutz habe seine Kooperation mit dem Nationalen Nachrichtendienst (MIT) der Türkei deswegen eingeschränkt, berichtet das Nachrichtenmagazin Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.
Die Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Sakine Cansiz, die Diplomatin Fidan Dogan sowie die Jugendaktivistin Leyla Saylemez waren am 9. Januar 2013 in den Räumen des Pariser Kurdistan-Informationsbüros mit Kopfschüssen ermordet worden. Der wenige Tage später verhaftete mutmaßliche Mörder Ömer Güney war Mitglied in einem kurdischen Kulturverein. Doch dann stellte sich heraus, daß Güney in Wirklichkeit ein aus einer nationalistischen Familie stammender Türke mit engen Verbindungen zu den faschistischen Grauen Wölfen ist. Ein ehemaliger V-Mann des MIT identifizierte Güney gegenüber der kurdischen Zeitung Özgür Gündem als »unseren Mann in Paris«, der in die kurdische Gemeinde eingeschleust wurde.
Dieser Verdacht erhärtete sich durch einen am 12. Januar 2014 im Internet veröffentlichten Audiomitschnitt. Ein Mann, dessen Stimme als diejenige Güneys identifiziert wurde, berät darin mit zwei mutmaßlichen MIT-Agenten detailliert die Ermordung von mehreren namentlich genannten kurdischen Exilpolitikern (jW berichtete). Die MIT-Agenten sichern ihm Geld für den Waffenkauf zu, fragen nach Fluchtwegen und Sicherheitsvorkehrungen und geben schließlich grünes Licht für das Attentat: »Leiste gute Arbeit! Möge Gott uns vor den geringsten Fehlern schützen, denn du bist wichtig für uns.« Cansiz wird in der Audioaufnahme zwar nicht als Anschlagsziel genannt, doch am 13. Januar veröffentlichten türkische Medien ein angeblich vom MIT stammendes Geheimdokument vom 18. November 2012 mit dem Betreff »Sakine Cansiz – Codename Sara«. Ein Agent mit Codenamen »Legionär« sei für Vorbereitungen zu »Mord-Operationen« gegen PKK-Ziele in Europa instruiert worden und solle nun den Auftrag bekommen, die von ihm ausgespähte Cansiz »außer Gefecht zu setzen«.
Nicht nur die französischen Ermittlungsbehörden nehmen das Papier ernst. »Sollte es eine Fälschung sein, ist es eine täuschend echte. Auch dafür bräuchte es erhebliches Insiderwissen«, zitiert der Spiegel einen hochrangigen deutschen Geheimdienstler. Der Verdacht, der türkische Geheimdienst könne PKK-Mitglieder in EU-Staaten exekutieren lassen, hat den bislang eng mit dem MIT kooperierenden Verfassungsschutz alarmiert. In Sicherheitskreisen werde von »besonderer Vorsicht bei der Weitergabe personenbezogener Daten« gesprochen, heißt es im Spiegel.
Das ist aber womöglich geschehen, standen doch zwei der Ermordeten im Fokus deutscher Sicherheitsbehörden. So hatte die Bundesanwaltschaft gegen Cansiz wegen Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung« und gegen Saylemez wegen Mitgliedschaft einer »ausländischen terroristischen Vereinigung« ermittelt, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion bestätigte. Bei solchen Terrorismusverfahren ist ein Austausch mit ausländischen Geheimdiensten die Regel. MIT-Abteilungsleiter Ugur Kaan Ayik, dessen Name sich unter dem Papier findet, war vor einiger Zeit selbst mit einer Delegation zu Gesprächen in die Bundesrepublik gereist. Auch der mutmaßliche Attentäter Güney ist für die deutschen Behörden kein Unbekannter, lebte er doch bis 2011 mehrere Jahre lang im oberbayerischen Schliersee, wo er sich im Milieu der Grauen Wölfe bewegte und ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen ihn eingeleitet wurde.
Fragen wirft der Zeitpunkt der Veröffentlichung der den MIT und damit seinen obersten Dienstherren, den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, belastenden Dokumente auf. Einen Tag zuvor hatte der inhaftierte PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan Erdogan angeboten, ihm im Machtkampf mit den Anhängern des Imams Fethullah Gülen den Rücken zu stärken, wenn der Friedensprozeß mit der PKK fortgesetzt werde. Zu vermuten ist daher, daß hinter der Veröffentlichung der Audiodatei Gülen-Anhänger im Staatsapparat stecken, die einen Schulterschluß zwischen Erdogan und Öcalan verhindern wollen. Die PKK hatte wiederum zuvor die Gülen-Bewegung beschuldigt, hinter den Pariser Morden zu stecken. Daß der deutsche Geheimdienst ausgerechnet jetzt seine Zusammenarbeit mit seinem türkischen Partnerdienst einschränkt, könnte allerdings noch andere Gründe haben. So beklagen deutsche Behörden mittlerweile die mangelnde Kooperation der Türkei bei der Bekämpfung von Dschihadisten
jw
Verfassungsschutz hält Auftragsmord der türkischen Regierung an PKK-Aktivistinnen für möglich und schränkt Kooperation mit Geheimdienst MIT ein
Von Nick Brauns
Deutsche Geheimdienstler schließen nicht mehr aus, daß der Mord an drei kurdischen Politikerinnen vor einem Jahr in Paris vom türkischen Geheimdienst verübt wurde. Der Verfassungsschutz habe seine Kooperation mit dem Nationalen Nachrichtendienst (MIT) der Türkei deswegen eingeschränkt, berichtet das Nachrichtenmagazin Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.
Die Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Sakine Cansiz, die Diplomatin Fidan Dogan sowie die Jugendaktivistin Leyla Saylemez waren am 9. Januar 2013 in den Räumen des Pariser Kurdistan-Informationsbüros mit Kopfschüssen ermordet worden. Der wenige Tage später verhaftete mutmaßliche Mörder Ömer Güney war Mitglied in einem kurdischen Kulturverein. Doch dann stellte sich heraus, daß Güney in Wirklichkeit ein aus einer nationalistischen Familie stammender Türke mit engen Verbindungen zu den faschistischen Grauen Wölfen ist. Ein ehemaliger V-Mann des MIT identifizierte Güney gegenüber der kurdischen Zeitung Özgür Gündem als »unseren Mann in Paris«, der in die kurdische Gemeinde eingeschleust wurde.
Dieser Verdacht erhärtete sich durch einen am 12. Januar 2014 im Internet veröffentlichten Audiomitschnitt. Ein Mann, dessen Stimme als diejenige Güneys identifiziert wurde, berät darin mit zwei mutmaßlichen MIT-Agenten detailliert die Ermordung von mehreren namentlich genannten kurdischen Exilpolitikern (jW berichtete). Die MIT-Agenten sichern ihm Geld für den Waffenkauf zu, fragen nach Fluchtwegen und Sicherheitsvorkehrungen und geben schließlich grünes Licht für das Attentat: »Leiste gute Arbeit! Möge Gott uns vor den geringsten Fehlern schützen, denn du bist wichtig für uns.« Cansiz wird in der Audioaufnahme zwar nicht als Anschlagsziel genannt, doch am 13. Januar veröffentlichten türkische Medien ein angeblich vom MIT stammendes Geheimdokument vom 18. November 2012 mit dem Betreff »Sakine Cansiz – Codename Sara«. Ein Agent mit Codenamen »Legionär« sei für Vorbereitungen zu »Mord-Operationen« gegen PKK-Ziele in Europa instruiert worden und solle nun den Auftrag bekommen, die von ihm ausgespähte Cansiz »außer Gefecht zu setzen«.
Nicht nur die französischen Ermittlungsbehörden nehmen das Papier ernst. »Sollte es eine Fälschung sein, ist es eine täuschend echte. Auch dafür bräuchte es erhebliches Insiderwissen«, zitiert der Spiegel einen hochrangigen deutschen Geheimdienstler. Der Verdacht, der türkische Geheimdienst könne PKK-Mitglieder in EU-Staaten exekutieren lassen, hat den bislang eng mit dem MIT kooperierenden Verfassungsschutz alarmiert. In Sicherheitskreisen werde von »besonderer Vorsicht bei der Weitergabe personenbezogener Daten« gesprochen, heißt es im Spiegel.
Das ist aber womöglich geschehen, standen doch zwei der Ermordeten im Fokus deutscher Sicherheitsbehörden. So hatte die Bundesanwaltschaft gegen Cansiz wegen Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung« und gegen Saylemez wegen Mitgliedschaft einer »ausländischen terroristischen Vereinigung« ermittelt, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion bestätigte. Bei solchen Terrorismusverfahren ist ein Austausch mit ausländischen Geheimdiensten die Regel. MIT-Abteilungsleiter Ugur Kaan Ayik, dessen Name sich unter dem Papier findet, war vor einiger Zeit selbst mit einer Delegation zu Gesprächen in die Bundesrepublik gereist. Auch der mutmaßliche Attentäter Güney ist für die deutschen Behörden kein Unbekannter, lebte er doch bis 2011 mehrere Jahre lang im oberbayerischen Schliersee, wo er sich im Milieu der Grauen Wölfe bewegte und ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen ihn eingeleitet wurde.
Fragen wirft der Zeitpunkt der Veröffentlichung der den MIT und damit seinen obersten Dienstherren, den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, belastenden Dokumente auf. Einen Tag zuvor hatte der inhaftierte PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan Erdogan angeboten, ihm im Machtkampf mit den Anhängern des Imams Fethullah Gülen den Rücken zu stärken, wenn der Friedensprozeß mit der PKK fortgesetzt werde. Zu vermuten ist daher, daß hinter der Veröffentlichung der Audiodatei Gülen-Anhänger im Staatsapparat stecken, die einen Schulterschluß zwischen Erdogan und Öcalan verhindern wollen. Die PKK hatte wiederum zuvor die Gülen-Bewegung beschuldigt, hinter den Pariser Morden zu stecken. Daß der deutsche Geheimdienst ausgerechnet jetzt seine Zusammenarbeit mit seinem türkischen Partnerdienst einschränkt, könnte allerdings noch andere Gründe haben. So beklagen deutsche Behörden mittlerweile die mangelnde Kooperation der Türkei bei der Bekämpfung von Dschihadisten
jw