Opposition macht Ernst
Linke und Grüne pochen auf ihre Minderheitenrechte im Bundestag. Nächste Woche wird über den NSA-Untersuchungsausschuß abgestimmt
Von Michael Merz
Eine Art von Befreiungsschlag will die Opposition am nächsten Donnerstag im Bundestag einleiten. Die Rechte der Minderheit im Parlament sollen gesetzlich verankert werden, obwohl Linke und Grüne zusammen nur auf etwa 20 Prozent Stimmanteil kommen. Seit die große Koalition an der Macht ist, sind die beiden Parteien vom guten Willen der Regierungsbank abhängig. Nicht nur in bezug auf die Zeit, die Oppositionspolitiker am Rednerpult verbringen dürfen. Auch beispielsweise die Einsetzung und die Form der Mitwirkung in Untersuchungsausschüssen ist betroffen.
So soll der geplante Untersuchungsausschuß zur Affäre um die Spionageaktivitäten von Geheimdiensten zum Belastungstest werden, inwieweit die Regierung die Oppositionsrechte ernst nimmt. Das allgemein nur NSA-Ausschuß genannte Gremium wurde von Union und SPD zunächst abgelehnt. Vor einer Woche verabschiedete die Regierung dann einen eigenen Entwurf dazu, der aber der Opposition nicht weit genug geht. Seit dieser Woche ist nun ein gemeinsamer Antrag von Linken und Grünen zur Einsetzung des Ausschusses im Umlauf. »Es ist sinnvoll, wo es möglich ist, an einem Strang zu ziehen«, meinte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke) am Freitag gegenüber jW zu dieser interfraktionellen Zusammenarbeit. Über den Untersuchungsausschuß wird am Donnerstag genauso abgestimmt werden wie ein Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung zur Sicherung der Minderheitenrechte und den Entwurf eines Gesetzes, das umfassende Oppositionsrechte auch bei einem Stimmanteil unter 25 Prozent garantieren soll.
»Im Grunde genommen geht es darum: Welche Rechte hat die Minderheit, um die Fragen zu untersuchen, die sie untersuchen will«, erklärte die Abgeordnete Ulla Jelpke (Linke) im Gespräch mit junge Welt am Freitag. Einige Abgeordnete, wie etwa Hans-Christian Ströbele (Grüne), drängen vor allem auf eine Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes, da sich darin etliche Punkte auf das Quorum von 25 Prozent beziehen. Es ist offensichtlich, daß eine dadurch mögliche Zeugenbefragung des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, die die Regierungsseite gern verhindern würde, dabei eine Rolle spielt. Außerdem ist zum Beispiel das Recht, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, an diesen Prozentsatz gebunden. Das soll sich nun alles ändern, noch bevor der NSA-Ausschuß installiert wird.
Bei der Frage, was ein künftiger NSA-Ausschuß ermitteln darf und was geklärt werden soll, sind die Vorstellung von Opposition und Regierung grundlegend verschieden. Mehrere Punkte sind im Entwurf der großen Koalition nicht enthalten. Da ist zum einen die Rolle und das Verhalten der Bundesregierung bis zum Spätsommer des vorigen Jahres. Voreilig wurde die NSA-Affäre damals für beendet erklärt. Linke und Grüne wollen herausfinden, ob der Bundestag und der Bundesdatenschutzbeauftragte umfassend informiert wurde oder ob Informationen vorenthalten beziehungsweise geschönt wurden. Dabei soll es auch um die Rolle des Verfassungsschutzes gehen, der gesetzlich zur Spionageabwehr verpflichtet ist. Konkret wird nach Verantwortlichen gefragt. Weiterhin geht es im Oppositionsantrag darum, ob es einen sogenannten Ringtausch mit dem Bundesnachrichtendienst gab, der seinerseits behauptete, daß alle Daten, die er an die NSA weitergegeben habe, gesäubert gewesen seien, wenn sie deutsche Staatsbürger betroffen hätten. Ein weiterer heikler Punkt, den die Regierung lieber nicht untersuchen lassen will, betrifft die Aktivitäten der NSA jenseits der Internet- und Telekommunikation, die von ihren Niederlassungen in Deutschland mutmaßlich betrieben wurden. Der Untersuchungsausschuß soll klären, heißt es in dem Antrag, »ob die Bundesregierung seit 2001 ausländischen, insbesondere US-amerikanischen Stellen auf deutschem Staatsgebiet Exekutivmaßnahmen, z.B. Observationen, Festnahmen oder u.U. völkerrechtswidrige Handlungen (z.B. die Lenkung von Kampfdrohneneinsätzen in Afrika), ausdrücklich oder stillschweigend gestattet oder diese bewußt geduldet hat«.
Der NSA-Ausschuß verspricht spannende Erkenntnisse, wenn er denn in der Form kommt, wie Linke und Grüne ihn sich vorstellen. Offensichtlich sind beide Parteien fest entschlossen, auf ihre Rechte zu pochen. Vereinzelt sind bereits Stimmen zu hören, die darauf drängen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, wenn sie sich nicht im Bundestag durchsetzen lassen
jw
Linke und Grüne pochen auf ihre Minderheitenrechte im Bundestag. Nächste Woche wird über den NSA-Untersuchungsausschuß abgestimmt
Von Michael Merz
Eine Art von Befreiungsschlag will die Opposition am nächsten Donnerstag im Bundestag einleiten. Die Rechte der Minderheit im Parlament sollen gesetzlich verankert werden, obwohl Linke und Grüne zusammen nur auf etwa 20 Prozent Stimmanteil kommen. Seit die große Koalition an der Macht ist, sind die beiden Parteien vom guten Willen der Regierungsbank abhängig. Nicht nur in bezug auf die Zeit, die Oppositionspolitiker am Rednerpult verbringen dürfen. Auch beispielsweise die Einsetzung und die Form der Mitwirkung in Untersuchungsausschüssen ist betroffen.
So soll der geplante Untersuchungsausschuß zur Affäre um die Spionageaktivitäten von Geheimdiensten zum Belastungstest werden, inwieweit die Regierung die Oppositionsrechte ernst nimmt. Das allgemein nur NSA-Ausschuß genannte Gremium wurde von Union und SPD zunächst abgelehnt. Vor einer Woche verabschiedete die Regierung dann einen eigenen Entwurf dazu, der aber der Opposition nicht weit genug geht. Seit dieser Woche ist nun ein gemeinsamer Antrag von Linken und Grünen zur Einsetzung des Ausschusses im Umlauf. »Es ist sinnvoll, wo es möglich ist, an einem Strang zu ziehen«, meinte der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (Die Linke) am Freitag gegenüber jW zu dieser interfraktionellen Zusammenarbeit. Über den Untersuchungsausschuß wird am Donnerstag genauso abgestimmt werden wie ein Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung zur Sicherung der Minderheitenrechte und den Entwurf eines Gesetzes, das umfassende Oppositionsrechte auch bei einem Stimmanteil unter 25 Prozent garantieren soll.
»Im Grunde genommen geht es darum: Welche Rechte hat die Minderheit, um die Fragen zu untersuchen, die sie untersuchen will«, erklärte die Abgeordnete Ulla Jelpke (Linke) im Gespräch mit junge Welt am Freitag. Einige Abgeordnete, wie etwa Hans-Christian Ströbele (Grüne), drängen vor allem auf eine Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes, da sich darin etliche Punkte auf das Quorum von 25 Prozent beziehen. Es ist offensichtlich, daß eine dadurch mögliche Zeugenbefragung des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, die die Regierungsseite gern verhindern würde, dabei eine Rolle spielt. Außerdem ist zum Beispiel das Recht, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, an diesen Prozentsatz gebunden. Das soll sich nun alles ändern, noch bevor der NSA-Ausschuß installiert wird.
Bei der Frage, was ein künftiger NSA-Ausschuß ermitteln darf und was geklärt werden soll, sind die Vorstellung von Opposition und Regierung grundlegend verschieden. Mehrere Punkte sind im Entwurf der großen Koalition nicht enthalten. Da ist zum einen die Rolle und das Verhalten der Bundesregierung bis zum Spätsommer des vorigen Jahres. Voreilig wurde die NSA-Affäre damals für beendet erklärt. Linke und Grüne wollen herausfinden, ob der Bundestag und der Bundesdatenschutzbeauftragte umfassend informiert wurde oder ob Informationen vorenthalten beziehungsweise geschönt wurden. Dabei soll es auch um die Rolle des Verfassungsschutzes gehen, der gesetzlich zur Spionageabwehr verpflichtet ist. Konkret wird nach Verantwortlichen gefragt. Weiterhin geht es im Oppositionsantrag darum, ob es einen sogenannten Ringtausch mit dem Bundesnachrichtendienst gab, der seinerseits behauptete, daß alle Daten, die er an die NSA weitergegeben habe, gesäubert gewesen seien, wenn sie deutsche Staatsbürger betroffen hätten. Ein weiterer heikler Punkt, den die Regierung lieber nicht untersuchen lassen will, betrifft die Aktivitäten der NSA jenseits der Internet- und Telekommunikation, die von ihren Niederlassungen in Deutschland mutmaßlich betrieben wurden. Der Untersuchungsausschuß soll klären, heißt es in dem Antrag, »ob die Bundesregierung seit 2001 ausländischen, insbesondere US-amerikanischen Stellen auf deutschem Staatsgebiet Exekutivmaßnahmen, z.B. Observationen, Festnahmen oder u.U. völkerrechtswidrige Handlungen (z.B. die Lenkung von Kampfdrohneneinsätzen in Afrika), ausdrücklich oder stillschweigend gestattet oder diese bewußt geduldet hat«.
Der NSA-Ausschuß verspricht spannende Erkenntnisse, wenn er denn in der Form kommt, wie Linke und Grüne ihn sich vorstellen. Offensichtlich sind beide Parteien fest entschlossen, auf ihre Rechte zu pochen. Vereinzelt sind bereits Stimmen zu hören, die darauf drängen, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, wenn sie sich nicht im Bundestag durchsetzen lassen
jw