Mit äußerster Brutalität
Prozeß in Halle: Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen für rassistischen Überfall auf zwei Familien in Eisleben. Nebenklage kritisiert mangelhafte Ermittlungen und Verharmlosung
Von Susan Bonath
Vor dem Landgericht Halle neigt sich nach sieben Monaten der Prozeß gegen drei Neonazis dem Ende zu. Die Angeklagten hatten am 29. April 2012 zwei Familien mit syrischem und palästinensischem Hintergrund im sachsen-anhaltischen Eisleben aus dem Hinterhalt angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hielten am Freitag ihre Plädoyers, am 7. Februar soll die Verteidigung folgen. Die Anklägerin forderte mehrjährige Haftstrafen für die Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Anwälte der Nebenklage plädierten erneut dafür, die Anklage auf versuchten Totschlag oder Mord zu erweitern. Zudem kritisierten sie gravierende Mängel bei den Ermittlungen. Das Urteil wird am 17. Februar erwartet.
Den Apriltag vor knapp zwei Jahren wollte das frisch verlobte Paar Rana C. (23) und Manar A. (33) mit seinen Angehörigen auf dem Eislebener Frühlingsfest verbringen. Am Nachmittag endete der Spaß jäh. Der Neonazi Eric S., damals 18 Jahre alt, tippte A. von hinten an. Kaum drehte sich dieser um, hatte er eine Faust im Gesicht. Immer wieder schlug S. mit einem Schlagring auf den Kopf des bereits am Boden liegenden Opfers ein; die anderen beiden Täter, der damals 24jährige Ronny G. und der 31jährige Marcel H., knüppelten mit einem Teleskopschlagstock zu. Wenig später griffen die Rechten auch die anderen Familienmitglieder an. Eine damals 38jährige schlugen sie mehrfach so massiv mit dem Kopf auf den Fußboden, daß sie bewußtlos wurde. Zeugen zufolge brüllten sie dabei Parolen, wie »Scheiß Ausländer« und »Ausländer raus«. Die Gewaltorgie inmitten feiernder Festbesucher nahm erst ein Ende, als jemand rief, die Polizei komme. Insgesamt wurden sieben Menschen teils schwer verletzt, darunter drei Frauen. Manar A. lag tagelang im Koma; die Ärzte kämpften um sein Leben.
Die Angeklagten seien mit äußerster Härte und Brutalität vorgegangen, befand Staatsanwalt Thomas Westerhoff am Freitag vor Gericht. »Selbst vor den Frauen haben sie nicht halt gemacht.« Für das Motiv habe Ausländerfeindlichkeit der auch als Neonazis erkennbaren Beschuldigten eine große Rolle gespielt, stellte er klar. Daß die beiden älteren Angreifer »nur schlichten« wollten, wie sie während des Prozesses beteuert hatten, glaubt Westerhoff nicht. Für den heute 20jährigen Eric S. forderte der Staatsanwalt drei Jahre und sechs Monate Haft nach Jugendstrafrecht. Ronny G. soll seinem Willen nach für zwei Jahre und zehn Monate hinter Gitter, Marcel H. für drei Jahre und neun Monate.
Für die Anwälte der Opfer war das »einer der brutalsten rassistischen Übergriffe der vergangenen Jahre in Sachsen-Anhalt«. Bis heute litten die Geschädigten an schwerwiegenden Folgen, wie Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit und psychischen Belastungsstörungen. Zudem hätten die Familien zum zweiten Mal ihre Heimat verloren. Sie waren nach dem Überfall aus Angst vor weiteren Angriffen aus Eisleben weggezogen. Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer kritisierte außerdem die nachlässige Aufklärungsarbeit. So hatten die Ermittler etwa die Verletzungen der Opfer nicht rechtsmedizinisch dokumentieren lassen und den Vorwurf des versuchten Totschlags nach kurzer Zeit fallenlassen. Auch mit den Beschuldigten sei die Justiz ungewöhnlich milde verfahren. So ergingen damals keine Haftbefehle gegen sie, obwohl einer der Angreifer zur Tatzeit unter Bewährung gestanden habe. Die Mobile Opferberatung Halle rügte erneut, daß die Tat verharmlost werde.
jw
Prozeß in Halle: Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen für rassistischen Überfall auf zwei Familien in Eisleben. Nebenklage kritisiert mangelhafte Ermittlungen und Verharmlosung
Von Susan Bonath
Vor dem Landgericht Halle neigt sich nach sieben Monaten der Prozeß gegen drei Neonazis dem Ende zu. Die Angeklagten hatten am 29. April 2012 zwei Familien mit syrischem und palästinensischem Hintergrund im sachsen-anhaltischen Eisleben aus dem Hinterhalt angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage hielten am Freitag ihre Plädoyers, am 7. Februar soll die Verteidigung folgen. Die Anklägerin forderte mehrjährige Haftstrafen für die Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Anwälte der Nebenklage plädierten erneut dafür, die Anklage auf versuchten Totschlag oder Mord zu erweitern. Zudem kritisierten sie gravierende Mängel bei den Ermittlungen. Das Urteil wird am 17. Februar erwartet.
Den Apriltag vor knapp zwei Jahren wollte das frisch verlobte Paar Rana C. (23) und Manar A. (33) mit seinen Angehörigen auf dem Eislebener Frühlingsfest verbringen. Am Nachmittag endete der Spaß jäh. Der Neonazi Eric S., damals 18 Jahre alt, tippte A. von hinten an. Kaum drehte sich dieser um, hatte er eine Faust im Gesicht. Immer wieder schlug S. mit einem Schlagring auf den Kopf des bereits am Boden liegenden Opfers ein; die anderen beiden Täter, der damals 24jährige Ronny G. und der 31jährige Marcel H., knüppelten mit einem Teleskopschlagstock zu. Wenig später griffen die Rechten auch die anderen Familienmitglieder an. Eine damals 38jährige schlugen sie mehrfach so massiv mit dem Kopf auf den Fußboden, daß sie bewußtlos wurde. Zeugen zufolge brüllten sie dabei Parolen, wie »Scheiß Ausländer« und »Ausländer raus«. Die Gewaltorgie inmitten feiernder Festbesucher nahm erst ein Ende, als jemand rief, die Polizei komme. Insgesamt wurden sieben Menschen teils schwer verletzt, darunter drei Frauen. Manar A. lag tagelang im Koma; die Ärzte kämpften um sein Leben.
Die Angeklagten seien mit äußerster Härte und Brutalität vorgegangen, befand Staatsanwalt Thomas Westerhoff am Freitag vor Gericht. »Selbst vor den Frauen haben sie nicht halt gemacht.« Für das Motiv habe Ausländerfeindlichkeit der auch als Neonazis erkennbaren Beschuldigten eine große Rolle gespielt, stellte er klar. Daß die beiden älteren Angreifer »nur schlichten« wollten, wie sie während des Prozesses beteuert hatten, glaubt Westerhoff nicht. Für den heute 20jährigen Eric S. forderte der Staatsanwalt drei Jahre und sechs Monate Haft nach Jugendstrafrecht. Ronny G. soll seinem Willen nach für zwei Jahre und zehn Monate hinter Gitter, Marcel H. für drei Jahre und neun Monate.
Für die Anwälte der Opfer war das »einer der brutalsten rassistischen Übergriffe der vergangenen Jahre in Sachsen-Anhalt«. Bis heute litten die Geschädigten an schwerwiegenden Folgen, wie Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit und psychischen Belastungsstörungen. Zudem hätten die Familien zum zweiten Mal ihre Heimat verloren. Sie waren nach dem Überfall aus Angst vor weiteren Angriffen aus Eisleben weggezogen. Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer kritisierte außerdem die nachlässige Aufklärungsarbeit. So hatten die Ermittler etwa die Verletzungen der Opfer nicht rechtsmedizinisch dokumentieren lassen und den Vorwurf des versuchten Totschlags nach kurzer Zeit fallenlassen. Auch mit den Beschuldigten sei die Justiz ungewöhnlich milde verfahren. So ergingen damals keine Haftbefehle gegen sie, obwohl einer der Angreifer zur Tatzeit unter Bewährung gestanden habe. Die Mobile Opferberatung Halle rügte erneut, daß die Tat verharmlost werde.
jw