Deal fast durch
Fresenius übernimmt 40 statt 43 Rhön-Kliniken. Das Kartellamt wird den bisher größten Krankenhausverkauf wohl genehmigen. Ver.di fürchtet Jobabbau
Von Daniel Behruzi
Der größte Krankenhausdeal der deutschen Geschichte dürfte bald vollzogen sein. Das Bundeskartellamt macht offenbar nur geringfügige Auflagen. Bis Ende Februar will es die Prüfung des Geschäfts abgeschlossen haben, mit dem der Fresenius-Konzern einen Großteil der Rhön-Kliniken übernehmen will. So sollen nur drei der 43 zum Verkauf stehenden Rhön-Häuser bei diesem Unternehmen verbleiben.
Wie die beteiligten Firmen in der vergangenen Woche mitteilten, sollen zudem nur 13 statt der ursprünglich geplanten 15 medizinischen Versorgungszentren an die Fresenius-Krankenhaussparte Helios übergehen. Helios muß sich zudem von seinen sächsischen Kliniken in Borna und Zwenkau trennen. Die Gewerkschaft ver.di machte derweil mit einer Aktionswoche darauf aufmerksam, daß sie als Folge der Übernahme einen Abbau von Arbeitsplätzen befürchtet. Deshalb müsse ein Vertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung abgeschlossen werden.
Mit der Fusion entsteht die größte private Klinikkette Europas, die zweitgrößte weltweit. Künftig wird Helios 112 Häuser mit weit über 30000 Betten und fast 70000 Beschäftigten betreiben. Erstmals gibt es damit in Deutschland einen privaten Träger, der beinahe eine flächendeckende stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung anbietet. Aufgrund seiner enormen Marktmacht – der Umsatz wird künftig bei gut 5,3 Milliarden Euro liegen – ist der Konzern seinen Wettbewerbern weit überlegen. Das dürften insbesondere die kommunalen Kliniken zu spüren bekommen. Während die staatlichen Häuser alle Patienten nehmen müssen, spezialisieren sich die meisten privat betriebenen Einrichtungen auf lukrative Fälle.
Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) schrieb 2013 jede zweite Klinik rote Zahlen. Für die vor allem betroffenen städtischen Häuser kommt hinzu, daß ihnen die klammen Kommunen zumeist nicht aus der Patsche helfen können. Sie dürften demnächst noch häufiger vor der Alternative stehen: schließen oder privatisieren. Zuletzt durchexerziert wurde das beim städtischen Klinikum Offenbach, das im Juli dem Sana-Konzern für einen symbolischen Euro geschenkt wurde. Schon wenige Monate später folgte die Ankündigung, 350 von 2300 Beschäftigten auf die Straße zu setzen (siehe jW vom 2. November 2013).
Das Bundeskartellamt wird die Entstehung des neuen Klinikgiganten jedenfalls nicht blockieren. Dessen Präsident Andreas Mundt hatte zu Beginn zwar versichert, der Deal werde »sehr sorgfältig untersucht«. Insbesondere würden die Auswirkungen der Übernahme »auf die regionalen Überschneidungen im Bereich der stationären Krankenhausversorgung und auf die Nachfrageseite gegenüber den Krankenkassen« geprüft.
Herausgekommen ist dabei aber offenbar nicht allzu viel. Das Amt erteilt nach Unternehmensangaben lediglich die Auflage, die Kliniken in Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern), Cuxhaven (Niedersachsen) und Waltershausen-Friedrichroda (Thüringen) sowie die Versorgungszentren in Nienburg bei Hannover und Bad Berka in Thüringen beim Rhön-Konzern zu belassen. Zudem verkauft Fresenius/Helios zwei Standorte in der Region Leipzig an die Beteiligungsgesellschaft HCM, deren Alleineigentümer Rhön-Gründer Eugen Münch ist. All diese Häuser zusammen kommen den Angaben zufolge auf einen Jahresumsatz von rund 160 Millionen Euro. Das ist nur ein Bruchteil des Umsatzwachstums von zwei Milliarden Euro, das Fresenius/Helios durch die Übernahmeaktion erwartet.
Auch den Kaufpreis von gut drei Milliarden Euro dürften die Auflagen der Behörde nur geringfügig schmälern. Rhön-Aufsichtsratschef Münch will davon 800 Millionen Euro für Schuldentilgung und weitere 400 Millionen für Investitionen verwenden. Was mit den restlichen 1,9 Milliarden Euro geschieht, entscheidet die Rhön-Hauptversammlung im Juni dieses Jahres. Münch plädiert dafür, damit ein Aktienrückkaufprogramm zu finanzieren. Das Management hatte zuvor erklärt, den Eigentümern eine Sonderausschüttung vorzuschlagen. Unabhängig davon, welchen Weg die Rhön-Spitze wählt – das Geld landet bei den Aktionären. Genau das bringt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler auf die Palme. »Dieses Geld müßte in das Gesundheitswesen und mehr Personal im Restkonzern Rhön investiert werden. Zufriedene Aktionäre machen niemanden gesund«, erklärte sie in einer Publikation des ver.di-Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Übernahmepläne hatte die Gewerkschaft die Unternehmen aufgefordert, über einen Tarifvertrag zur Absicherung der Standorte und Arbeitsplätze zu verhandeln. Bislang haben weder Rhön noch Helios darauf reagiert. Deshalb rief ver.di vergangene Woche an diversen Standorten beider Klinikketten zu Protest auf. Beschäftigte und Patienten wurden unter anderem bei »aktiven Mittagspausen« darüber informiert, daß Stellenabbau infolge der Fusion befürchtet wird. Bestätigt hat sich das bereits in bezug auf die Rhön-Konzernzentrale im unterfränkischen Bad Neustadt. Dort sollen nach Unternehmensangaben bis zu 150 der 220 Stellen abgebaut werden.
Im Rahmen eines Sicherungsvertrags fordert ver.di den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2018, die Weiterführung der Ausbildung in allen Bereichen und die garantierte Übernahme der Azubis. Bei den Einkommen dürfe es infolge des Betriebsübergangs keine Kürzungen geben. Außerdem will ver.di verhindern, daß weitere Bereiche in »tariflose Billigtöchter« ausgegliedert werden. Die Betriebsräte fordern, an den Planungen rechtzeitig beteiligt zu werden – anders als bislang. Zudem dürfe die Belastung der Beschäftigten nicht weiter zunehmen, heißt es in einer ver.di-Stellungnahme. »Arbeitsverdichtungen und die damit einhergehende Gefährdung der Gesundheit von Personal und Patienten müssen ein Ende haben.«
jw
Fresenius übernimmt 40 statt 43 Rhön-Kliniken. Das Kartellamt wird den bisher größten Krankenhausverkauf wohl genehmigen. Ver.di fürchtet Jobabbau
Von Daniel Behruzi
Der größte Krankenhausdeal der deutschen Geschichte dürfte bald vollzogen sein. Das Bundeskartellamt macht offenbar nur geringfügige Auflagen. Bis Ende Februar will es die Prüfung des Geschäfts abgeschlossen haben, mit dem der Fresenius-Konzern einen Großteil der Rhön-Kliniken übernehmen will. So sollen nur drei der 43 zum Verkauf stehenden Rhön-Häuser bei diesem Unternehmen verbleiben.
Wie die beteiligten Firmen in der vergangenen Woche mitteilten, sollen zudem nur 13 statt der ursprünglich geplanten 15 medizinischen Versorgungszentren an die Fresenius-Krankenhaussparte Helios übergehen. Helios muß sich zudem von seinen sächsischen Kliniken in Borna und Zwenkau trennen. Die Gewerkschaft ver.di machte derweil mit einer Aktionswoche darauf aufmerksam, daß sie als Folge der Übernahme einen Abbau von Arbeitsplätzen befürchtet. Deshalb müsse ein Vertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung abgeschlossen werden.
Mit der Fusion entsteht die größte private Klinikkette Europas, die zweitgrößte weltweit. Künftig wird Helios 112 Häuser mit weit über 30000 Betten und fast 70000 Beschäftigten betreiben. Erstmals gibt es damit in Deutschland einen privaten Träger, der beinahe eine flächendeckende stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung anbietet. Aufgrund seiner enormen Marktmacht – der Umsatz wird künftig bei gut 5,3 Milliarden Euro liegen – ist der Konzern seinen Wettbewerbern weit überlegen. Das dürften insbesondere die kommunalen Kliniken zu spüren bekommen. Während die staatlichen Häuser alle Patienten nehmen müssen, spezialisieren sich die meisten privat betriebenen Einrichtungen auf lukrative Fälle.
Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) schrieb 2013 jede zweite Klinik rote Zahlen. Für die vor allem betroffenen städtischen Häuser kommt hinzu, daß ihnen die klammen Kommunen zumeist nicht aus der Patsche helfen können. Sie dürften demnächst noch häufiger vor der Alternative stehen: schließen oder privatisieren. Zuletzt durchexerziert wurde das beim städtischen Klinikum Offenbach, das im Juli dem Sana-Konzern für einen symbolischen Euro geschenkt wurde. Schon wenige Monate später folgte die Ankündigung, 350 von 2300 Beschäftigten auf die Straße zu setzen (siehe jW vom 2. November 2013).
Das Bundeskartellamt wird die Entstehung des neuen Klinikgiganten jedenfalls nicht blockieren. Dessen Präsident Andreas Mundt hatte zu Beginn zwar versichert, der Deal werde »sehr sorgfältig untersucht«. Insbesondere würden die Auswirkungen der Übernahme »auf die regionalen Überschneidungen im Bereich der stationären Krankenhausversorgung und auf die Nachfrageseite gegenüber den Krankenkassen« geprüft.
Herausgekommen ist dabei aber offenbar nicht allzu viel. Das Amt erteilt nach Unternehmensangaben lediglich die Auflage, die Kliniken in Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern), Cuxhaven (Niedersachsen) und Waltershausen-Friedrichroda (Thüringen) sowie die Versorgungszentren in Nienburg bei Hannover und Bad Berka in Thüringen beim Rhön-Konzern zu belassen. Zudem verkauft Fresenius/Helios zwei Standorte in der Region Leipzig an die Beteiligungsgesellschaft HCM, deren Alleineigentümer Rhön-Gründer Eugen Münch ist. All diese Häuser zusammen kommen den Angaben zufolge auf einen Jahresumsatz von rund 160 Millionen Euro. Das ist nur ein Bruchteil des Umsatzwachstums von zwei Milliarden Euro, das Fresenius/Helios durch die Übernahmeaktion erwartet.
Auch den Kaufpreis von gut drei Milliarden Euro dürften die Auflagen der Behörde nur geringfügig schmälern. Rhön-Aufsichtsratschef Münch will davon 800 Millionen Euro für Schuldentilgung und weitere 400 Millionen für Investitionen verwenden. Was mit den restlichen 1,9 Milliarden Euro geschieht, entscheidet die Rhön-Hauptversammlung im Juni dieses Jahres. Münch plädiert dafür, damit ein Aktienrückkaufprogramm zu finanzieren. Das Management hatte zuvor erklärt, den Eigentümern eine Sonderausschüttung vorzuschlagen. Unabhängig davon, welchen Weg die Rhön-Spitze wählt – das Geld landet bei den Aktionären. Genau das bringt ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler auf die Palme. »Dieses Geld müßte in das Gesundheitswesen und mehr Personal im Restkonzern Rhön investiert werden. Zufriedene Aktionäre machen niemanden gesund«, erklärte sie in einer Publikation des ver.di-Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Übernahmepläne hatte die Gewerkschaft die Unternehmen aufgefordert, über einen Tarifvertrag zur Absicherung der Standorte und Arbeitsplätze zu verhandeln. Bislang haben weder Rhön noch Helios darauf reagiert. Deshalb rief ver.di vergangene Woche an diversen Standorten beider Klinikketten zu Protest auf. Beschäftigte und Patienten wurden unter anderem bei »aktiven Mittagspausen« darüber informiert, daß Stellenabbau infolge der Fusion befürchtet wird. Bestätigt hat sich das bereits in bezug auf die Rhön-Konzernzentrale im unterfränkischen Bad Neustadt. Dort sollen nach Unternehmensangaben bis zu 150 der 220 Stellen abgebaut werden.
Im Rahmen eines Sicherungsvertrags fordert ver.di den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen bis Ende 2018, die Weiterführung der Ausbildung in allen Bereichen und die garantierte Übernahme der Azubis. Bei den Einkommen dürfe es infolge des Betriebsübergangs keine Kürzungen geben. Außerdem will ver.di verhindern, daß weitere Bereiche in »tariflose Billigtöchter« ausgegliedert werden. Die Betriebsräte fordern, an den Planungen rechtzeitig beteiligt zu werden – anders als bislang. Zudem dürfe die Belastung der Beschäftigten nicht weiter zunehmen, heißt es in einer ver.di-Stellungnahme. »Arbeitsverdichtungen und die damit einhergehende Gefährdung der Gesundheit von Personal und Patienten müssen ein Ende haben.«
jw