Stunde der Schönredner
Offiziell über drei Millionen erwerbslos
Von Jana Frielinghaus
Da eilt Boomdeutschland von Rekord zu Rekord, was die von den Statistikern präsentierte Zahl der Erwerbstätigen betrifft – und dann das: Im Januar gab es erstmals auch offiziell wieder mehr als drei Millionen Menschen ohne Job. Genauer: 3,136 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag bekanntgab.
Doch Agentur, Kanzlerin Merkel und Unternehmerverbände beteuerten unisono: Alles nur jahreszeitlich bedingt, »saisonbereinigt« seien es weniger als im Vormonat. Überhaupt seien die Leute so sehr in Konsumlaune wie lange nicht mehr zu Jahresbeginn, denn sie erwarteten ein stabil bleibendes Einkommen, ließen die Glaskugelbefrager aus den zuständigen Abteilungen der Wirtschaftsforschungsinstitute wissen.
Daß das allseits gefeierte Jobwunder vor allem auf der Ausweitung des Niedriglohnsektors basiert, wird von den meisten Medien und Politikern geflissentlich verschwiegen. Ebenso, daß die vom Statistischen Bundesamt gemeldete »Rekorderwerbstätigkeit« mit über 42 Millionen Beschäftigten auf übler Trickserei basiert. Sprich: Es gibt eine gewaltige verdeckte Erwerbslosigkeit einerseits und eine dramatische Unterbezahlung und Unterbeschäftigung eines großen Teils der Werktätigen andererseits. Denn das Statistikamt in Wiesbaden definiert als erwerbstätig jeden, »der in der Erhebungswoche mindestens einer Stunde irgendeiner Art von bezahlter Arbeit nachgegangen ist«. Darauf weist das Institut für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz regelmäßig hin. Nach BA-Angaben haben nicht einmal 30 Millionen Menschen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Auf eine Anfrage von Klaus Ernst, Vizevorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, teilte die Agentur Mitte Januar mit, daß 4,1 Millionen von 20 Millionen voll Beschäftigten monatlich weniger als 1926 Euro brutto verdienen und damit nur knapp über der offiziellen Armutsgrenze liegen. In Ostdeutschland bekommen 38 Prozent der ganztags Arbeitenden so wenig Geld, in Mecklenburg-Vorpommern fast jeder Zweite (43,7 Prozent). 1,2 Millionen Menschen können von ihren Einkünften nicht leben und müssen deshalb ergänzende Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen. 2,7 Millionen gehen inzwischen einem Zweitjob nach, ein Prozent mehr als im Vorjahr. Wirtschaftswissenschaftler werden jedoch nicht müde zu betonen, daß die meisten das nur zur »weiteren« Verbesserung ihres Lebensstandards tun, und weil sie Lust haben, sich »einzubringen«.
Die BA selbst räumt ein, daß diejenigen, die von Langzeiterwerbslosigkeit betroffen sind, sowie Ältere und Behinderte nach wie vor kaum eine Chance haben. Die Integration dieser Menschen ist nicht gewollt, für sie wird kein Vermittlungsaufwand betrieben. Der Arbeitslosenverband Mecklenburg-Vorpommern wies am Mittwoch darauf hin, daß im Nordosten der Bundesrepublik der Anteil der Langzeiterwerbslosen von 31,5 Prozent im Jahr 2011 auf 40 Prozent gestiegen ist.
jw
Offiziell über drei Millionen erwerbslos
Von Jana Frielinghaus
Da eilt Boomdeutschland von Rekord zu Rekord, was die von den Statistikern präsentierte Zahl der Erwerbstätigen betrifft – und dann das: Im Januar gab es erstmals auch offiziell wieder mehr als drei Millionen Menschen ohne Job. Genauer: 3,136 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag bekanntgab.
Doch Agentur, Kanzlerin Merkel und Unternehmerverbände beteuerten unisono: Alles nur jahreszeitlich bedingt, »saisonbereinigt« seien es weniger als im Vormonat. Überhaupt seien die Leute so sehr in Konsumlaune wie lange nicht mehr zu Jahresbeginn, denn sie erwarteten ein stabil bleibendes Einkommen, ließen die Glaskugelbefrager aus den zuständigen Abteilungen der Wirtschaftsforschungsinstitute wissen.
Daß das allseits gefeierte Jobwunder vor allem auf der Ausweitung des Niedriglohnsektors basiert, wird von den meisten Medien und Politikern geflissentlich verschwiegen. Ebenso, daß die vom Statistischen Bundesamt gemeldete »Rekorderwerbstätigkeit« mit über 42 Millionen Beschäftigten auf übler Trickserei basiert. Sprich: Es gibt eine gewaltige verdeckte Erwerbslosigkeit einerseits und eine dramatische Unterbezahlung und Unterbeschäftigung eines großen Teils der Werktätigen andererseits. Denn das Statistikamt in Wiesbaden definiert als erwerbstätig jeden, »der in der Erhebungswoche mindestens einer Stunde irgendeiner Art von bezahlter Arbeit nachgegangen ist«. Darauf weist das Institut für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz regelmäßig hin. Nach BA-Angaben haben nicht einmal 30 Millionen Menschen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Auf eine Anfrage von Klaus Ernst, Vizevorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, teilte die Agentur Mitte Januar mit, daß 4,1 Millionen von 20 Millionen voll Beschäftigten monatlich weniger als 1926 Euro brutto verdienen und damit nur knapp über der offiziellen Armutsgrenze liegen. In Ostdeutschland bekommen 38 Prozent der ganztags Arbeitenden so wenig Geld, in Mecklenburg-Vorpommern fast jeder Zweite (43,7 Prozent). 1,2 Millionen Menschen können von ihren Einkünften nicht leben und müssen deshalb ergänzende Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen. 2,7 Millionen gehen inzwischen einem Zweitjob nach, ein Prozent mehr als im Vorjahr. Wirtschaftswissenschaftler werden jedoch nicht müde zu betonen, daß die meisten das nur zur »weiteren« Verbesserung ihres Lebensstandards tun, und weil sie Lust haben, sich »einzubringen«.
Die BA selbst räumt ein, daß diejenigen, die von Langzeiterwerbslosigkeit betroffen sind, sowie Ältere und Behinderte nach wie vor kaum eine Chance haben. Die Integration dieser Menschen ist nicht gewollt, für sie wird kein Vermittlungsaufwand betrieben. Der Arbeitslosenverband Mecklenburg-Vorpommern wies am Mittwoch darauf hin, daß im Nordosten der Bundesrepublik der Anteil der Langzeiterwerbslosen von 31,5 Prozent im Jahr 2011 auf 40 Prozent gestiegen ist.
jw