Tödlich kalt
USA: Überlebenskampf der 700 Obdachlosen von Cincinnati bei arktischen Temperaturen
Von Marinela Potor, Ohio
Montag, 6. Januar 2014, Cincinnati, Ohio. Es ist acht Uhr abends, das Termometer zeigt minus 22 Grad Celsius an. Dazu weht ein eiskalter Wind, der die Temperaturen noch weiter sinken läßt, auf gefühlte minus 32 Grad. Die Kältewelle, die derzeit über 24 Staaten der USA fest im Griff hat, ist auch in Cincinnati klirrend spürbar. Seit 20 Jahren war es hier nicht mehr so kalt. Die Main Street, die Ausgehmeile, ist wie leer gefegt. Nur vereinzelt sieht man dick eingemummte Gestalten. Wer kann, bleibt bei diesen Temperaturen drinnen. Aber nicht jeder kann, denn nicht jeder hat ein warmes Zuhause. Viele der Menschen, die jetzt noch auf den Straßen herumirren, werden dies wohl noch den größten Teil des Abends tun. Entweder, um sich so warm zu halten oder weil sie auf der Suche nach einem warmen Luftschacht oder einem windgeschützten Eckchen sind, in dem sie übernachten können. Sie gehören zu den etwa 700 Obdachlosen, die jeden Abend in Cincinnati ohne ein Dach über dem Kopf aushalten müssen. In einer Nacht wie dieser wird dies zum Überlebenskampf.
Der Wetterdienst warnt davor, vor die Haustür zu treten; der Energieversorger Duke Energy bereitet sich mit Notfallplänen auf mögliche Stromausfälle vor; fast alle kulturellen Veranstaltungen wurden für die nächsten Tage abgesagt; die Schulen und Universitäten der Region bleiben geschlossen und auch viele Geschäfte haben gar nicht erst aufgemacht. Es herrscht Ausnahmezustand in der Millionenmetropole. Wie überlebt man also in Cincinnati bei diesen Temperaturen ohne einen geheizten Raum? »Wir versuchen so vielen Menschen wie wir können, ein Bett und eine warme Mahlzeit zu geben«, sagt dazu Tim Curtis vom Obdachlosenheim City Gospel Mission. Jeden Tag bekommen hier Bedürftige Frühstück und Abendessen sowie einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt. Bei lediglich 36 Betten, sind sie jeden Tag komplett ausgebucht. »Wir müssen jede Nacht eine oder zwei Personen an andere Obdachlosenunterkünfte in der Stadt verweisen, aber uns ist natürlich klar, daß gerade in so kalten Nächten wie heute viel mehr Menschen einen warmen Schlafplatz bräuchten.«
Die Stadt tut nicht viel, um die Obdachlosen zu unterstützen. Notunterkünfte wie die City Gospel Mission finanzieren sich über Spenden. Doch viele Menschen kommen gar nicht erst zu Obdachlosenheimen, um Hilfe zu erbitten. Auch in so brutal kalten Nächten fragen nicht mehr Menschen nach einem Schlafplatz als sonst. Ob aus Angst, Trotz oder Scham – das kann Sanni Johnson nicht sagen. Sie leitet das Drop Inn Center, die Notunterkunft für Obdachlose in Cincinnati. Hier können rund 100 Betroffene jede Nacht einen Schlafplatz finden und so zumindest für ein paar Stunden den arktischen Temperaturen entkommen. Die freiwilligen Helfer sind stets im Einsatz, um bei Notfällen an Ort und Stelle zu sein. »Wir bekommen auch Anrufe von besorgten Bürgern«, sagt Sanni Johnson. »Dann rücken unsere Helfer aus, um die Obdachlosen mit Essen, Decken oder Medikamenten zu versorgen und wenn es geht, in die Notunterkünfte mitzunehmen.« Doch auch Sanni Johnson weiß, daß sie nicht allen helfen können. »Für die anderen«, seufzt sie, »kann ich nur beten, daß sie die Nacht überstehen.«
jw
USA: Überlebenskampf der 700 Obdachlosen von Cincinnati bei arktischen Temperaturen
Von Marinela Potor, Ohio
Montag, 6. Januar 2014, Cincinnati, Ohio. Es ist acht Uhr abends, das Termometer zeigt minus 22 Grad Celsius an. Dazu weht ein eiskalter Wind, der die Temperaturen noch weiter sinken läßt, auf gefühlte minus 32 Grad. Die Kältewelle, die derzeit über 24 Staaten der USA fest im Griff hat, ist auch in Cincinnati klirrend spürbar. Seit 20 Jahren war es hier nicht mehr so kalt. Die Main Street, die Ausgehmeile, ist wie leer gefegt. Nur vereinzelt sieht man dick eingemummte Gestalten. Wer kann, bleibt bei diesen Temperaturen drinnen. Aber nicht jeder kann, denn nicht jeder hat ein warmes Zuhause. Viele der Menschen, die jetzt noch auf den Straßen herumirren, werden dies wohl noch den größten Teil des Abends tun. Entweder, um sich so warm zu halten oder weil sie auf der Suche nach einem warmen Luftschacht oder einem windgeschützten Eckchen sind, in dem sie übernachten können. Sie gehören zu den etwa 700 Obdachlosen, die jeden Abend in Cincinnati ohne ein Dach über dem Kopf aushalten müssen. In einer Nacht wie dieser wird dies zum Überlebenskampf.
Der Wetterdienst warnt davor, vor die Haustür zu treten; der Energieversorger Duke Energy bereitet sich mit Notfallplänen auf mögliche Stromausfälle vor; fast alle kulturellen Veranstaltungen wurden für die nächsten Tage abgesagt; die Schulen und Universitäten der Region bleiben geschlossen und auch viele Geschäfte haben gar nicht erst aufgemacht. Es herrscht Ausnahmezustand in der Millionenmetropole. Wie überlebt man also in Cincinnati bei diesen Temperaturen ohne einen geheizten Raum? »Wir versuchen so vielen Menschen wie wir können, ein Bett und eine warme Mahlzeit zu geben«, sagt dazu Tim Curtis vom Obdachlosenheim City Gospel Mission. Jeden Tag bekommen hier Bedürftige Frühstück und Abendessen sowie einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt. Bei lediglich 36 Betten, sind sie jeden Tag komplett ausgebucht. »Wir müssen jede Nacht eine oder zwei Personen an andere Obdachlosenunterkünfte in der Stadt verweisen, aber uns ist natürlich klar, daß gerade in so kalten Nächten wie heute viel mehr Menschen einen warmen Schlafplatz bräuchten.«
Die Stadt tut nicht viel, um die Obdachlosen zu unterstützen. Notunterkünfte wie die City Gospel Mission finanzieren sich über Spenden. Doch viele Menschen kommen gar nicht erst zu Obdachlosenheimen, um Hilfe zu erbitten. Auch in so brutal kalten Nächten fragen nicht mehr Menschen nach einem Schlafplatz als sonst. Ob aus Angst, Trotz oder Scham – das kann Sanni Johnson nicht sagen. Sie leitet das Drop Inn Center, die Notunterkunft für Obdachlose in Cincinnati. Hier können rund 100 Betroffene jede Nacht einen Schlafplatz finden und so zumindest für ein paar Stunden den arktischen Temperaturen entkommen. Die freiwilligen Helfer sind stets im Einsatz, um bei Notfällen an Ort und Stelle zu sein. »Wir bekommen auch Anrufe von besorgten Bürgern«, sagt Sanni Johnson. »Dann rücken unsere Helfer aus, um die Obdachlosen mit Essen, Decken oder Medikamenten zu versorgen und wenn es geht, in die Notunterkünfte mitzunehmen.« Doch auch Sanni Johnson weiß, daß sie nicht allen helfen können. »Für die anderen«, seufzt sie, »kann ich nur beten, daß sie die Nacht überstehen.«
jw