Luft der Bosse atmen
Der Lobbyistenklub Deutsches Verkehrsforum lud zum Parlamentarischen Abend und forderte zusätzlich vier Milliarden Euro pro Jahr für die Infrastruktur
Von Michael Merz
Transparenz widerspricht gemeinhin dem Zweck des Lobbyismus, zumal es diese Form der politischen Einflußnahme eigentlich gar nicht geben dürfte. Die Herren Interessenvertreter, wie sie sich offiziell nennen, versammeln sich überwiegend in stillen Grüppchen, flüstern gewogenen Politikern ein, spinnen die Fäden. Ihr Ziel betrachten Lobbyisten natürlicherweise als grob verfehlt, sollten sie sich allzu offensichtlich in die Karten schauen lassen.
Wenn aber die Mitgliederzahl einer wirtschaftlichen Interessenvereinigung wie beim Deutschen Verkehrsforum (DVF) den Status des exklusiven kleinen Clubs sprengt, wird es schwer, dichtzuhalten. Jeder, der irgend etwas mit Mobilität zu tun hat, ist dabei. Da kann die Interessenvertretung auch gleich Journalisten zum Parlamentarischen Abend einladen. Für Medienvertreter bietet sich so eine seltene Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Was sicher auch einiges über die beschränkte Schlagkraft der Lobbyisten des Deutschen Verkehrsforums aussagen mag, doch das ist deren Problem.
Prall gefüllt mit knapp 500 Menschen war am Dienstag abend der Saal des noblen Meliá-Hotels in der Berliner Friedrichstraße. Selbst der kleine mittelständische Unternehmer konnte sich während des Parlamentarischen Abends im Stolz suhlen, auf der gleichen Teilnehmerliste zu stehen wie die großen Player in Sachen Mobilität. Wenn schon keine Milliarden verschieben, dann zumindest dieselbe Luft atmen wie ein Hartmut Mehdorn oder ein Rüdiger Grube. 160 Unternehmen sind im Deutschen Verkehrsforum Mitglied. Auch zahlreiche Abgeordnete des Bundestages waren anwesend, hauptsächlich aus den Regierungsparteien. Sie alle haben sich der »Kontaktpflege« verschrieben. Auf das große »Hallo, auch mal wieder da« rund um das etliche Meter lange Büfett brauchte man nicht lang zu warten. »Ihr Unternehmen profitiert insbesondere von unserem äußerst umfangreichen Kontaktnetzwerk«, empfiehlt sich das Verkehrsforum auf seiner Website.
Alexander Dobrindt könne leider nicht kommen, eröffnete DVF-Chef Klaus-Peter Müller den Abend. Auch ohne daß der neue CSU-Verkehrsminister anwesend war, faßte Müller die Forderungen des DVF zusammen. Sie lassen sich im großen und ganzen darauf reduzieren, mehr Geld aus Bundesmitteln zu verlangen, um sie in die Infrastruktur zu investieren. Vier Milliarden sollen jährlich »on top« kommen. Eine Finanzierungsreform über Fonds oder Sondervermögen solle bei der neuen Regierung Priorität haben. Nebenschauplätze sind etwa die Befürwortung von Nachtflügen oder die Skepsis gegenüber der PKW-Maut.
Straße, Schiffahrt, Schiene und Luftverkehr sind auf dem Podium vertreten durch Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident für Verkehr des ADAC, Frank Dreeke, BLG Logistics Group, Bahnchef Grube und Fraport-Boß Stefan Schulte. Außer bei Schulte, der sich vornehmlich für »wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen« aussprach, ging es in ihren Statements fast nur um die marode Infrastruktur, die dringend repariert werden müsse – seien es die kaputten Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals, Stellwerke »aus Kaisers Zeiten« oder die A1-Rheinbrücke in Leverkusen, die wegen Schäden gesperrt wurde.
Daß keine heißen Eisen wie ein Tempolimit oder die völlig unzureichende Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene während dieser Veranstaltung angesprochen werden, versteht sich fast von selbst. Amüsant wurde es, wenn sich die Vertreter der einzelnen Verkehrswege untereinander in den Karren fuhren, um ihre Akzeptanz und Bedeutung zu unterstreichen. Beispiel Stefan Schulte: Eine Untersuchung hätte ergeben, daß sich viele Millionen Menschen durch den Lärm von Schiene und Straße belästigt fühlten. »Aber nur 260000 Menschen durch den Luftverkehr!« Betretenes Schweigen auf dem Restpodium.
Kritische Fragen wurden hernach abgebügelt. Etwa die von Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn nach der Meinung Grubes zum Deutschlandtakt, einer Initiative für einen integralen Fahrplan, der Wartezeiten für Fahrgäste vermeiden soll. Grube: »Wir sind offen, das Ganze ist wahnsinnig teuer, wir werden das Thema analysieren.« Ein lästiger Rundfunkvertreter, der von ihm wissen wollte, ob Exminister Ronald Pofalla denn tatsächlich zur Bahn wechsele, wurde mit »Die Frage hätten Sie sich sparen können« abgespeist. Höhnisches Gelächter im Saal. Auch die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms hatte keinen leichten Stand bei den Anwesenden, als sie anmahnte, Mittel nicht verlottern zu lassen und alternative Modelle zur Finanzierung der Infrastruktur zu finden. »Wir müssen wegkommen von den Wunschlisten rund um den Bundesverkehrswegeplan«, sagte sie später im Gespräch mit jW.
Die Teilnehmer des Verkehrsforums wollen so etwas jedoch nicht hören. Schon längst kontaktet die Masse auf der Freßmeile. Und die Erkenntnis des Abends vermittelt ein älterer Herr zu fortgeschrittener Stunde: »Das Verkehrsforum ist ein Club, der nicht wirklich was zu sagen hat.« Nicht vorhandene Systemrelevanz ist wohl das Schlimmste, was einer Lobbyorganisation vorgeworfen werden kann.
jw
Der Lobbyistenklub Deutsches Verkehrsforum lud zum Parlamentarischen Abend und forderte zusätzlich vier Milliarden Euro pro Jahr für die Infrastruktur
Von Michael Merz
Transparenz widerspricht gemeinhin dem Zweck des Lobbyismus, zumal es diese Form der politischen Einflußnahme eigentlich gar nicht geben dürfte. Die Herren Interessenvertreter, wie sie sich offiziell nennen, versammeln sich überwiegend in stillen Grüppchen, flüstern gewogenen Politikern ein, spinnen die Fäden. Ihr Ziel betrachten Lobbyisten natürlicherweise als grob verfehlt, sollten sie sich allzu offensichtlich in die Karten schauen lassen.
Wenn aber die Mitgliederzahl einer wirtschaftlichen Interessenvereinigung wie beim Deutschen Verkehrsforum (DVF) den Status des exklusiven kleinen Clubs sprengt, wird es schwer, dichtzuhalten. Jeder, der irgend etwas mit Mobilität zu tun hat, ist dabei. Da kann die Interessenvertretung auch gleich Journalisten zum Parlamentarischen Abend einladen. Für Medienvertreter bietet sich so eine seltene Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Was sicher auch einiges über die beschränkte Schlagkraft der Lobbyisten des Deutschen Verkehrsforums aussagen mag, doch das ist deren Problem.
Prall gefüllt mit knapp 500 Menschen war am Dienstag abend der Saal des noblen Meliá-Hotels in der Berliner Friedrichstraße. Selbst der kleine mittelständische Unternehmer konnte sich während des Parlamentarischen Abends im Stolz suhlen, auf der gleichen Teilnehmerliste zu stehen wie die großen Player in Sachen Mobilität. Wenn schon keine Milliarden verschieben, dann zumindest dieselbe Luft atmen wie ein Hartmut Mehdorn oder ein Rüdiger Grube. 160 Unternehmen sind im Deutschen Verkehrsforum Mitglied. Auch zahlreiche Abgeordnete des Bundestages waren anwesend, hauptsächlich aus den Regierungsparteien. Sie alle haben sich der »Kontaktpflege« verschrieben. Auf das große »Hallo, auch mal wieder da« rund um das etliche Meter lange Büfett brauchte man nicht lang zu warten. »Ihr Unternehmen profitiert insbesondere von unserem äußerst umfangreichen Kontaktnetzwerk«, empfiehlt sich das Verkehrsforum auf seiner Website.
Alexander Dobrindt könne leider nicht kommen, eröffnete DVF-Chef Klaus-Peter Müller den Abend. Auch ohne daß der neue CSU-Verkehrsminister anwesend war, faßte Müller die Forderungen des DVF zusammen. Sie lassen sich im großen und ganzen darauf reduzieren, mehr Geld aus Bundesmitteln zu verlangen, um sie in die Infrastruktur zu investieren. Vier Milliarden sollen jährlich »on top« kommen. Eine Finanzierungsreform über Fonds oder Sondervermögen solle bei der neuen Regierung Priorität haben. Nebenschauplätze sind etwa die Befürwortung von Nachtflügen oder die Skepsis gegenüber der PKW-Maut.
Straße, Schiffahrt, Schiene und Luftverkehr sind auf dem Podium vertreten durch Ulrich Klaus Becker, Vizepräsident für Verkehr des ADAC, Frank Dreeke, BLG Logistics Group, Bahnchef Grube und Fraport-Boß Stefan Schulte. Außer bei Schulte, der sich vornehmlich für »wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen« aussprach, ging es in ihren Statements fast nur um die marode Infrastruktur, die dringend repariert werden müsse – seien es die kaputten Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals, Stellwerke »aus Kaisers Zeiten« oder die A1-Rheinbrücke in Leverkusen, die wegen Schäden gesperrt wurde.
Daß keine heißen Eisen wie ein Tempolimit oder die völlig unzureichende Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene während dieser Veranstaltung angesprochen werden, versteht sich fast von selbst. Amüsant wurde es, wenn sich die Vertreter der einzelnen Verkehrswege untereinander in den Karren fuhren, um ihre Akzeptanz und Bedeutung zu unterstreichen. Beispiel Stefan Schulte: Eine Untersuchung hätte ergeben, daß sich viele Millionen Menschen durch den Lärm von Schiene und Straße belästigt fühlten. »Aber nur 260000 Menschen durch den Luftverkehr!« Betretenes Schweigen auf dem Restpodium.
Kritische Fragen wurden hernach abgebügelt. Etwa die von Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn nach der Meinung Grubes zum Deutschlandtakt, einer Initiative für einen integralen Fahrplan, der Wartezeiten für Fahrgäste vermeiden soll. Grube: »Wir sind offen, das Ganze ist wahnsinnig teuer, wir werden das Thema analysieren.« Ein lästiger Rundfunkvertreter, der von ihm wissen wollte, ob Exminister Ronald Pofalla denn tatsächlich zur Bahn wechsele, wurde mit »Die Frage hätten Sie sich sparen können« abgespeist. Höhnisches Gelächter im Saal. Auch die Grünen-Abgeordnete Valerie Wilms hatte keinen leichten Stand bei den Anwesenden, als sie anmahnte, Mittel nicht verlottern zu lassen und alternative Modelle zur Finanzierung der Infrastruktur zu finden. »Wir müssen wegkommen von den Wunschlisten rund um den Bundesverkehrswegeplan«, sagte sie später im Gespräch mit jW.
Die Teilnehmer des Verkehrsforums wollen so etwas jedoch nicht hören. Schon längst kontaktet die Masse auf der Freßmeile. Und die Erkenntnis des Abends vermittelt ein älterer Herr zu fortgeschrittener Stunde: »Das Verkehrsforum ist ein Club, der nicht wirklich was zu sagen hat.« Nicht vorhandene Systemrelevanz ist wohl das Schlimmste, was einer Lobbyorganisation vorgeworfen werden kann.
jw