Option: Zerschlagen
Libor, Kirch-Pleite, US-Immobiliendeals: Die Deutsche Bank macht, was sie will. Politik und staatliche Aufsicht laufen schon bei dem Versuch einer Kontrolle auf
Von Klaus Fischer
Wie nennt man das, wenn der Staat vor einer Bank kapituliert? Vermutlich Alltag. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, einem der wirtschaftlich stärksten Staaten der Erde. Ende vergangener Woche wurde ein Brief publik. Abgeschickt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Bonn, adressiert an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Paul Achleitner. Das Schreiben galt als intern, war sozusagen ein Argument im Dialog zwischen Aufsichtsbehörde und bestalltem Chefkontrolleur des Finanzkonzerns. Und es war nicht in freundlichem Ton gehalten. Darin rügt die BaFin Achleitner und den Vorstand des Geldhauses scharf für deren unzureichende Aufklärungsarbeit bei der sogenannten Libor-Affäre. An die öffentliche Glocke gehängt wurde das nicht von der BaFin, erst recht nicht von der betroffenen Bank, sondern vom Spiegel. Sofort kursierten Gerüchte, die Information sei von den Behörden oder gar vom Finanzministerium (Minister Schäuble und Bankchef Fitschen hatten sich kürzlich einen öffentlichen Schlagabtausch geliefert) lanciert worden, um dem Kreditinstitut eins auszuwischen. Allein die Vermutung läßt ahnen, wie hilflos Staat und Staatsdiener dem Geldhaus gegenüberstehen.
Dabei war Libor (London Interbank Offered Rate) keine Kleinigkeit. Deutschbanker hatten – wie diverse Handlanger mehrerer anderer global agierender Bankgiganten – jahrelang den Interbanken-Referenzzinssatz Libor manipuliert. Und damit Extragewinne auf Kosten von Kunden und nichtbeteiligten Banken gemacht. Als das am Haupttatort London aufflog, wurden nicht etwa scharenweise Bank (st)er verhaftet und betroffene Bereiche der Institute geschlossen. Statt dessen wurde »ermittelt« und so getan, als gehe die Aufklärung ihren rechtsstaatlichen Gang. Aber außer Geldbußen für die beteiligten Konzerne kam bislang wenig heraus. Zur Freude der Täter.
In dem vom Spiegel thematisierten Brief an Achleitner vom August 2013 hält die BaFin dem Kontrolleur indirekt vor, bei der vermeintlichen Libor-Aufklärung den Bock zum Gärtner gemacht zu haben. »Wesentliche Aspekte der Untersuchung und Berichterstattung« seien von Richard Walker verantwortet worden. Dieser habe als Chefjurist und Mitglied des erweiterten Vorstands jenem »Senior Management« angehört, das untersucht werden sollte, monierten die BaFin-Leute. Nicht bekannt ist, ob und was der Aufsichtsratschef geantwortet hat. Vermutlich ein paar höfliche Floskeln.
Achleitner ist eine der wichtigsten Personen unter den Funktionären des deutschen Finanzkapitals. Der ehemalige Goldman-Sachs-Manager und Finanzvorstand der Allianz bildet gemeinsam mit seiner Ehefrau Ann-Kristin eine Art Netzwerkknoten der Kapitalinteressen – die »Deutschland WG« (Handelsblatt). Er kontrolliert neben der Deutschen Bank bei Daimler, Bayer, RWE und Henkel – Ann-Kristin bei Munich Re/Münchner Rück, Linde und Metro sowie GDF-Suez (F) und Vontobel (Sui). So geht »Wirtschaft« im Alltag.
Fazit: Die Deutsche Bank bleibt unkontrollierbar. Zwar legten sich Politiker und staatliche Kontrolleure zuletzt öfter mit dem Finanzmoloch an als früher. Tendierte die Wirkung der vermeintlichen Aufsicht damals gegen null, hat sich das ein wenig geändert. Da sind der immer deutlicher zu Tage tretende Kirch-Skandal, der Immobilienhypothekenskandal in den USA, nicht zuletzt die Libor-Manipulationen. Alles Teile einer langen Liste von Machenschaften der kleinen Götter in den großen Bankentürmen. Und der robuste Umgang mit Recht und Gesetz zeigt Wirkung. Anscheinend sind selbst bisher ruhiggestellte oder wohlwollende staatliche und gesellschaftliche Multiplikatoren mißtrauisch geworden, gehen vorsichtig auf Distanz zu den Deutschbankern.
Dabei könnte alles prima weiterlaufen, würden die Vorstände und Investmentgurus nicht regelmäßig Opfer ihrer Hybris. Banker und Fondsmanager, also Großspekulanten jeder Couleur, haben sich warm eingerichtet. Staaten und deren Vorschriften gelten allenfalls als Ärgernisse, mit denen man schon klarkommt. Eine ganze Industrie international agierender Rechtsverdreher hat sich darauf spezialisiert, entweder entsprechende Gesetze für die Staaten selbst auszuarbeiten und/oder sie auf Lücken für die Finanzakrobaten zu durchforsten. Im Auftrag und im Sold der Finanzkonzerne. Eine mächtige Lobby hat zudem bislang jedwede ernsthafte Form der Bankenregulierung zum Nutzen der Gesellschaft verhindert, auch und gerade in EU-Europa. Jüngstes Beispiel ist der am Sonntag in Basel verkündete Verzicht, Spekulationspapiere mit deutlich mehr Eigenkapital als bislang hinterlegen zu müssen. Auch die europäische »Bankenunion« dürfte sich bald in der Praxis als Farce herausstellen. Mit ihren zwei tragenden Säulen »Kontrolle« (hier darf sich die Europäische Zentralbank EZB als Aufseher aufspielen) und »Abwicklung« (da sollen angeblich nicht mehr die Steuerbürger bei Pleiten haften, aber keiner sagt, wie das tatsächlich funktionieren könnte) ist sie eher als Placebo konzipiert. Letztlich läuft jede Überlegung, wie Banken auch im realen Kapitalismus an die Kandare genommen werden, jedoch auf die Gretchenfrage hinaus: Besteht der politische Wille und läßt der sich umsetzen? Denn als einzige Alternative zum Weiterwurschteln – inklusive erneuter kommender »Bankenrettungen« – steht die Aufspaltung der Giganten. Das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die EU. Der dann womöglich ausufernden Marktmacht der Oligopole aus USA oder Großbritannien könnte ebenfalls mit Regulierung begegnet werden. Blöd nur, daß dies in Konzerneuropa völlig illusorisch ist.
jw
Libor, Kirch-Pleite, US-Immobiliendeals: Die Deutsche Bank macht, was sie will. Politik und staatliche Aufsicht laufen schon bei dem Versuch einer Kontrolle auf
Von Klaus Fischer
Wie nennt man das, wenn der Staat vor einer Bank kapituliert? Vermutlich Alltag. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, einem der wirtschaftlich stärksten Staaten der Erde. Ende vergangener Woche wurde ein Brief publik. Abgeschickt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Bonn, adressiert an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Paul Achleitner. Das Schreiben galt als intern, war sozusagen ein Argument im Dialog zwischen Aufsichtsbehörde und bestalltem Chefkontrolleur des Finanzkonzerns. Und es war nicht in freundlichem Ton gehalten. Darin rügt die BaFin Achleitner und den Vorstand des Geldhauses scharf für deren unzureichende Aufklärungsarbeit bei der sogenannten Libor-Affäre. An die öffentliche Glocke gehängt wurde das nicht von der BaFin, erst recht nicht von der betroffenen Bank, sondern vom Spiegel. Sofort kursierten Gerüchte, die Information sei von den Behörden oder gar vom Finanzministerium (Minister Schäuble und Bankchef Fitschen hatten sich kürzlich einen öffentlichen Schlagabtausch geliefert) lanciert worden, um dem Kreditinstitut eins auszuwischen. Allein die Vermutung läßt ahnen, wie hilflos Staat und Staatsdiener dem Geldhaus gegenüberstehen.
Dabei war Libor (London Interbank Offered Rate) keine Kleinigkeit. Deutschbanker hatten – wie diverse Handlanger mehrerer anderer global agierender Bankgiganten – jahrelang den Interbanken-Referenzzinssatz Libor manipuliert. Und damit Extragewinne auf Kosten von Kunden und nichtbeteiligten Banken gemacht. Als das am Haupttatort London aufflog, wurden nicht etwa scharenweise Bank (st)er verhaftet und betroffene Bereiche der Institute geschlossen. Statt dessen wurde »ermittelt« und so getan, als gehe die Aufklärung ihren rechtsstaatlichen Gang. Aber außer Geldbußen für die beteiligten Konzerne kam bislang wenig heraus. Zur Freude der Täter.
In dem vom Spiegel thematisierten Brief an Achleitner vom August 2013 hält die BaFin dem Kontrolleur indirekt vor, bei der vermeintlichen Libor-Aufklärung den Bock zum Gärtner gemacht zu haben. »Wesentliche Aspekte der Untersuchung und Berichterstattung« seien von Richard Walker verantwortet worden. Dieser habe als Chefjurist und Mitglied des erweiterten Vorstands jenem »Senior Management« angehört, das untersucht werden sollte, monierten die BaFin-Leute. Nicht bekannt ist, ob und was der Aufsichtsratschef geantwortet hat. Vermutlich ein paar höfliche Floskeln.
Achleitner ist eine der wichtigsten Personen unter den Funktionären des deutschen Finanzkapitals. Der ehemalige Goldman-Sachs-Manager und Finanzvorstand der Allianz bildet gemeinsam mit seiner Ehefrau Ann-Kristin eine Art Netzwerkknoten der Kapitalinteressen – die »Deutschland WG« (Handelsblatt). Er kontrolliert neben der Deutschen Bank bei Daimler, Bayer, RWE und Henkel – Ann-Kristin bei Munich Re/Münchner Rück, Linde und Metro sowie GDF-Suez (F) und Vontobel (Sui). So geht »Wirtschaft« im Alltag.
Fazit: Die Deutsche Bank bleibt unkontrollierbar. Zwar legten sich Politiker und staatliche Kontrolleure zuletzt öfter mit dem Finanzmoloch an als früher. Tendierte die Wirkung der vermeintlichen Aufsicht damals gegen null, hat sich das ein wenig geändert. Da sind der immer deutlicher zu Tage tretende Kirch-Skandal, der Immobilienhypothekenskandal in den USA, nicht zuletzt die Libor-Manipulationen. Alles Teile einer langen Liste von Machenschaften der kleinen Götter in den großen Bankentürmen. Und der robuste Umgang mit Recht und Gesetz zeigt Wirkung. Anscheinend sind selbst bisher ruhiggestellte oder wohlwollende staatliche und gesellschaftliche Multiplikatoren mißtrauisch geworden, gehen vorsichtig auf Distanz zu den Deutschbankern.
Dabei könnte alles prima weiterlaufen, würden die Vorstände und Investmentgurus nicht regelmäßig Opfer ihrer Hybris. Banker und Fondsmanager, also Großspekulanten jeder Couleur, haben sich warm eingerichtet. Staaten und deren Vorschriften gelten allenfalls als Ärgernisse, mit denen man schon klarkommt. Eine ganze Industrie international agierender Rechtsverdreher hat sich darauf spezialisiert, entweder entsprechende Gesetze für die Staaten selbst auszuarbeiten und/oder sie auf Lücken für die Finanzakrobaten zu durchforsten. Im Auftrag und im Sold der Finanzkonzerne. Eine mächtige Lobby hat zudem bislang jedwede ernsthafte Form der Bankenregulierung zum Nutzen der Gesellschaft verhindert, auch und gerade in EU-Europa. Jüngstes Beispiel ist der am Sonntag in Basel verkündete Verzicht, Spekulationspapiere mit deutlich mehr Eigenkapital als bislang hinterlegen zu müssen. Auch die europäische »Bankenunion« dürfte sich bald in der Praxis als Farce herausstellen. Mit ihren zwei tragenden Säulen »Kontrolle« (hier darf sich die Europäische Zentralbank EZB als Aufseher aufspielen) und »Abwicklung« (da sollen angeblich nicht mehr die Steuerbürger bei Pleiten haften, aber keiner sagt, wie das tatsächlich funktionieren könnte) ist sie eher als Placebo konzipiert. Letztlich läuft jede Überlegung, wie Banken auch im realen Kapitalismus an die Kandare genommen werden, jedoch auf die Gretchenfrage hinaus: Besteht der politische Wille und läßt der sich umsetzen? Denn als einzige Alternative zum Weiterwurschteln – inklusive erneuter kommender »Bankenrettungen« – steht die Aufspaltung der Giganten. Das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die EU. Der dann womöglich ausufernden Marktmacht der Oligopole aus USA oder Großbritannien könnte ebenfalls mit Regulierung begegnet werden. Blöd nur, daß dies in Konzerneuropa völlig illusorisch ist.
jw