Teurer Flop
Bundesrechnungshof prüft Deutschlandstipendium. Millionenschwere Werbekampagnen verpuffen wirkungslos. Programm bleibt weit hinter Zielen zurück
Von Ralf Wurzbacher
Auf der Webseite zum Deutschlandstipendium prangt nebst dem Bild einer lächelnden Johanna Wanka (CDU) in großen Lettern: »Ein voller Erfolg für Sie und sie«. Das zweite »sie« ist nicht auf die amtierende Bundesbildungsministerin, sondern eine Stipendiatin gemünzt, die sich über ihre Förderung freut. Dazu hat sie allen Grund, denn viele können das nicht. Nach bald drei Jahren, die das Programm existiert, kommen heute gerade einmal 14000 zum Zuge. Eigentlich hätten zu diesem Zeitpunkt fast doppelt so viele versorgt sein sollen, in ein paar Jahren gar acht Prozent aller Studierenden. 2012 waren es nur 0,6 Prozent, und ginge es in dem Tempo weiter, wäre das Langzeitziel »erst in über 20 Jahren« zu schaffen.
Die Prognose hat nicht irgendwer angestellt, sie stammt vom Bundesrechnungshof (BRH) und steht so schwarz auf weiß in seinem Jahresbericht 2013. Den Finanzwächtern mißfällt aber nicht nur die Hängepartie, die das Deutschlandstipendium hinlegt, mehr noch stören sie sich an den Kosten, die es den Steuerzahlern beschert. So seien zwischen 2010 und bis 2012 lediglich 60 Prozent der bereitgestellten Bundesmittel in Form von Stipendien an die Geförderten geflossen. Auf den »Durchführungsaufwand« wären dagegen knapp 40 Prozent des Budgets entfallen.
Damit sind vor allem Marketingausgaben gemeint. Bereits im Spätsommer des Vorjahres war publik geworden, daß das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gleich fünf Werbeagenturen zur Erarbeitung von Mediastrategien für das Deutschlandstipendium unter Vertrag genommen hat. Dazu paßte, daß das BMBF der Werbebranche auch sonst sehr zugetan ist. Seit 2009 beliefen sich seine Aufwendungen für externe Expertise auf knapp eine halbe Milliarde Euro, womit es fast doppelt soviel Geld dafür locker machte wie alle anderen Ministerien zusammen. Die Berichte über das »Berater-Eldorado« riefen damals SPD und Grüne mit der Forderung auf den Plan, der Rechnungshof müsse sich der Sache annehmen.
Genau das geschieht jetzt. Bis Ende des Jahres will der BRH das Deutschlandstipendium einer Prüfung unterziehen und dabei vor allem der Frage nachgehen, warum die Maßnahme so immense Verwaltungskosten verursacht. Das sei »bedenklich«, sagte dazu ein Behördensprecher dem Tagesspiegel. Vor allem dürfte es die Finanzkontrolleure befremden, daß der ganze PR-Aufwand ziemlich wirkungslos verpufft. In ihrem Jahresbericht bemerken sie denn auch, das BMBF habe von den bis 2012 für das Programm bereitgestellten 56,7 Millionen Euro »aufgrund der geringen Anzahl von Stipendiaten« mit 25,3 Millionen Euro »weniger als die Hälfte« ausgegeben. Das ist eine Seltenheit in der Politik: Man will viel Geld ausgeben, findet aber einfach keine Abnehmer.
In diesem Fall fehlt es vor allem an den nötigen privaten Förderern. Ein Stipendium kommt nur zustande, wenn sich ein Geldgeber aus der Wirtschaft, von Stiftungen oder eine Einzelperson findet, die die Hälfte der monatlichen Fördersumme von 300 Euro zuschießt. Den anderen Teil trägt der Bund. Im Unternehmerlager herrscht aber bis heute die Haltung vor: »Warum in etwas Geld stecken, was bisher der Staat geleistet hat.« Weil das die Macher nicht bedachten, war der Flop programmiert: 2011, im Jahr der Einführung, gab es nur kümmerliche 5400 Geförderte, und in den beiden Folgejahren wurde es aller Propaganda zum Trotz kaum besser.
Daß das Instrument deshalb »eingemottet« wird, wie es die Juso-Hochschulgruppen in der Vorwoche verlangten, ist dennoch nicht absehbar. Die Bundesregierung will für die Jahre 2013 bis 2017 insgesamt 275 Millionen Euro dafür aufwenden, obwohl mit der SPD ein erklärter Gegner des Programms mit im Boot sitzt. Immerhin hat man sich vom Acht-Prozent-Ziel verabschiedet. Bis 2017 sollen laut Koalitionsvertrag lediglich zwei Prozent aller Studierenden zum Zuge kommen. Die SPD-Fraktion will nun zunächst darauf hinwirken, die Verwaltungskosten zu senken. Dann solle aber auch die Berechtigung des gesamten Programms kritisch geprüft werden. Trotz der Kompromisse mit der Union sei es »nicht für die ganze Legislaturperiode tabu«.
Für seine Gegner im Studierenden- und Gewerkschaftslager ist das Deutschlandstipendium vor allem wegen seiner elitären Ausrichtung verpönt. Unter den Stipendiaten befinden sich nicht einmal zehn Prozent BAföG-Empfänger, und laut Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) stammen nur 23 Prozent der Geförderten aus Nichtakademikerfamilien. Außerdem, so die Kritiker, verschlinge das Deutschlandstipendium Geld, das dringend für eine überfällige BAföG-Reform benötigt werde. Dazu findet sich im Koalitionsvertrag allerdings kein Wort.
jw
Bundesrechnungshof prüft Deutschlandstipendium. Millionenschwere Werbekampagnen verpuffen wirkungslos. Programm bleibt weit hinter Zielen zurück
Von Ralf Wurzbacher
Auf der Webseite zum Deutschlandstipendium prangt nebst dem Bild einer lächelnden Johanna Wanka (CDU) in großen Lettern: »Ein voller Erfolg für Sie und sie«. Das zweite »sie« ist nicht auf die amtierende Bundesbildungsministerin, sondern eine Stipendiatin gemünzt, die sich über ihre Förderung freut. Dazu hat sie allen Grund, denn viele können das nicht. Nach bald drei Jahren, die das Programm existiert, kommen heute gerade einmal 14000 zum Zuge. Eigentlich hätten zu diesem Zeitpunkt fast doppelt so viele versorgt sein sollen, in ein paar Jahren gar acht Prozent aller Studierenden. 2012 waren es nur 0,6 Prozent, und ginge es in dem Tempo weiter, wäre das Langzeitziel »erst in über 20 Jahren« zu schaffen.
Die Prognose hat nicht irgendwer angestellt, sie stammt vom Bundesrechnungshof (BRH) und steht so schwarz auf weiß in seinem Jahresbericht 2013. Den Finanzwächtern mißfällt aber nicht nur die Hängepartie, die das Deutschlandstipendium hinlegt, mehr noch stören sie sich an den Kosten, die es den Steuerzahlern beschert. So seien zwischen 2010 und bis 2012 lediglich 60 Prozent der bereitgestellten Bundesmittel in Form von Stipendien an die Geförderten geflossen. Auf den »Durchführungsaufwand« wären dagegen knapp 40 Prozent des Budgets entfallen.
Damit sind vor allem Marketingausgaben gemeint. Bereits im Spätsommer des Vorjahres war publik geworden, daß das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gleich fünf Werbeagenturen zur Erarbeitung von Mediastrategien für das Deutschlandstipendium unter Vertrag genommen hat. Dazu paßte, daß das BMBF der Werbebranche auch sonst sehr zugetan ist. Seit 2009 beliefen sich seine Aufwendungen für externe Expertise auf knapp eine halbe Milliarde Euro, womit es fast doppelt soviel Geld dafür locker machte wie alle anderen Ministerien zusammen. Die Berichte über das »Berater-Eldorado« riefen damals SPD und Grüne mit der Forderung auf den Plan, der Rechnungshof müsse sich der Sache annehmen.
Genau das geschieht jetzt. Bis Ende des Jahres will der BRH das Deutschlandstipendium einer Prüfung unterziehen und dabei vor allem der Frage nachgehen, warum die Maßnahme so immense Verwaltungskosten verursacht. Das sei »bedenklich«, sagte dazu ein Behördensprecher dem Tagesspiegel. Vor allem dürfte es die Finanzkontrolleure befremden, daß der ganze PR-Aufwand ziemlich wirkungslos verpufft. In ihrem Jahresbericht bemerken sie denn auch, das BMBF habe von den bis 2012 für das Programm bereitgestellten 56,7 Millionen Euro »aufgrund der geringen Anzahl von Stipendiaten« mit 25,3 Millionen Euro »weniger als die Hälfte« ausgegeben. Das ist eine Seltenheit in der Politik: Man will viel Geld ausgeben, findet aber einfach keine Abnehmer.
In diesem Fall fehlt es vor allem an den nötigen privaten Förderern. Ein Stipendium kommt nur zustande, wenn sich ein Geldgeber aus der Wirtschaft, von Stiftungen oder eine Einzelperson findet, die die Hälfte der monatlichen Fördersumme von 300 Euro zuschießt. Den anderen Teil trägt der Bund. Im Unternehmerlager herrscht aber bis heute die Haltung vor: »Warum in etwas Geld stecken, was bisher der Staat geleistet hat.« Weil das die Macher nicht bedachten, war der Flop programmiert: 2011, im Jahr der Einführung, gab es nur kümmerliche 5400 Geförderte, und in den beiden Folgejahren wurde es aller Propaganda zum Trotz kaum besser.
Daß das Instrument deshalb »eingemottet« wird, wie es die Juso-Hochschulgruppen in der Vorwoche verlangten, ist dennoch nicht absehbar. Die Bundesregierung will für die Jahre 2013 bis 2017 insgesamt 275 Millionen Euro dafür aufwenden, obwohl mit der SPD ein erklärter Gegner des Programms mit im Boot sitzt. Immerhin hat man sich vom Acht-Prozent-Ziel verabschiedet. Bis 2017 sollen laut Koalitionsvertrag lediglich zwei Prozent aller Studierenden zum Zuge kommen. Die SPD-Fraktion will nun zunächst darauf hinwirken, die Verwaltungskosten zu senken. Dann solle aber auch die Berechtigung des gesamten Programms kritisch geprüft werden. Trotz der Kompromisse mit der Union sei es »nicht für die ganze Legislaturperiode tabu«.
Für seine Gegner im Studierenden- und Gewerkschaftslager ist das Deutschlandstipendium vor allem wegen seiner elitären Ausrichtung verpönt. Unter den Stipendiaten befinden sich nicht einmal zehn Prozent BAföG-Empfänger, und laut Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) stammen nur 23 Prozent der Geförderten aus Nichtakademikerfamilien. Außerdem, so die Kritiker, verschlinge das Deutschlandstipendium Geld, das dringend für eine überfällige BAföG-Reform benötigt werde. Dazu findet sich im Koalitionsvertrag allerdings kein Wort.
jw