Ein Quantum Druck
NSA-Affäre und Antispionageabkommen: Deutsche Politiker verlieren Zurückhaltung gegenüber den USA. Aktuelle Stunde im Bundestag auf Antrag der Linken
Von Michael Merz
Immer neue Enthüllungen demaskieren die Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA. In der Nacht zu Mittwoch schrieb die New York Times auf ihrer Website, daß die NSA in knapp 100000 Computern weltweit ihre Software eingespeist habe. Damit sei es einerseits möglich, Geräte und private Netzwerke auch ohne Internetverbindung zu überwachen. Außerdem könne die NSA Cyberattacken veranlassen. Der Dienst selbst beschrieb das Programm mit dem Codenamen »Quantum«.
Angesichts des drohenden Scheiterns des Antispionageabkommens mit den USA (jW berichtete) wird der Ton deutscher Politiker zunehmend rauher. Selbst konservative Politiker üben sich nicht mehr in diplomatischer Zurückhaltung und drohen mit Konsequenzen, sollten sich die US-Amerikaner weiter stur stellen. »Selbst wenn man ein No-Spy-Abkommen aufschreiben könnte, es muß auch mehr sein als das Papier, auf dem es steht«, sagte Philipp Mißfelder (CDU), Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. In den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen sollten verstärkt deutsche und europäische Interessen eine Rolle spielen. Der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (FDP) forderte ein Eingreifen der Bundesanwaltschaft. Außerdem nannte er im Deutschlandfunk weitere Druckmittel: das Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten und das Abkommen über den Austausch von Fluggastdaten.
Deutlichere Worte fanden Abgeordnete der Linken. Man solle gegenüber den USA klarmachen, »das sind Spielregeln unter Freunden, und entweder ihr macht das mit oder wir müssen andere Saiten aufziehen«, so der Geheimdienstexperte Steffen Bockhahn. Bockhahn wies im RBB auf ein mögliches Nichtzustandekommen des Freihandelsabkommens hin. Auf Antrag der Linksfraktion fand am Mittwoch nachmittag eine Aktuelle Stunde im Parlament statt. Jan Korte sagte am Rednerpult, die Abhöraffäre sei ein fundamentaler Angriff auf die Grundfesten der Demokratie und die Haltung der Bundesregierung eine »bodenlose Frechheit«. Sie solle auch vor der eigenen Haustür kehren – »die Datensammelwütigen sitzen im eigenen Land«. Korte forderte: »Kündigen Sie umgehend die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen auf.« Denn die Sprache der Wirtschaft würde in den USA verstanden. Außerdem solle der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar als Sonderermittler mit allen Kompetenzen eingesetzt werden. Mit Blick auf die Spionage aus Botschaften heraus sollen auch Diplomaten Konsequenzen zu spüren bekommen: »Wer spioniert, der fliegt«, so Korte in freier Interpretation eines CSU-Slogans. Und an die Regierungsbank gerichtet rief er: »Es wird Zeit, daß das Gepenne ein Ende hat.«
Daran, daß die Spionage der NSA in langjähriger Tradition steht, erinnerte in der letzten Woche ein Beitrag im 3sat-Magazin »Kulturzeit«. Es ging um die US-Abhörstation auf dem Berliner Teufelsberg, die US-Agenten lauschten nicht nur im Osten mit. In den 80er Jahren hatten Mitarbeiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes herausgefunden, daß die BRD vom Bündnispartner ausspioniert wurde. »Damals hatten wir den Spruch: In Gott vertrauen wir, alle anderen hören wir ab«, sagte der ehemalige Abhörspezialist Christopher McLaren in dem Fernsehbeitrag. Auch das Wissen des Chefs der ehemaligen Gauck-Behörde und jetzigen Bundespräsidenten über diese Tatsache und der Umgang mit den entsprechenden Akten wurden thematisiert.
jw
NSA-Affäre und Antispionageabkommen: Deutsche Politiker verlieren Zurückhaltung gegenüber den USA. Aktuelle Stunde im Bundestag auf Antrag der Linken
Von Michael Merz
Immer neue Enthüllungen demaskieren die Spionageaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA. In der Nacht zu Mittwoch schrieb die New York Times auf ihrer Website, daß die NSA in knapp 100000 Computern weltweit ihre Software eingespeist habe. Damit sei es einerseits möglich, Geräte und private Netzwerke auch ohne Internetverbindung zu überwachen. Außerdem könne die NSA Cyberattacken veranlassen. Der Dienst selbst beschrieb das Programm mit dem Codenamen »Quantum«.
Angesichts des drohenden Scheiterns des Antispionageabkommens mit den USA (jW berichtete) wird der Ton deutscher Politiker zunehmend rauher. Selbst konservative Politiker üben sich nicht mehr in diplomatischer Zurückhaltung und drohen mit Konsequenzen, sollten sich die US-Amerikaner weiter stur stellen. »Selbst wenn man ein No-Spy-Abkommen aufschreiben könnte, es muß auch mehr sein als das Papier, auf dem es steht«, sagte Philipp Mißfelder (CDU), Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. In den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen sollten verstärkt deutsche und europäische Interessen eine Rolle spielen. Der EU-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff (FDP) forderte ein Eingreifen der Bundesanwaltschaft. Außerdem nannte er im Deutschlandfunk weitere Druckmittel: das Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten und das Abkommen über den Austausch von Fluggastdaten.
Deutlichere Worte fanden Abgeordnete der Linken. Man solle gegenüber den USA klarmachen, »das sind Spielregeln unter Freunden, und entweder ihr macht das mit oder wir müssen andere Saiten aufziehen«, so der Geheimdienstexperte Steffen Bockhahn. Bockhahn wies im RBB auf ein mögliches Nichtzustandekommen des Freihandelsabkommens hin. Auf Antrag der Linksfraktion fand am Mittwoch nachmittag eine Aktuelle Stunde im Parlament statt. Jan Korte sagte am Rednerpult, die Abhöraffäre sei ein fundamentaler Angriff auf die Grundfesten der Demokratie und die Haltung der Bundesregierung eine »bodenlose Frechheit«. Sie solle auch vor der eigenen Haustür kehren – »die Datensammelwütigen sitzen im eigenen Land«. Korte forderte: »Kündigen Sie umgehend die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen auf.« Denn die Sprache der Wirtschaft würde in den USA verstanden. Außerdem solle der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar als Sonderermittler mit allen Kompetenzen eingesetzt werden. Mit Blick auf die Spionage aus Botschaften heraus sollen auch Diplomaten Konsequenzen zu spüren bekommen: »Wer spioniert, der fliegt«, so Korte in freier Interpretation eines CSU-Slogans. Und an die Regierungsbank gerichtet rief er: »Es wird Zeit, daß das Gepenne ein Ende hat.«
Daran, daß die Spionage der NSA in langjähriger Tradition steht, erinnerte in der letzten Woche ein Beitrag im 3sat-Magazin »Kulturzeit«. Es ging um die US-Abhörstation auf dem Berliner Teufelsberg, die US-Agenten lauschten nicht nur im Osten mit. In den 80er Jahren hatten Mitarbeiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes herausgefunden, daß die BRD vom Bündnispartner ausspioniert wurde. »Damals hatten wir den Spruch: In Gott vertrauen wir, alle anderen hören wir ab«, sagte der ehemalige Abhörspezialist Christopher McLaren in dem Fernsehbeitrag. Auch das Wissen des Chefs der ehemaligen Gauck-Behörde und jetzigen Bundespräsidenten über diese Tatsache und der Umgang mit den entsprechenden Akten wurden thematisiert.
jw