15.03.2014 /
Faschismusverharmloser
Ukrainische Wissenschaftler und deutsche Grüne diffamieren Berichte über Rechtsextreme in dem Land als Kreml-Propaganda
Von Ulla Jelpke
Faschistische Gruppierungen spielten eine zentrale Rolle beim Sturz der ukrainischen Regierung von Wiktor Janukowitsch. Die Partei Swoboda gehört jetzt der neuen Regierungskoalition an, und die bewaffneten Schläger des »Rechten Sektors« maßen sich Polizeifunktionen an. Doch ein Kartell aus ukrainischen Akademikern setzt gemeinsam mit liberalen Tageszeitungen und den Grünen in Deutschland alles daran, diese Rolle der Faschisten zu verharmlosen.
Im Februar veröffentlichte eine Gruppe ukrainischer und internationaler Geistes- und Sozialwissenschaftler, die sich als Experten für den ukrainischen Nationalismus bezeichnen, einen Appell an Journalisten der internationalen Presse (siehe jW vom 24.2.2014). Sie forderten darin, nichts über rechtsextreme Beteiligungen am Maidan zu schreiben. »Die starke Betonung der Beteiligung rechtsextremer Randgruppen an den Protesten in einigen internationalen Medienberichten ist ungerechtfertigt und irreführend.« Mit solchen Berichten liefere man »rhetorische Munition für Moskaus Kampf gegen die ukrainische Unabhängigkeit«. Denn unterschrieben wurde der Appell auch von zahlreichen Wissenschaftlern und NGO-Aktiven, die noch vor einem Jahr vehement vor der Gefahr gewarnt hatten, daß sich Swoboda mit seinen rechtsextremen Ideologien im gesellschaftlichen Mainstream festsetzen könnte. »Faschisten sind jetzt populär geworden«, warnte etwa der Wissenschaftler Viacheslav Likhachev, Mitglied des Generalrates des Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses (EAJC), noch im Oktober 2012 im Wochenendgespräch mit jW. Swoboda sei zwar um ein moderateres Auftreten bemüht, habe aber weder den Kern der Aktionen noch den Kern ihrer Ideologie geändert, hatte der jetzige Unterzeichner des Appells damals noch betont. Ganz offensichtlich hat sich in der ukrainischen Intelligenz eine erschreckende Regression vollzogen. Antifaschismus wird jetzt dem kurzsichtigen Kampf »für Europa« beziehungsweise gegen die »Janukowitsch-Diktatur« oder »gegen Rußland« untergeordnet.
Ganz in diesem Sinne publizierte Zeit online am 21. Februar einen Artikel des ukrainischen Rechtsextremismus-Experten Anton Schechowtsow über ein angebliches »Netzwerk« von Journalisten, die Kreml-gesteuert den Euromaidan »als von ethnozentrischen Ultranationalisten dominiert oder angeleitet darstellen«, beklagt der Wissenschaftler. Ende Februar bemühte die taz mit Kai Struve von der Universität Halle einen deutschen Historiker, der diesen Maulkorbbrief unterzeichnet hatte. Man dürfe den Maidan nicht »mit den radikalen ukrainischen Nationalisten gleichsetzen« forderte Struve – was ernsthaft allerdings niemand getan hatte. Auf dem Maidan seien Menschen »aus der Mitte der Gesellschaft«. Es seien auch Anarchisten dabei gewesen, so der taz-Gewährsmann. Er vergaß hinzuzufügen, daß ebendiese Anarchisten riskierten, verprügelt zu werden. Struve mußte allerdings einräumen, daß die Rechtsextremen ein »sehr wichtiger Teil der militanten Kräfte« seien. An ihrem Anwachsen während der letzten Wochen sei aber vor allem die Janukowitsch-Regierung mit ihren Provokationen schuld.
Nachdem sich die Existenz der Faschisten nicht mehr verschweigen läßt, wird jetzt versucht, auch dafür die Verantwortung den Russen in die Schuhe zu schieben. Je aggressiver Putin auftrete, desto mehr erstarkten die Rechten in der Ukraine, suggerierte etwa die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen, Marieluise Beck, während einer Bundestagsdebatte am Donnerstag. Der Maidan sei eine »antiputinistische Bewegung« gegen Rußland, wo Bürgerrechte abgebaut, Homosexuelle diskriminiert, die nationalistische Rechte und der Rassismus gegenüber Minderheiten immer stärker würden.
Ganz im Sinne der oben zitierten ukrainischen Akademiker sieht Beck im »vermeintlichen ukrainischen Antisemitismus« ein vor allem auf »russische Propaganda« zurückgehendes »Kampfinstrument in der Desinformationskampagne«. So vermutet Beck, daß Anschläge auf Synagogen in der Ukraine »von Provokateuren der Berkut-Kräfte verübt wurden«. Das stehe im Internet – »man kann darin ja dankenswerterweise alles finden« – benennt die Abgeordnete ihre Quelle über die angebliche Täterschaft von Mitgliedern dieser inzwischen aufgelösten Polizeispezialeinheit.
Gegenüber Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, der einen Aufruf von Swoboda-Führer Tjagnibok zum Massakrieren von Russen und Juden zitiert hatte, konterte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, es sei nicht hilfreich, mit einem Zitat aus dem Jahr 2004 zu kommen. Sie fügte allerdings hinzu, daß sich die Grünen natürlich »in aller Form von den rechtsnationalen Kräften« in der Ukraine distanzierten, »mit denen es bezüglich dem, was wir an Werten und demokratischen Vorstellungen haben« nichts an Übereinstimmung gebe. Gänzlich naiv dann ihre Hoffnung, »die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung in der Ukraine werden ganz sicher auch damit fertig werden«. Als freiheitlich bezeichnen sich in der Ukraine übrigens die Faschisten – Swoboda bedeutet »Freiheit«
jw
Faschismusverharmloser
Ukrainische Wissenschaftler und deutsche Grüne diffamieren Berichte über Rechtsextreme in dem Land als Kreml-Propaganda
Von Ulla Jelpke
Faschistische Gruppierungen spielten eine zentrale Rolle beim Sturz der ukrainischen Regierung von Wiktor Janukowitsch. Die Partei Swoboda gehört jetzt der neuen Regierungskoalition an, und die bewaffneten Schläger des »Rechten Sektors« maßen sich Polizeifunktionen an. Doch ein Kartell aus ukrainischen Akademikern setzt gemeinsam mit liberalen Tageszeitungen und den Grünen in Deutschland alles daran, diese Rolle der Faschisten zu verharmlosen.
Im Februar veröffentlichte eine Gruppe ukrainischer und internationaler Geistes- und Sozialwissenschaftler, die sich als Experten für den ukrainischen Nationalismus bezeichnen, einen Appell an Journalisten der internationalen Presse (siehe jW vom 24.2.2014). Sie forderten darin, nichts über rechtsextreme Beteiligungen am Maidan zu schreiben. »Die starke Betonung der Beteiligung rechtsextremer Randgruppen an den Protesten in einigen internationalen Medienberichten ist ungerechtfertigt und irreführend.« Mit solchen Berichten liefere man »rhetorische Munition für Moskaus Kampf gegen die ukrainische Unabhängigkeit«. Denn unterschrieben wurde der Appell auch von zahlreichen Wissenschaftlern und NGO-Aktiven, die noch vor einem Jahr vehement vor der Gefahr gewarnt hatten, daß sich Swoboda mit seinen rechtsextremen Ideologien im gesellschaftlichen Mainstream festsetzen könnte. »Faschisten sind jetzt populär geworden«, warnte etwa der Wissenschaftler Viacheslav Likhachev, Mitglied des Generalrates des Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses (EAJC), noch im Oktober 2012 im Wochenendgespräch mit jW. Swoboda sei zwar um ein moderateres Auftreten bemüht, habe aber weder den Kern der Aktionen noch den Kern ihrer Ideologie geändert, hatte der jetzige Unterzeichner des Appells damals noch betont. Ganz offensichtlich hat sich in der ukrainischen Intelligenz eine erschreckende Regression vollzogen. Antifaschismus wird jetzt dem kurzsichtigen Kampf »für Europa« beziehungsweise gegen die »Janukowitsch-Diktatur« oder »gegen Rußland« untergeordnet.
Ganz in diesem Sinne publizierte Zeit online am 21. Februar einen Artikel des ukrainischen Rechtsextremismus-Experten Anton Schechowtsow über ein angebliches »Netzwerk« von Journalisten, die Kreml-gesteuert den Euromaidan »als von ethnozentrischen Ultranationalisten dominiert oder angeleitet darstellen«, beklagt der Wissenschaftler. Ende Februar bemühte die taz mit Kai Struve von der Universität Halle einen deutschen Historiker, der diesen Maulkorbbrief unterzeichnet hatte. Man dürfe den Maidan nicht »mit den radikalen ukrainischen Nationalisten gleichsetzen« forderte Struve – was ernsthaft allerdings niemand getan hatte. Auf dem Maidan seien Menschen »aus der Mitte der Gesellschaft«. Es seien auch Anarchisten dabei gewesen, so der taz-Gewährsmann. Er vergaß hinzuzufügen, daß ebendiese Anarchisten riskierten, verprügelt zu werden. Struve mußte allerdings einräumen, daß die Rechtsextremen ein »sehr wichtiger Teil der militanten Kräfte« seien. An ihrem Anwachsen während der letzten Wochen sei aber vor allem die Janukowitsch-Regierung mit ihren Provokationen schuld.
Nachdem sich die Existenz der Faschisten nicht mehr verschweigen läßt, wird jetzt versucht, auch dafür die Verantwortung den Russen in die Schuhe zu schieben. Je aggressiver Putin auftrete, desto mehr erstarkten die Rechten in der Ukraine, suggerierte etwa die Bremer Bundestagsabgeordnete der Grünen, Marieluise Beck, während einer Bundestagsdebatte am Donnerstag. Der Maidan sei eine »antiputinistische Bewegung« gegen Rußland, wo Bürgerrechte abgebaut, Homosexuelle diskriminiert, die nationalistische Rechte und der Rassismus gegenüber Minderheiten immer stärker würden.
Ganz im Sinne der oben zitierten ukrainischen Akademiker sieht Beck im »vermeintlichen ukrainischen Antisemitismus« ein vor allem auf »russische Propaganda« zurückgehendes »Kampfinstrument in der Desinformationskampagne«. So vermutet Beck, daß Anschläge auf Synagogen in der Ukraine »von Provokateuren der Berkut-Kräfte verübt wurden«. Das stehe im Internet – »man kann darin ja dankenswerterweise alles finden« – benennt die Abgeordnete ihre Quelle über die angebliche Täterschaft von Mitgliedern dieser inzwischen aufgelösten Polizeispezialeinheit.
Gegenüber Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, der einen Aufruf von Swoboda-Führer Tjagnibok zum Massakrieren von Russen und Juden zitiert hatte, konterte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, es sei nicht hilfreich, mit einem Zitat aus dem Jahr 2004 zu kommen. Sie fügte allerdings hinzu, daß sich die Grünen natürlich »in aller Form von den rechtsnationalen Kräften« in der Ukraine distanzierten, »mit denen es bezüglich dem, was wir an Werten und demokratischen Vorstellungen haben« nichts an Übereinstimmung gebe. Gänzlich naiv dann ihre Hoffnung, »die Demokratie und die freiheitliche Grundordnung in der Ukraine werden ganz sicher auch damit fertig werden«. Als freiheitlich bezeichnen sich in der Ukraine übrigens die Faschisten – Swoboda bedeutet »Freiheit«
jw